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Wann hört ihr wirklich auf?

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Moin Muslime_Frugi,

 

Wir reden hier über TVOD E5. Das sind je nach Dauer der Tätigkeit um die 15-17€ pro Stunde und etwas Zulage. Das ganze bei 37,5 Std uhd 31 Tagen Urlaub.

Unsere Täigkeit ist vergleichbar mit der eines Schaffners, nur an der frischen Luft und mit viel Zeit für Klönschnack und Kundenkontakt...

Witzigerweise haben wir recht viele Angestellte die früher in "höheren" Positionen gearbeitet haben und die die Einfachkeit des Jobs schätzen der gleixhzeitig auch sehr abwechslungsreich ist. Ich selbst habe auch drei Mal studiert und komme aus dem höheren technischen Management eines bekannten Windanlagenherstellers. Ein ehemaliger Mercedes Werksleiter ist auch dabei, zwei Lehrer, ein Physik Professor, zwei Elektroingenieure, einer der vorher bei Google Programmierer war, sogar ein Zahnarzt in Rente auf 450er Basis 🙂

Vor allem aber gibts recht viele "Backenbleiber" aus vor allem dem,sozialen Bereich, die zu Studentenzeiten den dafür recht gut bezahlen Job beibehalten haben und nun immer noch dabei sind.

 

Unser Job ist kein Lehrberuf und daher haben wir eine ganz bunte Truppe die sich da zusammengefunden hat.

Vor allem aber haben wir zwei wirklich sehr gute und engagierte Dienstplaner die fur fast alle Probleme eine Lösung finden solange eine Hand die andere wäscht und beide zusammen das Gesicht. Das schafft viel Spielraum bei der Dienstplangestaltung.

So gibt es Kollegen die ungerne Nachtschicht gehen und auf der anderen Seite solche wie mich die alles an Nachtschichten einsammeln was sie kriegen können da diese 10 Stunden gehen und ich davon nur 7 im Monat brauche um mein Stundensoll zu erfüllen. Zudem ist nachts so wenig Los dass ich mindestens drei bis vier Stunden Zeit habe, konzentriert und ungestört private Dinge zu tun die sonst so liegen bleiben oder die in der Freizeit erledigt werden müssten.

In der Praxis ist es dann so dass ich in der Regel pro Monat drei Blöcke Nachtschichten mit je 3 Tagen habe so dass sich zum Jahresende gute 150- 200 Überstunden auf dem AZK ansammeln die ich dann nutze um im Winter auch mal zwei, drei Monate zu Hause zu bleiben.

Im Endeffekt landen dann bei mir monatlich im Schnitt 1000€ auf dem Konto. Damit bin ich eigentlich ziemlich happy wenn ich die Rahmenbedingungen mit einbeziehe. Ich kenne genug Leute die vollzeit arbeiten gehen und auch nur 500€ mehr verdienen, dafür aber auch 20 Tage im Monat 10 Stunden aus dem Haus sind. Bei uns gibt es keine Pausen, daher ist die Arbeitszeit kurzweilig und ich brauche bis zim Betriebshof nur 20 Minuten mit dem Rad 🙂

 

 

 

 

Das klingt prima! Nach so einem Job und Atmosphäre fragen hier immer wieder welche nach.

Aber mit hochqualifiziert und niedriger TZ Quote meinte ich die Jobs über der BBG also ehr 40€ pro Stunde

Ja, je höher das Gehalt, desto unüblicher ist Teilzeit und alleine schon die Frage danach wird oft als Frechheit empfunden.

Bei meinem letzten Arbeitgeber hatte ich im Jahresgespräch angefragt, ob die Möglichkeit bestünde auf 75% zu reduzieren und auch angeboten dafür einen anderen Posten zu übernehmen sollte man Angst haben dass "Umstände" auftreten.

Als Antwort bekam ich dann frech zu hören ob ich nicht vielleicht auch ganz zu Hause bleiben wolle so dass ich noch mehr Freizeit hätte. Die Idee fand ich spontan gut da ich in der Firma ohnehin nicht sonderlich happy war und habe noch während des selben Gespräches Kündigung eingereicht, die verbleibenden 3,5 Monate meine Überstunden abgebummelt und war nur noch einmal dort um Firmenwagen und gestellte Arbeitsmaterialien abzugeben - kam nicht gut an...

Im Endeffekt habe ich an Gehalt deutlich verloren aber an Lebensqualität gewonnen, auch wenn jetzt monatlich 4000€ weniger aufs Konto wandern.

Ich denke aber der Trend geht Richtung Teilzeit oder zumindest zu höherer Akzeptanz hin. Die 2000er Generation setzt zunehmend auf Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance und Unternehmer beginnen, sich dem zu beugen und zu erkennen dass Arbeitsmoral, Motivation und Effizienz einen hohen Wert haben...

Wir werden sehen wie sich das so entwickelt.

 

 

Zitat von Frugi85 am 24. August 2021, 20:10 Uhr

Ja, je höher das Gehalt, desto unüblicher ist Teilzeit und alleine schon die Frage danach wird oft als Frechheit empfunden.

Bei meinem letzten Arbeitgeber hatte ich im Jahresgespräch angefragt, ob die Möglichkeit bestünde auf 75% zu reduzieren und auch angeboten dafür einen anderen Posten zu übernehmen sollte man Angst haben dass "Umstände" auftreten.

Als Antwort bekam ich dann frech zu hören ob ich nicht vielleicht auch ganz zu Hause bleiben wolle so dass ich noch mehr Freizeit hätte. Die Idee fand ich spontan gut da ich in der Firma ohnehin nicht sonderlich happy war und habe noch während des selben Gespräches Kündigung eingereicht, die verbleibenden 3,5 Monate meine Überstunden abgebummelt und war nur noch einmal dort um Firmenwagen und gestellte Arbeitsmaterialien abzugeben - kam nicht gut an...

Im Endeffekt habe ich an Gehalt deutlich verloren aber an Lebensqualität gewonnen, auch wenn jetzt monatlich 4000€ weniger aufs Konto wandern.

Ich denke aber der Trend geht Richtung Teilzeit oder zumindest zu höherer Akzeptanz hin. Die 2000er Generation setzt zunehmend auf Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance und Unternehmer beginnen, sich dem zu beugen und zu erkennen dass Arbeitsmoral, Motivation und Effizienz einen hohen Wert haben...

Wir werden sehen wie sich das so entwickelt.

 

 

Ja das sehe ich ebenso.

Wer wenig verdient, muss meist VZ arbeiten

Wer viel verdient, muss vielleicht nicht, es wird aber umso mehr erwartet.

Teilweise kann ich das nachvollziehen. Führungskraft mit 50% Arbeitszeit zu sein, stelle ich mir schwer vor. Klar kann man sich eine Stelle teilen, aber bei zwei Teilzeit-Führungskräften geht viel Zeit alleine für die Kommunikation untereinander drauf.

Allgemein wird auch bei mir erwartet, dass man sich voll für den Beruf einsetzt. Zwar arbeite ich im öffentlichen Dienst und da ist es relativ locker mit Arbeitszeitänderungen, ABER meist nur mit familären Gründen. Auch außerdienstlich ist es kein Problem bei einer Feier unter Kollegen abzusagen, weil man z.B. sein Kind betreuen muss. Eine Absage, weil man nach 10 Stunden Arbeit einfach nach Hause will, wird negativ aufgenommen.

Der Trend ändert sich aber wie du zurecht beschreibst. Gerade bei den Führungskräften unter 40 (davon gibs aber noch garnicht so viele) ist Work Life Balance wichtiger. Meine Ex Chefin arbeitet "nur" 36 Stunden. Da ist zwar auch fast VZ aber sie hat sich meistens den Freitag freigeschaufelt um ein langes Wochenende zu haben.

Was ich aber bei ihr gesehen habe und für mich fürchte, ist, dass weniger Arbeitszeit nicht zu wenig Arbeit führt. Wo manch einer Job mit 41 Stunden relativ gut bewältigbar ist, inklusive Plausch mit Kollegen, kann 20,5 Stunden bedeuten, dass man wirklich durch arbeitet, nach der Arbeit noch dienstlich angerufen wird und man in bestimmten Zeiten dann doch mal ne Woche Vollzeit erscheinen muss. Wohlbemerkt ohne dass man eine Ausrede hat, denn man "sitzt ja nur zuhause rum".

Das Zitat hat mir mal eine Kollegin um die Ohren gehauen, als ich 2 Wochen Urlaub hatte ohne zu verreisen. Sie hatte erwartet, dass ich meinen Urlaub nach einer Woche abbreche, weil auf der Arbeit unerwartet neue dringende Aufgaben auftauchten.

Ich fürchte in Teilzeit immer häufiger solche Konflikte zu erleben.

 

Danke für das Einstellen der Liste Muslime_Frugi

Ich bin auch überzeugt, dass viele Menschen sehr in der Arbeitswelt und in sozialen Konventionen und Normen gefangen sind und erst später erkennen was sie eigentlich wollen bzw. wollten. Mir geht es bis heute im Leben so, dass ich eigentlich gar nicht weiß was ich will.

Ich habe keine Familie und bin manchmal etwas einsam, aber es ist eben nicht so, dass ich unbedingt Frau und Kinder haben wollte. Ich verreise nie, aber ich bin schon als Kind nie verreist und habe kaum Fernweh. Deswegen weiß ich oft nicht wofür ich arbeite. Ich habe keine großen Träume und teuren Hobbies für die ich hart arbeite. Eigentlich arbeite ich nur noch deswegen in VZ weiter, weil ich gefühlt noch nicht genug Rücklage aufgebaut habe. Vielleicht habe ich auch einfach Angst mit mehr Freizeit noch mehr zu erkennen, dass ich kein besonders erfülltes Leben habe, keine Ahnung.

Mein Job ist auch eine Ausrede für mich und mein Umfeld. Familienfeier? Oh tut mir leid, ich habe die ganze Woche gearbeitet und Freitag bis 19 Uhr, ich brauch mal Zeit für mich .... sooooo sooorry

Gerne Andreas!

Danke auch an dich für deine Offenheit. Für mich geht es beim Frugalismus und FIRE um ein besseres Leben und bewusst gelebtes Leben. Alleine schon darüber klar und offen nachzudenken ist für die meisten zu anstengend, weil es oftmals Veränderung, Verlassen der Komfortzonen oder das Hinterfragen eigener Prägung erfordert.

Aber nur so kommen wir letztendlich weiter, können und weiterentwickeln und am wichtigsten = unser Leben zu leben und nicht zu sehr nach den Vorstellungen anderer.

Ich finde es toll, wenn gerade hier offen darüber geschrieben wird. Wir alle sind mehr oder weniger mit diesem Prozess beschäftigt.

Zitat von Muslime_Frugi am 25. August 2021, 16:42 Uhr

Gerne Andreas!

Danke auch an dich für deine Offenheit. Für mich geht es beim Frugalismus und FIRE um ein besseres Leben und bewusst gelebtes Leben. Alleine schon darüber klar und offen nachzudenken ist für die meisten zu anstengend, weil es oftmals Veränderung, Verlassen der Komfortzonen oder das Hinterfragen eigener Prägung erfordert.

Aber nur so kommen wir letztendlich weiter, können und weiterentwickeln und am wichtigsten = unser Leben zu leben und nicht zu sehr nach den Vorstellungen anderer.

Ich finde es toll, wenn gerade hier offen darüber geschrieben wird. Wir alle sind mehr oder weniger mit diesem Prozess beschäftigt.

Ich glaube dass viele Leute auf ein Ziel hinarbeiten. Klassisch ist das die Rente oder eine möglichst frühe Rente. Bei Frugalisten ist es vielleicht sogar die Rente mit 40.

Viele sagen sich, dass sie dann später im Rentenalter alles nachholen und erleben werden. Sie planen Reisen, Lernen von Musikinstrumenten, Zeit für Familie und co. Bis sie feststellen, dass der erwachsene Sohn garnix mehr von seinem 60 jährigem Pappa will. Klavier spielen allein in einem stillen Raum macht dann doch keinen Spass und Reisen wird körperlich beschwerlich.

Mein ehemaliger Ausbildungsleiter ging mit 65 in Rente und starb einen Monat später an einem Schlaganfall, auf der Hochzeit seiner Tochter....

Leben sollte man nicht aufschieben. Man sollte sich aber auch nicht von einem unzufriedenem Leben durch zu viel Arbeit ablenken. Wäre ich nicht verbeamte und könnte mit 40 aufhören zu arbeiten würde ich es vielleicht tun und bis dahin Vollzeit arbeiten. Vielleicht ist es ja sogar gut, dass ich das nicht kann und deswegen umso früher über eine Teilzeit nachdenke.

Eigentlich mache ich heute schon alles was mir Spaß macht. Die Interessen sind vielseitig und Angst meine Zeit zu füllen habe ich nicht.
Es ist nur eben so, dass derzeit das Arbeiten zeitlich dominiert und die Muße fehlt.
Da ich nicht an meinem Job und Kollegen hänge und mit fast 50 kurz vor dem Komplettausstieg bin ist TZ keine Option

Zu meinen Kindern habe ich ein tolles Verhältnis. Probleme mit dem loslassen habe ich keine. Für sie da zu sein, sie zu unterstützen und ihnen einen stabilen Rahmen zu geben empfinde ich nicht als Belastung, es erfüllt mich. Sie dürfen gerne ziehen und ihr Leben leben. Wenn Kinder sich von Den Eltern abwenden ist zuvor meist irgendwas gewesen.

Zitat von Andreas900 am 25. August 2021, 19:08 Uhr

Viele sagen sich, dass sie dann später im Rentenalter alles nachholen und erleben werden. Sie planen Reisen, Lernen von Musikinstrumenten, Zeit für Familie und co. Bis sie feststellen, dass der erwachsene Sohn garnix mehr von seinem 60 jährigem Pappa will. Klavier spielen allein in einem stillen Raum macht dann doch keinen Spass und Reisen wird körperlich beschwerlich.

Und mit 67 ist dann auch nicht mehr viel Zeit (selbst wenn man noch fit und gesund ist).

Wer weiß schon, wie alt wir werden. Die Medizin schafft tolle Dinge, zweifelsohne, aber leben wir im Kollektiv gesünder oder ungesünder als unsere Eltern? 20% der Deutschen weden keine 69 Jahre alt. Stress, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung führen zu Übergewichtigkeit (und damit zu Diabetes & Herz-Kreislauf-Beschwerden und Krebs), außerdem zu psychischen Erkrankungen, die wiederum zu einer verringerten Lebenserwartung führen.

Wie sagt Enno Bunger es so schön: "Ich schieb nichts mehr auf meine Bucket-List."

Das sollte ins Mark übergehen.

Mir dämmerte es mit 24 Jahren. Der Vater meines Abteilungsleiters starb kurz nach seiner Pensionierung (im Einsatz für die Firma, für die er noch auf 450€ weitergearbeitet hat). Seine Frau und er wollten eigentlich ein Wohnmobil kaufen & ein wenig reisen, schließlich waren beide noch sehr fit und Anfang 60. Das Leben machte einen Strich durch die Rechnung. Ich weiß nicht, wieso es gerade dieses Erlebnis war, aber kurz darauf entschloss ich mich dazu, mich an der Uni einzuschreiben.

Wer sparsam ist muss weniger arbeiten.

Bei uns Lehrern gibt es durchaus auch Männer ohne Familie in Teilzeit. Natürlich fällt Teilzeit in dem Beruf oft nicht so auf. Vieles darf man aber trotzdem voll mitmachen. Und man hat nicht unbedingt einen Tag frei, zumindest nicht bei uns. Die Entlastung ist also nicht unbedingt direkt proportional zum Teilzeitanteil.

Eventuell ist ein Sabbatical auch eine Lösung: Ist schließlich auch eine Form von Teilzeit. Ich bin aktuell in der Ansparphase und bin sehr gespannt, wie mein Leben dann in elf Monaten für ein Jahr aussieht.

Zitat von luxander am 25. August 2021, 23:37 Uhr

Eventuell ist ein Sabbatical auch eine Lösung: Ist schließlich auch eine Form von Teilzeit. Ich bin aktuell in der Ansparphase und bin sehr gespannt, wie mein Leben dann in elf Monaten für ein Jahr aussieht.

Viel spannender ist die Frage, wie sieht dein Leben danach aus...ich hatte mal eine 4 monatige Auszeit und bin durch Südamerika gereist, so richtig habe ich mich davon nicht mehr erholt. Irgendwie war, zumindest die ersten 5 Jahre danach, meine Arbeitseinstellung ein bisschen angeknackst.

Zitat von Privatier am 26. August 2021, 8:38 Uhr
Zitat von luxander am 25. August 2021, 23:37 Uhr

Eventuell ist ein Sabbatical auch eine Lösung: Ist schließlich auch eine Form von Teilzeit. Ich bin aktuell in der Ansparphase und bin sehr gespannt, wie mein Leben dann in elf Monaten für ein Jahr aussieht.

Viel spannender ist die Frage, wie sieht dein Leben danach aus...ich hatte mal eine 4 monatige Auszeit und bin durch Südamerika gereist, so richtig habe ich mich davon nicht mehr erholt. Irgendwie war, zumindest die ersten 5 Jahre danach, meine Arbeitseinstellung ein bisschen angeknackst.

Kann ich total nachvollziehen. Hat man sich einmal an etwas gewöhnt, will man es nicht mehr loslassen.

Wenn ich in Teilzeit gehe oder früher aufhöre, soll das endgültig sein. Nichts wäre für mich schlimmer als die Arbeitszeit wieder erhöhen zu müssen.

Der Nutzen von Teilzeit ist schon enorm. Bislang musste ich Donnerstags immer bis Kernzeit 17:30 Uhr arbeiten, meiste waren das 10 Stunden Arbeit an dem Tag. Seit Corona sind diese Kernzeiten aufgehoben und ich kann die Arbeitszeit über die Woche verteilen. Alleine dieser winzige Luxus ist schon spürbar.

Sabbatical bedeutet man arbeitet ein Jahr nicht und davor sowie danach Vollzeit. Über die gesamte Zeit bekommt man ein leicht reduziertes Gehalt entsprechend der durchschnittlichen Arbeitszeit. Das macht finde ich nur Sinn wenn man in dem Jahr was vorhat, z.B. ein Jahr im Ausland verbringen, ein Haus bauen o.ä. will. Nach einem Jahr wieder in Vollzeit zurück kommen, stelle ich mir schrecklich vor. Grad wenn man sich an die Freizeit gewöhnt hat.

Ich glaube man verändert sich auch mit weniger Arbeit. Ich esse anders, treibe mehr Sport, schlafe mehr, gehe anderen Interessen nach. Wenn ich viel arbeite, strukturiere ich meistens auch meine Freizeit durch. Nach dem Motto: Viel aus wenig Freizeit machen. Wenn ich wenig arbeite oder mal Urlaub habe, nehme ich mir Zeit zum Kochen, für Sport etc. Ich glaube manchmal, ich kenne mich garnicht selber, weil ich außer Arbeit und Couch kaum was tue.

Ich habe beides schon gemacht: ein Jahr Sabbatical und nach einer Teilzeitperiode wieder Vollzeit gearbeitet.

Es war beides schrecklich. Das Sabbatical hatte ich mit Mitte 20, seitdem ist meine Motivation im Keller. Ich konnte mich nie wieder daran gewöhnen, arbeiten zu müssen. Ich fühle mich seitdem als wenn ich in einer "Midlife-Crisis" bin, und dass seit über 20 Jahren. Ich bin jetzt 49.

Als ich dann mit Mitte 30 auf Teilzeit umgestiegen bin (30 Std. die Woche) war das eine enorme Erleichterung für mich. Einige Jahre später dachte ich, es wäre nicht schlimm wieder Vollzeit zu arbeiten und habe das dann auch umgesetzt. Das hat mich fertig gemacht. Ich hatte mich so an die Teilzeit gewöhnt das ich regelrecht gelitten habe.

Jetzt arbeite ich wieder Teilzeit mit 33 Std. die Woche, bin aber ständig mit dem Gedanken beschäftigt, noch weiter zu reduzieren, am liebsten auf 20 Std.

Nur der Gedanke an die finanzielle Freiheit hält mich davon ab.

Ich möchte lieber noch 5-6 Jahre so arbeiten wie jetzt und dann frei sein, als dass ich noch 10 Jahre brauche weil ich nur noch 20 Std. arbeite.

Übrigens wissen wenige Personen in meinem privaten als auch im Arbeits-Umfeld (soweit möglich) dass ich Teilzeit arbeite. Ich habe das erste Mal in Teilzeit so viele komische, herabsetzende und auch neidvolle Reaktionen erfahren, dass ich beschlossen habe, die Teilzeit nicht mehr zu erwähnen. Ohne Kinder Teilzeit zu arbeiten wird einfach nicht akzeptiert.

Wenn ich längere Zeit am Stück frei habe, also im Urlaub, geht es mir auch so, dass ich auf einmal viel kreativer bin, viel mehr Energie habe, regelrecht aufblühe und ein ganz anderes Leben führe als wenn meine Kraft durch die Arbeit aufgefressen wird. Dabei ist mein Job gut, es gibt sehr wenig daran zu meckern. Ich bin froh, einen so guten Job zu haben.

Der Drang frei zu sein ist aber enorm groß.

 

Irgendwie traurig und erschreckend, dass man Teilzeitarbeit (ohne vorhandene Kinder) verheimlichen muss.

Zitat von luxander am 26. August 2021, 12:51 Uhr

Irgendwie traurig und erschreckend, dass man Teilzeitarbeit (ohne vorhandene Kinder) verheimlichen muss.

In Deutschland liegt immer noch die Vollzeit- und Präsenskultur vor. Ich habe in meinem Umfeld in den letzten Wochen/Monaten mehrmals gesagt, dass ich in nicht allzu ferner Zukunft in Teilzeit gehen möchte. Die Reaktionen waren bis auf die meiner Partnerin gleich.

  • Du hast doch noch keine Kinder, wieso willst du weniger arbeiten?
  • Was willst du mit der ganzen Freizeit?
  • Du bist verwöhnt
  • Sind Kinder auf dem Weg/geplant?

Häufig wurde auch gar nicht darauf reagiert, sondern nur abwertend geschaut und das Thema wurde gewechselt.

Zitat von spaetzuender am 26. August 2021, 14:23 Uhr

Ich musste mir folgendes anhören:

  • Du musst ja Geld haben
  • Hast du geerbt?
  • Du hast doch keine Kinder
  • Das ist egoistisch
  • Du bist doch gesund!
  • Das ist den Rentnern bzw. dem System, der Gesellschaft gegenüber unfair
  • Das ist der Firma, den Kollegen gegenüber unfair
  • Du bist kein Leistungsträger
  • Du wirst später dem Staat auf der Tasche liegen
  • Was machst Du denn die ganze Zeit? Mir wäre das zu langweilig
  • wievielt verdienst Du in Teilzeit? Nach der Antwort blasses Gesicht des Gegenübers und die Antwort: Das ist unfair, ich arbeite Vollzeit und habe 600 EUR weniger (beide Berufe sind aber überhaupt nicht vergleichbar)
  • Frage ob man einem Geld leihen könnte
  • Annahme, dass 30 Std. (6 Stunden am Tag) gleich zu setzen sind mit einem Halbtagsjob: wenn Du jetzt immer ab mittags frei hast, kannst Du dann mal dies für mich machen, oder das, usw... Du hast doch jetzt soviel Zeit
  • Erwartung der Kollegen, dass man, wenn ein Kollege im Team Urlaub hat, trotzdem Vollzeit arbeitet, um die Arbeit aufzufangen
  • Gejammer der Kollegen, dass man es ja so gut hätte, und sie selber wären so arm dran ...

Einiges davon wurde einem aber natürlich nicht ins Gesicht gesagt, sondern liefen als Gerüchte rum.

Da ist es einfacher, gar nichts zu sagen. Es ist ja auch ein Unterschied, ob man das Thema einfach nicht aktiv anschneidet oder ob man einfach nichts dazu sagt. Fragt mich jemand direkt, lüge ich nicht.

 

Wenn ich den Schritt wage, nehme ich auch an solche Antworten zu hören. Darf ich fragen, wie viel zu bei 30h netto raushast? Das Finanzielle ist noch ein Grund der mich zweifeln lässt, da ich zwar trotz TZ Geld sparen könnte, aber eben nicht mehr so viel.

Zitat von luxander am 26. August 2021, 12:51 Uhr

Irgendwie traurig und erschreckend, dass man Teilzeitarbeit (ohne vorhandene Kinder) verheimlichen muss.

Willkommen in Deutschland.

Meine Erfahrungen sind da ähnlich. Ich überlege auch ab nächstes Jahr auf 30 Stunden zu gehen und das hat bei jedem egal ob auf der Arbeit oder im privaten Umfeld dem ich das erzählt habe Entsetzen ausgelöst

Zitat von frugimat am 26. August 2021, 14:42 Uhr

 

Wenn ich den Schritt wage, nehme ich auch an solche Antworten zu hören. Darf ich fragen, wie viel zu bei 30h netto raushast? Das Finanzielle ist noch ein Grund der mich zweifeln lässt, da ich zwar trotz TZ Geld sparen könnte, aber eben nicht mehr so viel.

2.320 EUR ohne Urlaubs/Weihnachtsgeld

Zitat von PanameraFlow am 26. August 2021, 15:00 Uhr

Meine Erfahrungen sind da ähnlich. Ich überlege auch ab nächstes Jahr auf 30 Stunden zu gehen und das hat bei jedem egal ob auf der Arbeit oder im privaten Umfeld dem ich das erzählt habe Entsetzen ausgelöst

Dann warte mal ab, wenn du gar nicht mehr arbeitest. Da ist das Gespräch immer gleich zu Ende oder das Thema wird gewechselt.

Zitat von PanameraFlow am 26. August 2021, 15:00 Uhr
Zitat von luxander am 26. August 2021, 12:51 Uhr

Irgendwie traurig und erschreckend, dass man Teilzeitarbeit (ohne vorhandene Kinder) verheimlichen muss.

Willkommen in Deutschland.

Meine Erfahrungen sind da ähnlich. Ich überlege auch ab nächstes Jahr auf 30 Stunden zu gehen und das hat bei jedem egal ob auf der Arbeit oder im privaten Umfeld dem ich das erzählt habe Entsetzen ausgelöst

Ja die Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich habe bisher nur sehr wenigen erzählt, dass ich in Teilzeit gehen möchte. Die Reaktion war überall zurückhaltend bis ablehnend. Nur eine Freundin hat mir gesagt, dass sie es versteht und man sich Zeit im Leben nicht kaufen kann.

Jetzt hat mich auch noch meine Vorgesetzte angesprochen, ob ich mir nicht eine Führungsposition vorstellen könnte. Natürlich weiß sie nichts davon, dass ich innerhalb der nächsten Jahre in Teilzeit gehen möchte und die Führungsposition würde ich in Teilzeit nicht schaffen bzw. garnicht erhalten.

Will ich auch garnicht. Versteht aber keiner. Was sag ich? Sorry Chefin, ich will eigentlich lieber weniger als mehr arbeiten, weil ich genug Kohle hab?

Ich merke dadurch auch gerade welche Überwindung es für mich ist, diese Gespräch irgendwann mit meinen Vorgesetzten zu führen. Bislang habe ich das auch aus taktischen Gründen nicht meinen Vorgesetzten erzählt. Ich fürchte als Teilzeit-Mann generell als faul zu gelten und kaum noch Chancen zu haben.

Das ist auch ein Grund warum ich diesen Thread gestartet habe. Für die Meisten ist es noch Theorie wann sie aufhören wollen oder zumindest in Teilzeit gehen wollen. In der Praxis finde ich das alles sehr schwierig. Von der gesellschaftlichen Akzeptanz bis hin zur Akzeptanz für sich selber und gegen eine Erziehung, die meist das Arbeiten bis ins Grabe als vorbildlich verkauft hat.

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