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fiktives Einkommen berechnen - Depot

Hallo zusammen,

 

ich stehe vor einem theoretischen Problem, bei dem ich gerne eure Meinung dazu hören würde:

Wie berechne ich am realistischsten das fiktive Einkommen meines Depots?

 

Angenommen ich hätte ein Depot im Wert von 100.000 €, könnte ich ja nach der 4 %-Regel jedes Jahr 4.000 € entnehmen bzw. 333 € monatlich.

Grundsätzlich liefert ein breit gestreutes Depot ja aber ca 7 % jährlich (vor Inflation) oder 5 % nach Inflation -

..und versteuern müsste man das ganze auch noch irgendwie.

Bei 5 % Rendite läge das monatliche Einkommen aus dem Depot schon bei 416 €, bei 7 % schon bei 583 €.

 

Ich würde das monatliche Einkommen am liebsten mit meinem derzeitigen Einkommen aus aktiver Arbeit gleichsetzen. Nehme ich dann da eher das Brutto-Einkommen oder das Nettoeinkommen? Schließlich sind die Erträge aus dem Depot ja auch noch nicht versteuert und thesaurierend angelegt.

Außerdem befinde ich mich noch über einen langen Zeitraum in der Ansparphase, sodass ich hier dann ja eher mit den Bruttoerträgen des Depots rechnen könnte, da ja ohnehin alles thesaurierend angelegt ist.

Ich stelle mir die Frage, da ich in Zukunft gerne in Teilzeit wechseln möchte und für mich selbst eine grobe Richtschnur hätte, wieviel von meinem Arbeitseinkommen bereits vom Depot gedeckt ist. Was meint ihr?

Ich habe den Thread mal ins passende Unterforum verschoben.

@arnim

Vielleicht beantwortet meine Artikelserie zu dem Thema deine Fragen?

https://frugalisten.de/von-den-zinsen-leben-entnahmestrategien/

Zitat von Arnim am 16. September 2022, 11:55 Uhr

Wie berechne ich am realistischsten das fiktive Einkommen meines Depots?

Prinzipiell mit der 4%-Regel. Dahinter steckt die Idee, dass ein Aktienpaket mit 4% Entnahme ein äußerst geringes Risiko hat, über einen gewissen zeitlichen Entspar-Rahmen auf Null zu fallen.

Angenommen ich hätte ein Depot im Wert von 100.000 €, könnte ich ja nach der 4 %-Regel jedes Jahr 4.000 € entnehmen bzw. 333 € monatlich.

Grundsätzlich liefert ein breit gestreutes Depot ja aber ca 7 % jährlich (vor Inflation) oder 5 % nach Inflation -

..und versteuern müsste man das ganze auch noch irgendwie.

Bei 5 % Rendite läge das monatliche Einkommen aus dem Depot schon bei 416 €, bei 7 % schon bei 583 €.

Das sind kurzfristige Betrachtungen, die Dir aktuell nicht helfen. Der DAX lag im letzten Jahr bei max. 16xxx Punkten, aktuell bei 12xxx, also grob 25% Verlust.

Natürlich kannst Du das jede Woche ausrechnen, wie Deine Entnahmestrategie in 30 Jahren aussieht, aber die Fehler sind über so lange Zeiträume massiv und zudem weiß kein Mensch, wie ein Aktiendepot in 30 Jahren besteuert wird. Also nimmt man grundlegend 4% an und guckt, wo man hinkommt.

Die 4% sind auch grds. netto und damit so halbwegs mit Deinem Nettoeinkommen bzw. noch besser Deinen Netto-Ausgaben zu vergleichen. Wenn Du Deine Ausgaben von den 4% decken kannst, ist Dein Leben bezahlt. So zumindest in der Theorie.

Außerdem befinde ich mich noch über einen langen Zeitraum in der Ansparphase, sodass ich hier dann ja eher mit den Bruttoerträgen des Depots rechnen könnte, da ja ohnehin alles thesaurierend angelegt ist.

Ich stelle mir die Frage, da ich in Zukunft gerne in Teilzeit wechseln möchte und für mich selbst eine grobe Richtschnur hätte, wieviel von meinem Arbeitseinkommen bereits vom Depot gedeckt ist. Was meint ihr?

Grob kannst Du Dich an der 4%-Theorie entlanghangeln, hängt aber auch davon ab, wieviele Rentenpunkte Du verlierst, was Du sonst noch an Kapital (Eig. Immo zB) hast und wie lang der Zeitraum bis zum gesetzl. Renteneintritt ist. So lange Du noch in TZ Versicherungspflichtig beschäftigt bist, bleibt ja zb Deine GKV erhalten. Steigst Du voll aus, muss das anders geregelt werden.

Hey Oliver,

ich hatte das Thema schon mit Bedacht in der Rubrik "Einnahmen und Ausgaben" erstellt, da ich ja die fiktiven Einnahmen aus dem Depot für mich greifbar machen möchte. Deine Artikelserie zu den Entnahmestragien kenne ich natürlich schon auswendig 😉  die haben aber nicht die Antwort für mich parat, die ich suche.

Da trifft MFZs Beitrag schon eher den Kern der Sache und ich stimme ihm dazu bei, dass man das Depoteinkommen mit dem Nettoeinkommen nach der 4 %-Regel berechnen kann.

Mit dieser Methode könnte ich derzeit peu á peu meine Arbeitszeit alle 3-4 Jahre um 10 % reduzieren und würde trotzdem immer die Möglichkeit haben, den gleichen monatlichen Betrag zu investieren (Lifestyle-Inflation und Beförderungen mal außen vor gelassen). Die Sparrate würde dann natürlich zu einem immer größer werdenden Teil aus fiktiven Depotgewinnen bestehen. Da ich aber weiter in meinem Job tätig bin, erlaubt mir diese Vorgehensweise ein Herunterfahren meiner Arbeitszeit auf ein Niveau, das lediglich meine aktuellen Kosten decken muss.

Naja, das hätte man aus Oli's Artikelserie schon rauslesen können.

Der Haken ist, dass sich mit den aktuellen Inflationsraten von deutlich über 5% in Verbindung mit bestenfalls stagnierenden Aktienkursen zwei Effekte negativ korrellierend überlagern, von denen man bisher ausgehen konnte bzw. in der 4%-Regel auch dauerhaft unterstellt, dass sie sich eben genau nicht so verhalten, wie sie es aktuell tun.

Praktisch bedeutet das, dass Du sehr genau hingucken musst, ob Deine anteiligen (!) 4% Entnahmen auch tatsächlich alle Deine Kosten decken, die sich aus der Stundenreduzierung ergeben, ohne den großen Plan zu gefährden. Das hängt aber davon ab, was Dein Depot leisten können soll/muss, wenn Du komplett aufhörst zu arbeiten.

Grundsätzlich - immer vorausgesetzt, dass die Theorie auch dauerhaft aufgeht - wäre es daher eher unclever, Stunden zu reduzieren und das Depot vorzeitig zu belasten, weil man aktuell eigentlich günstig nachkaufen sollte. Anteilige Entnahme und Nachkaufen beißt sich aber irgendwie.

Naja es soll ja keine Entnahme geben solange ich noch in der Ansparphase bin. Die fiktive Depotentnahme findet nur insofern statt, dass ich meine monatliche Sparrate vom Job um die fiktiven Netto-Depoterträge kürze. So investiere ich dann beispielhaft nicht mehr 1.000 € pro Monat, sondern 1.000 € abzüglich der fiktiven Depoteinnahmen und kann dementsprechend meine Arbeitszeit reduzieren.

Das alles ist natürlich komplett darauf ausgelegt, dass die Börse so funktioniert wie immer. Bärenphasen wie diese und hohe Inflation sind da genauso bereits eingepreist wie Bullenmärkte und Phasen der Deflation, die alle paar Jahre (oder Jahrzehnte) auftreten.

Solange ich mich noch in einem Arbeitsverhältnis befinde, das sämtliche Kosten deckt, kann mir das Börsengeschehen ziemlich egal sein. Ich habe ja auch keinen festen Zeitpunkt an dem ich aufhören muss zu arbeiten. Sind wir jetzt am Anfang eines dritten Weltkrieges mit 15 Jahren Auf und Ab an den Börsen muss ich nur weiter arbeiten und nur nicht verkaufen. Dann geht der Plan auf.

Zitat von MFZ73 am 20. September 2022, 12:02 Uhr

...

Der Haken ist, dass sich mit den aktuellen Inflationsraten von deutlich über 5% in Verbindung mit bestenfalls stagnierenden Aktienkursen zwei Effekte negativ korrellierend überlagern, von denen man bisher ausgehen konnte bzw. in der 4%-Regel auch dauerhaft unterstellt, dass sie sich eben genau nicht so verhalten, wie sie es aktuell tun.

wieso konntest Du davon ausgehen?

genau das ist doch in den ganzen 1970er Jahren ebenso geschehen:

seit den 1960er Jahren bis 1982 Aktienkurse in einer Seitwärtsbewegung - in einem Jahrzehnt, das von Inflation bzw. Stagflation geprägt war!

--> was begründet die Annahme, dass das nicht 50 Jahre später mal wieder geschehen könne?

Zitat von exit-tbd am 20. September 2022, 13:38 Uhr
Zitat von MFZ73 am 20. September 2022, 12:02 Uhr

...

Der Haken ist, dass sich mit den aktuellen Inflationsraten von deutlich über 5% in Verbindung mit bestenfalls stagnierenden Aktienkursen zwei Effekte negativ korrellierend überlagern, von denen man bisher ausgehen konnte bzw. in der 4%-Regel auch dauerhaft unterstellt, dass sie sich eben genau nicht so verhalten, wie sie es aktuell tun.

wieso konntest Du davon ausgehen?

genau das ist doch in den ganzen 1970er Jahren ebenso geschehen:

seit den 1960er Jahren bis 1982 Aktienkurse in einer Seitwärtsbewegung - in einem Jahrzehnt, das von Inflation bzw. Stagflation geprägt war!

--> was begründet die Annahme, dass das nicht 50 Jahre später mal wieder geschehen könne?

Das ist nicht meine Behauptung, sondern das ist eine Grundthese der 4%-Regel bzw. der statistischen Untersuchungen, die der 4%-Regel zu Grunde liegen und die auch die Entwicklung der 70er Jahre inkludieren. Man hat ja - iirc mit Monte-Carlo-Verfahren - getestet, mit welchen durchschnittlichen Entnahmewerten ein fiktives Depot über mehrere Jahrzehnte und über verschiedene Zeiträume nicht mehr oder nur noch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit broke geht - und dann kam eben irgendwas um 4% raus.

Dass das kein Naturgesetz ist, dass sich unbeirrt in die Zukunft extrapolieren lässt, steht auf einem anderen Blatt.

Wenn aber ein Aktiendepot nicht mal grds. die Inflation einspielt - die wiederum in den 4% enthalten ist - dann geht das Ding nie auf. Ergo dürfen Inflation und Depot-Entwicklung nicht dauerhaft in die gleiche Richtung laufen.

Zitat von MFZ73 am 20. September 2022, 13:48 Uhr

... das ist eine Grundthese der 4%-Regel bzw. der statistischen Untersuchungen, die der 4%-Regel zu Grunde liegen

ist halt die Frage, wie sinnvoll so eine Regel mit einer Beschränkung auf EINE Anlageklasse ist?

alternativ gibt es ja auch

Das Fugger-Prinzip, oder auch Rothschild-Zauberformel genannt, ist seit jeher die Grundlage für diese Anleger-Weisheit:

"Man soll sein Vermögen stets in drei Teile teilen: Ein Drittel Land, ein Drittel Handelswaren und ein Drittel bar zur Hand."


Diese sogenannte Drei-Speichen-Regel ... fasst zwei wichtige Weisheiten zusammen:
1. Streue bei Geldanlagen das Risiko.
2. Erkenne den Moment, um Gewinne mitzunehmen!

...  leicht angepasst ... heute ...: Ein Drittel Immobilien, ein Drittel Aktienfonds und ein Drittel Edelmetall.

(sprich: Gold und Silber werden einfach als Zentralbank-unabhängiger "bar zur Hand-Komponente" genutzt)

zumindest wenn eine bevorzugte Anlageklasse 10 oder 20 Jahre super gelaufen ist, dann könnte man sich fragen, ob dieses Blatt nicht erstmal "ausgereizt" ist ...

... und man die nächsten 10 Jahre besser voran kommt, wenn man (nach "Gewinnmitnahmen" mit der Hälfte oder zwei Dritteln des Gesamtvermögens?) ein bzw. zwei andere Pferde reitet?

Hi Arnim

eigentlich musst du 2 Dinge getrennt voneinander beachten.

  1. Eine sichere Entnahmerate deines thes. ETF Depots
  2. Die steuerliche Auswirkung, da ja das Nettoeinkommen entscheidend ist

Da du TZ in Erwägung ziehst und wohl noch jünger bist, wären mir 4% deutlich zu hoch. Da weiteres Einkommen durch TZ hinzukommt, fällt steuerlich die Günstigerprüfung geringer aus.

Ich würde mich mit dem Thema Entnahmestrategie beschäftigen und bei der Steuer einfach von der vollen Abgeltungssteuer ausgehen. Die tatsächliche Steuer wird geringer sein und du hast somit einen Puffer bei deinem fiktiven Einkommen.

By the way... fiktiv und manifest sind einer meiner beiden Lieblingswörter 😛

 

Zitat von exit-tbd am 20. September 2022, 14:19 Uhr
Zitat von MFZ73 am 20. September 2022, 13:48 Uhr

... das ist eine Grundthese der 4%-Regel bzw. der statistischen Untersuchungen, die der 4%-Regel zu Grunde liegen

ist halt die Frage, wie sinnvoll so eine Regel mit einer Beschränkung auf EINE Anlageklasse ist?

Grds. rennst Du damit bei mir offene Türen ein, aber die Grundthese des ganzen Prinzips lautet:

  1. Aktien haben/hatten über die letzten rd. 150 Jahre im Schnitt die beste inflationsbereinigte Wertentwicklung.
  2. Die Depots halten mit hoher Wahrscheinlichkeit, wenn man 4% oder weniger entnimmt.

Die Streuung ergibt sich über einen Weltindex, in dem grds. auch alle anderen Assets enthalten sind, insofern ist das eine einfache und für jedermann durchschaubare Möglichkeit zum passiven Investieren, die heutzutage keinen großen Aufwand bedeutet. Also warum sollte man sich  - wenn man das beste System dedektiert hat - mit dem zweitbesten beschäftigen?

Das ergibt keinen Sinn, zumindest so lange die Grundthese nicht widerlegt ist und Aktien irgendwann eben doch mal ggü einer anderen Assetklasse verlieren.

Das halte ich persönlich für relativ unwahrscheinlich, will heißen, ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben überhaupt noch eine Trendumkehr geschweige denn eine absolute Veränderung zu Gunsten einer anderen Assetklasse erleben werde.