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Wege zum Leben als Privatier

Hallo, ich bin hier neu dabei und beschäftige mich schon seit einiger Zeit mit dem Thema Finanzielle Freiheit/Leben als Privatier. Ich stelle hier mal meine Gesamtsituation dar, da es bei mir doch sehr unterschiedliche Wege gäbe, wie ich vorzeitig in Ruhestand gehen könnte.

Zu mir: 40, unverheiratet, keine Kinder, auch nicht wirklich geplant, 70%-Stelle im ÖD mit ca. 47.000 Euro Bruttoverdienst in einer Großstadt mit hohem Mietniveau, durchschnittliche monatliche Ausgaben insgesamt 1.300 - 1.400 Euro

Vermögen:
⦁ selbsterwirtschaftetes Depot mit ca. 200.000 Euro in ETFs
⦁ 2 vorzeitig geerbte Mietshäuser mit insgesamt 490qm und 6 Wohnungen in suburbaner/ländlicher Lage, Wert geschätzt 800.000 Euro
⦁ Mieteinkünfte meiner Eltern daraus derzeit 28.000 Euro jährlich, wegen Vermeidung der Erbschaftssteuer noch mit Nießbrauch versehen, bleibt auch wohl mindestens noch 5 Jahre so

Eigentlich war der nächste geplante Schritt meine Arbeitszeit auf 40% zu reduzieren. Da ich aber momentan eh nicht reisen kann und absehbar auch über die Pandemie hinaus noch mindestens 1 Jahr im Home Office arbeiten kann, warte ich mit dem Schritt noch bis bei mir wieder stärkere Büropräsenz erforderlich wäre.
Noch offen ist, ob und wie ich tatsächlich aufhöre zu arbeiten. Solange dies weit weg war, schien dies ultimativ erstrebenswert. Sobald man aber tatsächlich dem Ziel näher kommt, bekommt man schon etwas Muffensausen, da es ja eine Entscheidung für Jahrzehnte ist und ein leichter Wechsel hin und her danach nicht mehr möglich ist. Denkbar sind ja auch Maßnahmen wie Kündigung des festen Wohnsitzes oder Wegzug aus Deutschland.

Grundsätzlich sehe ich bei mir 2 Wege zum Leben als Privatier:

1) Kombination Wertguthaben/Lebensarbeitszeitkonto + Mieteinnahmen + Wahrung des Depotwerts:

Mein Arbeitgeber bietet eine Einzahlung des Gehalts in ein Wertguthaben an, das dann in der Freistellungsphase entspart werden kann. Vorteil: man ist gesetzlich pflichtversichert, auch wenn man sich nur 451 Euro monatlich auszahlen lässt. Damit bleiben Miet- und Kapitaleinkünfte beitragsfrei. Darüber hinaus verteilt es das zu versteuernde Einkommen über einen längeren Zeitraum gleichmäßig und senkt so die Steuerlast. Nachteil: das Guthaben wird nur mit 0,9% verzinst, aber immerhin ja vor Versteuerung.

2) Verkauf der Häuser, Erlös in ETFs investieren

Die andere Variante wäre einfach von meinem Nettogehalt weiter in ETFs zu investieren und zu hoffen, dass die Outperformance alle Steuer- und Beitragsvorteile der anderen Variante übertrifft. Sollte dann der Nießbrauch gelöst werden und die Mieteinnahmen flössen an mich, würden diese allerdings als Privatier mit dem persönlichen Steuersatz versteuert und auch noch mit fast 20% Krankenkassenbeitrag belegt. Damit wären ETFs als Anlageform wesentlich attraktiver. Die logische Konsequenz wäre, dass man die Häuser verkaufen würde und den Erlös in ETFs investieren würde, bevor man seine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgibt. Auch die bisherigen ETF-Gewinne könnte man realisieren und per Abgeltungssteuer versteuern ohne dass sie krankenkassenbeitragspflichtig würden. Man hätte also nun bereits versteuerte 1.000.000 Euro aufgeteilt auf Cash und ETFs. In den folgenden Jahren könnte man jeweils 12.000 - 13.000 Euro an Gewinnen realisieren (+ Substanzentnahme und Wiedereinzahlung) oder falls das Depot im Minus ist, alternativ vom Cash leben und dies in besseren Jahren wieder "auffüllen". Damit wäre man dann nahe der Steuerfreiheit und dem Mindestbeitrag der Gesetzlichen Krankenkasse. Im Alter kommt man dann trotzdem in die Krankenkasse der Rentner und der Beitragssatz orientiert sich nur an der Rente.
Nachteil: Klumpenrisiko Aktienmarkt, Klumpenrisiko Einstiegszeitpunkt, bei einem Absturz von 40% und mehr würde es schon sehr weh tun, Hausverkauf wird innerhalb der Familie keine Begeisterungsstürme auslösen

So, soweit meine Überlegungen. Vielleicht hat der ein oder andere ja Anregungen oder sieht falsche Annahmen. Spannend wäre vor allem, wenn hier jemand bereits praktische Erfahrungen mit einem Lebensarbeitszeitkonto/Wertguthaben oder als frewillig gesetzlich Versicherter gemacht hat, da meine Fragen da doch sehr spezieller Natur sind...

Hallo,   Das mit dem Arbeitszeitkonto funktioniert so nicht, man muss wohl min 70% des letzten Gehalts rausnehmen,  man kann da nicht nur 451€ auszahlen lassen und das Geld somit sehr lange strecken.

Das mit dem „Muffensausen“ kenn ich,  je näher man dem Tag x kommt, um so mehr Bedenken kommen auf.  Teilzeit wenn möglich ist schon eine gute Maßnahme.

@jonnyotten

im ÖD ... Wertguthaben ..., das dann in der Freistellungsphase entspart werden kann. Vorteil: man ist gesetzlich pflichtversichert, auch wenn man sich nur 451 Euro monatlich auszahlen lässt.

Klingt interessant!

Gibt es da für den öffentlichen Dienst eine allgemeingültige Regelung?

(im TV-L?)

@taketwo:

doch das geht gesetzlich wohl (Info Rentenversicherung), da die Bemessungsgrundlage das tatsächlich ausgezahlte Gehalt ist. Wenn man also z.B. in der Ansparphase bis auf 451 Euro monatlich alles ins Wertguthaben einzahlt, kann man sich auch anschließend z.B. 451 Euro monatlich auszahlen lassen. Die andere Frage ist, ob der Arbeitgeber so eine Konstellation tatsächlich mitmachen würde.

Wo ich mir noch nicht sicher bin, ist, ob man sich das Geld auch nur für z.B. 10 Jahre auszahlen lassen kann oder ob der Übergang zur gesetzlichen Rente nahtlos sein muss. Ich glaube aber letzteres ist nicht der Fall. Außerdem weiß ich nicht, ob man den Auszahlbetrag variieren kann, falls die Minijob-Grenze mal erhöht würde.

@exit-tbd

ne, mit dem ÖD hat das nichts zu tun. Das muss der Arbeitgeber per Betriebsvereinbarung o.ä. regeln. Man kann das natürlich mal beim Betriebsrat anstoßen, aber ist natürlich erstmal zusätzliche Bürokratie für den Arbeitgeber.

Zitat von JonnyOtten am 13. März 2021, 12:26 Uhr

..., 70%-Stelle im ÖD mit ca. 47.000 Euro Bruttoverdienst ...

... Wege zum Leben als Privatier:

1) Kombination Wertguthaben/Lebensarbeitszeitkonto + ...:

Mein Arbeitgeber bietet eine Einzahlung des Gehalts in ein Wertguthaben an, das dann in der Freistellungsphase entspart werden kann. Vorteil: man ist gesetzlich pflichtversichert, auch wenn man sich nur 451 Euro monatlich auszahlen lässt. ...

habe mal etwas recherchiert, da das irgendwie genial klingt 😀

habe knapp 4.700 brutto --> optimal/traumhaft wäre also vor dem Exit 18 Monate lang monatlich 4 k€ anzusparen (Bemessungsentgelt wären dann die 700 €/Monat) --> Guthaben von 72 k€ --> dann 12 Jahre lang 500 €/Monat Auszahlung

wesentliche Grundlagen sind wohl:

ich finde z.B.
https://lbv.landbw.de/documents/20181/0/Anleitung+Versorgungsrechner.pdf/0f4f68ef-2c2e-e274-a68d-453aa0f3afea

9.1.2
...
Der Beschäftigungsumfang darf nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht weniger
als 25 v.H. betragen.
...
Dasselbe gilt für ein Teilzeitmodell mit Freistellungsjahr (sog. Sabbatjahr). Bitte beachten Sie, dass Sie hier den Gesamtzeitraum berücksichtigen müssen.

wie komme ich bei 25 % in einer gehobenen Entgeltgruppe auf die (von mir) gewünschten 700 Euro brutto in der Anspar- und davon 70 % = 500 Euro brutto in der Entnahmephase???

Zitat von JonnyOtten am 13. März 2021, 19:57 Uhr

...

@exit-tbd

ne, mit dem ÖD hat das nichts zu tun. Das muss der Arbeitgeber per Betriebsvereinbarung o.ä. regeln. Man kann das natürlich mal beim Betriebsrat anstoßen, ...

heißt das bei Euch "Betriebsrat"? nicht Personalrat?!

bist Du wirklich im ÖD???

und die Vereinbarungen laufen wohl eine Ebene höher:
Offiziell heißen Sabbatjahre Freistellungsjahr. Verankert wurden sie im Zuge der Dienstrechtsreform 2010 im Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg (LBG). ... [Links zu 10 Regelungen für die Beamten der Geschäftsbereiche der 10 Landesministerien] ... Ein Freistellungsjahr kann auch von Tarifbeschäftigten in Anspruch genommen werden. Für Tarifbeschäftigte besteht die Möglichkeit, nach § 11 Abs. 2 TV-L i.V.m. § 6 Abs. 2 TV-L entsprechende Einzelvereinbarungen abzuschließen. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung hat hierzu in Abstimmung mit dem Finanzministerium ein Vereinbarungsmuster herausgeben. 

Bin dann im ÖD im weiteren Sinne, habe aber auch nicht den TVÖD oder den TVL als Vertragsgrundlage. Die Betriebsvereinbarung hat aber meines Wissens keinen Zusammenhang mit dem Tarifvertrag, sondern ist sozusagen freiwillig on top vom Arbeitgeber und dem Personalrat beschlossen worden. Ob das alle Behörden einfach so machen können, weiß ich nicht. Personalrat heißt es bei uns auch.

Hier ist im übrigen eine Broschüre dazu, wo die meisten Infos und Beispiele aufgeführt sind:

https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a861-1-wertguthaben-broschuere.html;jsessionid=3EDCD5B2431B778CC2B5D2EC75983186.delivery2-replication