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Hallo zusammen,

Nachdem ich hier einige Beiträge gelesen habe, möchte ich auch mal etwas beitragen, und meine Story erzählen. 🙂

@Horst: Zu deinen erläuterten Sorgen aus deinem Beitrag "Nachdenkliches eines Frugalisten" kann ich nur sagen, dass ich vor einem ähnlichen Problem stehe. Ich werde darauf noch genauer eingehen.

Ich bin 35 geworden, bin als selbständiger Berater in der Weltgeschichte unterwegs. Fast 10 Jahre in Australien und New Zeleand, und jetzt seit 3 wieder in Europa.Bin geschieden (ohne Kinder, vielleicht "zum Glück") und mit 24 direkt nach meinem Studium in Deutschland nach Australien zum Master und dann dort geblieben. Nach einigen Jahren als Angesteller in der Beratung wurde es dann Zeit, nicht mehr der Firma meine billlable hours zu überlassen, sondern das Risiko auf mich zu nehmen und mich selbst zu verkaufen (was man ja eigentlich auch schon als angstellter Berater irgendwie machen musste, der Kunde interviewet einen ja in der Regel vor der Projektzusage). Habe mich da auf einem sehr grossen Projekt von anderen Freelancern inspirieren lassen. Daher war das, bis auf das Risiko schneller gefeuert zu werden, eigentlich keine große Umstellung. Da ich in der Zeit als Angestellter in Australien bereits mehr verdiente als das in D möglich gewesen wäre, konnte ich auch deutlich mehr in Euro sparen. Erinnert ihr euch noch an die Euro Krise? Für mich waren es goldene Zeiten, welcher Junior Consultant verdient schon in Euro >3T netto, und das war 2008! In der Euro Krise 2010-12 waren es dann mal schnell > 4K netto was ich monatlich in EUR tauschte. Das ging dann natürlich noch höher, als ich selbständig wurde. Mittlerweile bin ich in CH wo die Steuern niedrig, aber die Lebenskosten hoch sind. Durch Sparsamkeit kann man aber auch hier eine Menge sparen.

Sparen liegt in meiner Eigenschaft, ich gönne mir schon die Sachen die mir wichtig sein, aber ich schau immer dass ich einen guten Preis verhandle oder bekomme. z.B. hab ich mir einen Neuwagen gegönnt, aber der ist rei-mportiert und runtergehandelt 🙂

Ein kleines Trauma liegt bei der Sparsamkeit auch in mir: Ich habe gesehen, wie mein Vater unheimlich viel Geld verloren hat (als Dr.med. hat er zwar sehr gut verdient, vor allem in den 70igern und 80igern), es ist unheimlich viel schief gegangen und er hat den falschen Leuten, u.a. auch Finanzberatern vertraut. Das hat mich für mein Leben geprägt mehr las mir lieb sein kann, da ich die Sorgen meiner Eltern als Kind mitbekam (und auch die damit resultierenden Krankheiten) und wohl tief verinnerlichte. Wer schon mal viel Geld verloren hat, weiss was ich meine.

Meine Grosseltern sind aus Südeuropa nach Deutschland bekommen und haben als einfache ungelernte Fabrikarbeiter gearbeitet, und nach dem 2.Weltkrieg nichts gehabt. Gespart haben sie wie sonst was, das hat sich dann natürlich auch auf die Kinder übertragen. Mein Grossvater war sogar zu geizig, um in seinem Haus was er gebaut hat im Wohnzimmer mehr als 2 Steckdosen zu legen 🙂

Jedenfalls, mein Vater wusste nichts über SWR, risk-return Ansätze, Portfoliomangement usw. Durch meinen Wissensdurst zu verstehen wie Geld (und Geldvermehren) funktioniert, meine Ausbildung/Studium und Fortbildungen (CFA) und viel Bücher, Blogs bin ich die letzten 12 Jahre zum erfahrenen "Frugalisten" geworden. Ich schwor mir, dass mich kein Finanzberater abzocken wird, und so halte ich es heute noch. Ich bin bei keiner Grossbank und verzichte auf Anlageberater oder Mandate. Passiv ETFs and some stock picking all the way. Von Anleihen lass ich auch komplett die Finger, wegen der Niedrigzinsphase. Crypto ist langfristig ganz interessant 🙂

Zur Zeit bin ich noch auf einem Projekt. Hab ein abgezahltes 4-Familien Haus (leider nicht in der CH sondern in D), dort könnte ich in eine Wohnung einziehen, mietfrei leben und locker von den Mieteinnahmen über die Runden kommen (wobei mir Rücklagen für Renovierungen muss man da wirklich konservativ vorgehen) und außerdem ist da noch ein robustes Portfolio das locker etliche Jahre durchhalten könnte. Ein schönes Auto fahre ich schon, außer einem Laptop und Reisen brauch ich material eigentlich nichts. Ich glaube mit 2T Euro im Monat komm ich locker über die Runden ohne Familie, daher hätte ich die finanzielle Freiheit schon erreicht.

Für mich stellt sich eher die Frage: Was kommt den jetzt beruflich als nächstes, was mich motiviert? Ich werde erstmal kein neues Projekt einfach so annehmen, sondern erst einmal frei machen ob den Kopf freizubekommen. In mir sucht aber etwas nach einer Berufung, die ich bisher im Job (obwohl ja finanziell außerordentlich erfolgreich) noch nicht erlebt habe. Für mich war eigentlich immer klar, dass ich einen Beruf wollte der mich finanziell in die Freiheit katapultieren kann. Jetzt, so vermute ich, suche ich eher nach etwas wo mein Bedürfnis nach Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung befriedigt wird und wo ich keinen Boss habe. Eine genaue Idee habe ich noch nicht, aber ich hoffe das kommt dann nach dem Projekt wenn ich tatsächlich mal einfach nichts mache. Also Horst, ich kanns dir irgendwie nachvollziehen ("Das ist Habgier. Ich laufe dem Geld nach, ohne es wirklich zu benötigen. Und ich verliere dabei wertvolle Lebenszeit. Oder habe ich mich derartig an die Arbeit gewöhnt, dass das mittlerweile mein Leben ist? Mir läuft es gerade kalt den Rücken herunter..."  

Ich kann dir nur zustimmen. Mit dem Alter ist man sich dem altern mehr bewusst und die Lebenszeit wird wertvoller. Davon sitze ich 8-11 Stunden in einem Office und verkaufe mich, wenn ich das mal summiere wird mir bisschen schlecht. Kann irgendwie nicht sein. Wenn man das Gefühl hat, dass die Arbeit keinen Sinn macht, quält man sich. Wenn man hingehen im Flow ist, weil es interessant ist und Sinn macht, dann ist Arbeit eine sehr sinnvolle Beschäftigung die auch ein Frugalist selbst wenn er komplette finanzielle Freiheit erreicht hat, nicht missen sollte. Man muss tief in sich blicken um seine intrinsischen Motivationen zu finden. Hab mir fest vorgenommen, das jetzt mal zu erforschen, aber zur Zeit bin ich nicht so weit 🙂

Zuletzt möchte ich noch was zum Betreff sagen. Ich bin ja froh, hier ein paar "Leidensgenossen" gefunden zu haben. Bin der einzige in meinem Umfeld, der so drauf ist und viele wissen es einfach auch nicht. Ist mir ehrlich gesagt auch peinlich, vor allem in D ist ja dieser Lebensweg überhaupt nicht "gesellschaftlich" anerkannt. Vor ein paar Wochen hatte ich mit einem Freund eine Diskussion über Finanzen und da wir uns schon lange kennen, haben wir unser Vermögen auch gegenseitig offen gelegt. Er staunte, aber ich musste ihm ja erst erklären dass es gar nicht "so viel" ist, wenn man bald nicht mehr arbeiten möchte, sondern davon bis ans Ende seiner Tage zu leben. Diesen ganzen Erläuterungen können Normalsterbliche nicht-Frugalisten nicht ganz folgen, die schauen immer nur auf den Kontostand, denken aber nicht wie man damit etliche Jahrzente überleben könnte. Man kommt sich da als Frugalist schon manchmal vor wie in der Matrix, nur dass die Matrix das Hamsterrad ist in dem alle stecken. Und was man nicht einfach verstehen kann, wird schnell als komisch abgestempelt 🙂 Wie oft musste ich schon hören "Wie du willst nicht mehr arbeiten? Wie lange nicht?" Die Idee, sich Lebenszeit/Freizeit durch Vermögensaufbau zu ermöglichen (vor allem in jüngeren Jahren) passt sehr wenig in den gesellschaftlichen Konsens in Deutschland.

Wir sollten mal einen Stammtisch oder sowas bilden. Vielleicht geht es dem oder anderen ja ähnlich. Hätte auch Lust, mich an einem Unternehmen und einer Business Idee zu beteiligen, hinter der ich stehe. Jedenfalls möchte ich mehr Leute treffen, die Zeit haben und was "Aufziehen" möchten 🙂

 

Hallo Globetrotter,

das ist schon witzig: Sobald ich die Geschichte von Dritten wie jetzt von dir lese, habe ich sofort ein Bild vor Augen, was ich an deiner Stelle machen würde 🙂

Bin wie du Berater, aber eben nur DE und offensichtlich auch zu geringeren Tagessätzen - daher kein Mehrfamilienhaus und Deutsche Bahn statt "Globetrotter". Habe auch zu spät die Gelegenheit ergriffen, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Bei meinem "Frust" mit der aktuellen Situation in diesem Land würde ich mit der Möglichkeit und Erfahrung, international zu arbeiten, sofort meine Sachen packen. Auf der anderen Seite hast du mit der Schweiz ja schon einen schlauen Schritt getan - alleine die Verlegung des Depots in die CH würde mir einige Sorgen nehmen.

Ich bin aber bei dir - wenn das Projekt und die Arbeit Spaß macht, dann ist das doch ein perfektes Leben: Es ist nicht der Druck, der einen morgens antreibt, sondern die Leidenschaft. Ein Freund meinte mal trocken, dass er sich den Luxus solcher Gedanken nicht leisten kann: Bank, Frau und Kind sind ihm täglich Mahnung, gut abzuliefern. Wehe wehe, wenn er mal keinen Bock mehr dazu hat - sein finanzielles Polster reicht keine 6 Monate aus.

Heute hatte ich im Bahnhofskiosk eine Frau vor mir, die 3 oder 4 plastikverpackte Zeitschriften mit Bastelgimmick für Kinder kaufte. Dazu wollte ihr Kind noch bunte Bonbons (die es dann ungeschickterweise vor der Tür auf den Boden auskippte) - dieser Chinamüll hat knapp 50 Euro gekostet. Sie sah nicht reich aus. Mir tun solche Leute irgendwie leid.

Bin derzeit häufig in München, Hamburg und Berlin unterwegs - da könnten wir mal mit einem Bierchen starten.

Gruß,
Horst

Was würdest du denn machen an meiner Stelle?

Bei den Tagessätzen kommt es ja immer drauf an, in welchem fachlichen Bereich und welchem Industrieschwerpunkt man sich anbietet, und in welcher Verantwortungsfunktion. Dafür erwartet ja der Kunde schliesslich auch was, und je höher der Tagessatz, desto mehr Stress /Workload:)

Klar, der niedrige Grenzsteuersatz und die nicht vorhandene Kapitalertragssteuer (zum traden von stocks / cryptos optimal) sind schon echt starke Vorteile der CH. Dafür ist aber auch alles 150% teurer (ausser Elektrogeräte). In D kann man dafür als Selbständiger ziemlich viel von der Steuer absetzen und seinen Grenzsteuersatz so direkt beeinflussen. Z.B. kann ich hier mein Auto nicht absetzen, in D würde ich natürlich leasen. Finanziell frei bin ich auch nur in D, in CH (und auch in Australien, zumindest in den großen Städten wie Sydney/Melbourne) würde Miete und Essen meinen Portfolio ziemlich schnell wegfressen 🙂

Dagegen zahlt man in D auf Kapitalerträge max 25% + ein paar Solizerquetschte, lebt aber deutlich günstiger, und hätte zudem wie erwähnt keine Mietkosten.

In D fühl mich halt auch generell wohler, Zürich ist zwar eine tolle Stadt, aber ich hab hier noch immer das Gefühl Gastarbeiter zu sein. Fällt mir viel schwerer sich zu integrieren als in Australien. Schweizer bleiben eben gerne unter sich, und als Deutscher und Schweizern ist man alleine durch die Sprache etwas Fremdkörper. Kenne viele die deswegen nach ein paar Jahren zurück gehen. Kann trotzdem verstehen dass die Routine in D dich nervt. Aber vielleicht liegt es gar nicht am Land sondern an was anderem. Sydney hat mich 6 Jahre lang begeistert und im 7. und 8. Jahr hatte ich unheimliches "Fernweh/Heimweh" nach Europa bevor ich dann zurück ging.

München ist wohl am nächsten an Zürich dran. Ich meld mich mal per PM.

Ich bin auch Freelancer in Zürich. Wenn du magst können wir uns mal treffen.