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Was brauche ich zum arbeiten in Deutschland?

Hallo an alle,

 

ich bin Italienerin und werde für die nächsten Jahre eine Ausbildung in Deutschland machen.

Ich muss meinem neuen Arbeitgeber eine Solzialversicherung und eine Krankenkasse vorweisen, da diese Dinge in Italien der Arbeitgeber abwickelt habe ich keine Ahnung davon..

Mir wurde vom Arbeitgeber die BKK provita mit BKK Azubiplus empfohlen, aber ich verstehe leider nicht einmal ob das jetzt eine sozialversicherung oder eine krankenkasse ist!

meine fragen wären folgende:

1.Brauche ich zum Arbeiten in Deutschland sowohl Sozialversicherung als auch Krankenkasse?

2.was ist genau der Unterschied?

3.welche würdet ihr mit empfehlen?

 

vielen lieben Dank schon mal

 

Chiara

 

Hallo @sibella,

in D sind Arbeitnehmer und Azubis in der Regel über fünf gesetzliche Sozialversicherungen versichert: Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung. Klingt aber komplizierter als es ist:

- Die Unfallversicherung kannst du "vergessen", solange es nicht zum Arbeitsunfall kommt. Der Arbeitgeber meldet dich an und zahlt sie alleine, darum taucht sie in deinen Gehaltsnachweisen auch nicht auf.

- Um Renten- uns Arbeitslosenversicherung musst du dich auch nicht kümmern. Dein AG sollte dich dort anmelden. Die monatlichen Abzüge findest du auf dem Gehaltsnachweis.

- Deine Krankenversicherung ist i.d.R. auch deine Pflegeversicherung. Es gibt viele verschiedene gesetzliche Krankenversicherungen, darum musst du dir eine aussuchen und dich dort anmelden. Die Leistungen sind bis auf freiwillige Zusatzangebote identisch, die Kosten bis auf einen leicht variierenden Zusatzbeitrag auch. Du kannst die KV später auch nach frühestens 18 Monaten wechseln, musst also keine Sorge vor einer dauerhaften Fehlentscheidung haben. Du meldest dich bei der KV (z.B. BKK provita) an und bekommst eine Mitgliedsbescheinigung, die du deinem AG gibst. Den Rest macht der AG für dich.

Du müsstest klären, was mit einer ggf. weiter bestehenden italienischen Versicherung passiert. Falls du mehrere Monate vor Ausbildungsstart nach Deutschland ziehst, müsstest du auch klären, wie du dich vor Start am besten versicherst. Du kannst dich natürlich direkt bei der Krankenversicherung anmelden, zahlst dann aber mindestens ca. 200€/Monat selbst, bis der AG das übernimmt.

Azubiplus ist offenbar eine Zusatzoption der BKK provital: Du meldest dich dort an, weist bestimmtes, von der Versicherung gewünschtes Verhalten nach und bekommst dafür ein bisschen Geld. Andere KV haben vermutlich ähnliche Angebote. Ich bin z.B. bei der Techniker Krankenkasse und dort bisher zufrieden. Die Krankenversicherungen beraten dich auch, wenn du da noch Fragen hast ruf am besten einfach mal an.

Hast du schon ein deutsches Konto oder eine Bestätigung vom AG, dass er auf dein italienisches Konto überweist? Dank SEPA sollte das theoretisch ja kein Thema sein, aber manche AG haben noch alte Systeme, die nur deutsche IBAN schlucken... 🙄

Hier gibts nochmal eine gute Übersicht zum Thema: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/sozialversicherung-das-gilt-fuer-azubis/150/9447/257815

Hallo @thewanderer

 

vielen vielen Dank du hast das hier wirklich sehr gut erklärt 🙂

Habe aber dennoch ein paar Details noch nicht zu 100% verstanden...

1.Mein Arbeitgeber benötigt von mir eine Sozialversicherung und eine Krankenkasse. Wären das die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung oder?

2.Jetzt habe ich auch verstanden, dass BKK AzubiPlus eine Zusatzoption der BKK ProVita ist, bei der ich max. 180€ pro Ausbildungsjahr zurückbekomme, wenn ich bestimmte Leistungen nicht in Anspruch nehme, bzw. BKK ProVita sich die Zahlung einiger Leistungen erspart. In der Beschreibung zum BKK AzubiPlus steht wörtlich: "Du benutzt bei Arztbesuchen deine Gesundheitskarte wie gewohnt. Alle Behandlungskosten werden ganz normal über die BKK ProVita abgerechnet..." .  Was ist aber jetzt genau die Gesundheitskarte? Bekomme ich diese von der BKK ProVita gestellt?

Vielen vielen Dank noch einmal

... The Wanderer hat das ja schon in aller Ausführlichkeit erläutert.

Noch einmal zur Begriffsdefinition:

Eine "Sozialversicherung" gibt es nicht. Man spricht hier in Deutschland von sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit und darunter fällt deine Berufsausbildung.

Bei einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit greifen die von The Wanderer fünf erläuterten einzelnen Absicherungen, wobei bei der Arbeitsunfallversicherung der Arbeitgeber (AG) alles zahlt, bei den übrigen Absicherungen teilst du dir die Kosten mit deinem Arbeitgeber.

Soviel zur Theorie. Was musst du jetzt konkret machen?

Trete in eine Krankenkasse ein, dann erhältst du eine Gesundheitskarte von der Krankenkasse die du bei einer medizinische Behandlung beim Arzt oder Krankenhaus vorlegst. Dann wird alles zwischen Arzt/Krankenhaus und der Kasse abgerechnet und du musst dich um nichts weiter kümmern.

Auf der Gesundheitskarte steht die Versicherungsnummer, die teilst du deinem Arbeitgeber mit.

Mehr musst du nicht machen.

Um alle anderen Absicherungen muss sich dein Arbeitgeber kümmern (Rente, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfall).

Bei der Auswahl der Krankenkasse empfehle ich einen großen Anbieter der vor Ort Geschäftsstellen hat, wo du dich persönlich anmelden und Fragen klären kannst (z.B. Techniker Krankenkasse).

Für die Anmeldung bei der Krankenkasse brauchst du unter anderem deinen Ausbildungsvertrag, ein Foto und die üblichen Ausweispapiere.

Dir einen guten Berufsstart!

Hallo Chiara,

Dein Deutsch ist top! Wie angenehm, jemanden zu lesen, der sich um Rechtschreibung und Grammatik kümmert.

Die "Sozialversicherung" ist die Kombination aus gesetzlicher Rentenversicherung, gesetzlicher Pflegeversicherung und gesetzlicher Arbeitslosenversicherung. Was Dein Arbeitgeber mit der unpräzisen Bezeichnung meint ist, dass er von Dir eine Sozialversicherungsnummer braucht.

Früher war es so, dass Du beim ersten Job vom Arbeitgeber angemeldet wurdest und daraufhin die - lebenslang gültige - Sozialversicherungsnummer bekommen hast. Ob das noch so ist, weiß ich leider aktuell nicht, aber ein Anruf bei der Deutschen Rentenversicherung (https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2020/200805_tmn_berufsanfaenger_sv_ausweis.html) hilft Dir weiter.

Die Krankenkasse wählst Du, wie vom Wanderer beschrieben, selbst und meldest Dich auch selbst dort an. Sie schickt Dir dann die Gesundheitskarte (https://de.wikipedia.org/wiki/Elektronische_Gesundheitskarte), also sozusagen Deinen Mitgliedsausweis, zu. Die musst Du bei jedem Arztbesuch vorlegen, dann rechnet der Arzt mit der Krankenkasse direkt ab. Dem Arbeitgeber gibst Du die Mitgliedsbestätigung.

Was es noch gibt und was Dein Arbeitgeber womöglich vergessen hat, ist die "Steuer-ID" (https://de.wikipedia.org/wiki/Steuerliche_Identifikationsnummer), die jeder Deutsche automatisch bei der Geburt erhält; Du bekommst sie vermutlich, nachdem Du Dich in Deutschland beim Einwohnermeldeamt angemeldet hast (Wohnsitz). Du kannst auf jeden Fall dort fragen, wie das für EU-Bürger läuft.

 

PS: Chris war schneller 😉

Für deinen Arbeitgeber ist deine Krankenkasse meine ich auch die Stelle, über die du in den anderen Sozialversicherungen angemeldet wirst, und die Zahlungen für die anderen Sozialversicherungen werden vom AG erstmal an die Krankenkasse überwiesen und von da weiter verteilt. Kann sein, dass dein AG darum von Krankenkasse und Sozialversicherung redet, aber letzteres ist eigentlich sein Bier, wo er dich raushalten sollte.

Meine Freundin ist vor ein paar Jahren für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach D gekommen und wir sind uns ziemlich sicher, dass sie außer Anmeldung Krankenkasse nichts gemacht hatte. Der AG hat sogar angeboten, die Anmeldung für sie zu übernehmen, dann hätte sie gar nichts tun brauchen (sie hätte sich die Krankenkasse dann aber nicht aussuchen können).

Zitat von Christine am 16. August 2020, 11:06 Uhr

Hallo Chiara,

Dein Deutsch ist top! Wie angenehm, jemanden zu lesen, der sich um Rechtschreibung und Grammatik kümmert.

 

Was es noch gibt und was Dein Arbeitgeber womöglich vergessen hat, ist die "Steuer-ID" (https://de.wikipedia.org/wiki/Steuerliche_Identifikationsnummer), die jeder Deutsche automatisch bei der Geburt erhält; Du bekommst sie vermutlich, nachdem Du Dich in Deutschland beim Einwohnermeldeamt angemeldet hast (Wohnsitz). Du kannst auf jeden Fall dort fragen, wie das für EU-Bürger läuft.

Dem schließ ich mich an, dürfte aber Muttersprachlerin sein, oder in früher Kindheit gelernt. Südtirol oder deutscher Elternteil? 🙂

 

Was es noch gibt und was Dein Arbeitgeber womöglich vergessen hat, ist die "Steuer-ID" (https://de.wikipedia.org/wiki/Steuerliche_Identifikationsnummer), die jeder Deutsche automatisch bei der Geburt erhält; Du bekommst sie vermutlich, nachdem Du Dich in Deutschland beim Einwohnermeldeamt angemeldet hast (Wohnsitz). Du kannst auf jeden Fall dort fragen, wie das für EU-Bürger läuft.

Die Steuer-ID war bei meiner Freundin in der Tat gefühlt schon in der Post, bevor ihr Flieger das Gate erreicht hat. "Willkommen in Deutschland, bitte zahlen Sie ihre Steuern..." :mrgreen:

... die Anmeldung erfolgt nach wie vor über den Arbeitgeber, man muss nicht selber bei der Deutschen Rentenversicherung vorstellig werden.

Nur eine Krankenkasse aussuchen, anmelden und los geht es mit dem Berufsstart.

Was mich stutzig macht ist, wie sich der Arbeitgeber verhält.

Ich gehe einmal davon aus, dass es sich um eine betriebliche Ausbildung handelt. Ansonsten reden wir hier komplett aneinander vorbei.

Eventuell handelt es sich um irgendeine Vereinbarung die nichts mit einer klassischen Berufsausbildung zu tun hat, eine werkvertragsähnliche Geschichte oder eine Ausbildung an einem privaten Institut....

Achte darauf, dass du einen "echten" Ausbildungsvertrag erhältst, der Inhalt eines solchen Vertrags ist streng gesetzlich geregelt, damit du nicht vom Arbeitgeber ausgenützt werden kannst.

Vielen Dank für eure Komplimente! Bin Südtirolerin deutscher Muttersprache 😉

Wie ich das sehe, meint der AG mit Sozialversicherungsnummer die Nummer der Gesundheitskarte welche ich von der Krankenkasse erhalte. Mich hat vor allem die Zusatzleistung der BKK ProVita verwirrt, da ich dazu sehr wenige Infos im Internet gefunden hatte...

Falls es vielleicht noch jemandem helfen sollte, zum Arbeiten in Deutschland brauche ich als aller Erstes ein deutsches Bankkonto, da ich dieses für den deutschen Mietvertrag, die Krankenkasse und für die Gehaltszahlungen benötige.

Die Steuer-ID bekomme ich nach der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt. Als Krankenkasse werde ich die BKK ProVita nehmen, da ich deren Zusaztleistungen sehr interessant finde und mir diese von meinem AG empfohlen wurde.

Was den Ausbildungsvertrag betrifft, mache ich mir keine Sorgen. Habe einige bekannte, die beim selben AG die Ausbildung machten und mir diesen empfohlen haben..

Möchte mich noch einmal herzlich bei euch allen bedanken 🙂