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Spekulieren mit synthetischen ETFs?

Hallo ETF Experten,

ich bin ETF-Anfänger und versuche momentan dieses ETF-Model zu verstehen bzw. kritisch zu hinterfragen.

In den Medien hört man häufig, dass ETF kostengünstiger im Vergleich zu Fonds sind, ideal für Börsen-Laien sind (passives Investieren). Weiterhin wird in diversen Blogs etc. empfohlen auf MSCI World ETFs wegen der Risikostreuung (Diversifikation) zu "setzten".

Diese Risikostreuung verstehe ich bei synthetischen MSCI World ETFS (Swap) nicht. Soweit ich diese ETFs verstanden habe, "wette" ich bzw. "spekuliere" ich beim Kauf eigentlich nur auf den MSCI-World Index und investiere nicht in weltweite Aktien! Wo ist denn da die Risikostreuung? Beim swappenden ETF geht es doch eigentlich nur darum, dass die Kapitalanlagengesellschaft diesen z.B. MSCI-World Index liefert. Wie sie das regelt (also z.B. mit hochspekulativen nicht risikogestreuten Aktien)ist doch egal?

Kann so eine ETF-Konstellation nicht irgendwann "platzen"? Wie gesagt ich bin kein Experte und würde mich freuen, wenn dieses Thema hier kritisch diskutiert wird.

Viele Grüße vom ETF-Laien spaaren

 

 

Hallo @spaaren

ich würde generell von synthetischen ETFs abraten. Das ganze kann sich nämlich am Ende als sog. "toxisches Wertpapier" entpuppen und untergräbt die eigentliche Idee der ETFs.

Zunächst einmal ist zu unterscheiden zwischen Aktien und den sogenannten Inhaberschuldverschreibungen. Aktien sind eine direkte Beteiligung am Eigenkapital eines Unternehmens, d.h. der Aktionär besitzt einen Teil des Unternehmens. Wer nun gern seine Investitionen breit streuen möchte, aber keine zig Millionen hat um sich den ganzen MSCI-world zusammenzukaufen, kann ETFs kaufen. Der Clou dabei, diese Fonds enthalten normalerweise die Aktien in der exakten Zusammensetzung des entsprechenden Index und sind darüberhinaus als Sondervermögen deklariert, d.h. wenn der Emittent (also z.B. die Bank) pleite geht, kann das Vermögen des ETF nicht angetastet und verwertet werden. Die Risiken, die hier bestehen sind lediglich, dass einzelne Unternehmen des Index pleite gehen, oder durch Kursbewegungen entsprechende Verluste auftreten können. Der Investor ist einem direkten Aktionär vom Risiko her fast gleich gestellt.

Synthetische ETFs dagegen, gehören eher in die Kategorie der Inhaberschuldverschreibungen. Das ist die Anlageklasse in der auch Anleihen, Zertifikate, Derivate usw. zu finden sind. Das Problem dabei ist, das der Emittent alleiniger Schuldner ist und damit die Rückzahlung auch von dessen Bonität abhängt. Gerät dieser (z.B. Bank) wie bei der letzten Finanzkrise in Schieflage oder geht gar pleite, ist das investierte Kapital weg, ganz egal wie der Index gerade steht.

Wie Sie bereits richtig erkannt haben, ist ein solches Finanzkonstrukt nichts anderes als eine Wette auf ein zugrunde liegenden Basiswert, also z.B. den MSCI World. Dadurch dass die Rückzahlung aber allein von dem Emittenten abhängt, ergibt sich hier ein Klumpenrisiko. Sie habe also recht, tatsächlich gibt es hier keine echte Risikostreuung da Sie lediglich mit einer Bank (als Emittent) auf einen Index wetten. Die Rückzahlung hängt allein von deren Bonität ab. Daher ist es keines falls egal, wie die Bank das regelt. Denn das böse Erwachen kommt dann vielleicht bei der nächsten Finanzkrise oder wenn die Bank - aus welchen Gründen auch immer - nicht zahlen kann.

Die Idee bei synthetischen Fonds ist eigentlich, dass Basiswerte, die nicht oft gehandelt werden, nachgebildet werden können und Kleinanlegern diese zugängig gemacht werden können (z.B. der Aktienindizes aus Vietnam?!). Ich würde daher generell dazu raten vor dem Kauf eines ETF sehr genau hinzuschauen, was da eigentlich drin ist. Nicht überall wo MSCI drauf steht, ist auch tatsächlich MSCI drin. Ansonsten können Sie sich auch einfach Zertifikate kaufen. Die haben das gleiche Risiko wie synthetische ETFs, beinhalten aber meistens keine Managementgebühren.

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Dieses Thema scheint momentan ein recht kontroverses Thema zu sein. Bei meinen Recherchen bin ich auf folgende Links gestoßen:

"Vorsicht Geldanlage! Wie die eigentlich sicheren ETFs jetzt gefährlich werden"

https://www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/hr/geldanlage-162.html

"warum-synthetische-etfs-kein-teufelszeug-sind":

https://www.finanztip.de/blog/warum-synthetische-etfs-kein-teufelszeug-sind/

Wen soll man jetzt glauben?

Mich würde interessieren, ob es zu dem "Risiko" der Swap ETFS wissenschaftliche Untersuchungen gibt? Interessant ist, warum solche synt. ETFs z.B. in US verboten sind!

 

@spaaren

Also wissenschaftliche Untersuchungen braucht man zu dem Thema eigentlich nicht, denn wie diese synthetischen ETFs konstruiert sind, kann von jedem mit ein bisschen Sachverstand eingesehen werden. Außerdem müssen seit der MifID II Regelungen in der EU, alle Banken die nötigen Informationsblätter den Kunden aushändigen. Da steht genau drin wie diese zusammengesetzt sind und auch welche Risiken sich daraus ergeben.

Natürlich ist es falsch diese Papiere grundsätzlich zu verteufeln. Auch Crowdfundig ist grundsätzlich nichts böses, da zahlreiche Startups kaum eine andere Möglichkeit haben sich zu finanzieren. Die Frage ist immer, wie diese Dinge eingesetzt werden. Der Investor muss sich über die Risiken im klaren sein. Das heißt, es ist eine intensive Einarbeitung nötig, bei der man auch genau hinschauen muss, was wird da wo und wie investiert und gehandelt, und wie sieht am Ende die rechtliche Schuldner-Gläubiger Konstellation aus. Das kann mitunter sehr kompliziert werden und ist teilweise für einen Laien nur schwer zu durchschauen.

Börsengehandelte Aktien z.B. werden in einem klar definierten, gesetzlich regulierten Rahmen gehandelt. Wer eine Aktie von Siemens kauft, hat eine Anteil am Eigenkapital der Firma Siemens mit allen Rechten und Pflichten. Da sind die Risiken und Besitzkonstellationen klar durchschaubar. Bei Finanzmarktprodukten wie synthetische ETFs oder sonstigen Derivaten ist das aber nicht so. Da muss man erst einmal hineinschauen, was da eigentlich drin ist und wer da wie beteiligt ist.

Warum diese Produkte in den USA nicht zugelassen sind, kann ich auch nicht sagen. Ich vermute aber das könnte daran liegen, dass sie eine Sicherheit vorgaukeln, die nicht da ist. Wie in meinem letzten Beitrag bereits erwähnt, wird die eigentliche Idee der ETFs untergraben, indem das Schuldner-Gläubiger Verhältnis dem einer ganz normalen Inhaberschuldverschreibung entspricht und eben nicht Unternehemensanteile in Form von Aktien enthält. Damit ist die Konstellation die Gleiche wie bei herkömmlichen Zertifikaten. Es gibt aus meiner Sicht eigentlich keine Notwendigkeit für synthetische ETFs, da es ähnliche Finanzprodukte bereits gibt. Es ist wahrscheinlich mehr eine Marketingstrategie der Banken, da ETFs in aller Munde sind und als DAS Anlageprodukt der Neuzeit gefeiert wird. Und wahrscheinlich auch, weil hier noch Managementgebühren abgezogen werden. Jeder glaubt ETFs seien sicher und kauft am Ende blindlinks drauflos, aber wie gesagt, der Teufel steckt oftmals im Detail.

Ich persönlich investiere in solche Produkte auch noch aus einem anderen Grund nicht. Das höhere Risiko, das man sich hier einkauft, wird nicht durch eine höhere Rednite belohnt, wie es eigentlich sein müsste. Ich bevorzuge entweder direkt Aktien oder normale ETFs, da ist das Rendite-Risiko-Verhältnis am ausgewogensten.

Au au, da wird aber einiges durcheinandergeworfen.

 

Zunächst einmal sind synthetisch replizierende ETFs genauso Sondervermögen, wie physische. Sie halten eben nur nicht die Aktien des z.B. MSCI World, sondern eben andere. Dieser "andere" Aktienbasket muss per UCITS bestimmte Diversifizierungsregeln erfüllen, z.B. 5-10-40 (maximal 10% pro Emittent, maximal 40% in Summe aller Emittenten, die über 5% liegen). Die verschiedenen ETF Anbieter haben zusätzliche interne Regeln dafür.

Darauf baut dann das Derivat auf. Die Fondsgesellschaft geht einen Swap ein (üblicherweise kommen hier die großen Banken ins Spiel) wobei die Gegenpartei einem die Performance der gehaltenen Aktien abnimmt und die Indexperformance liefert (es gibt noch andere Swapkonstrukte, aber dieses ist für Aktien-ETFs das üblichste).

Sollte die Fondsgesellschaft ausfallen sieht es also genauso aus wie bei physischen replizierern, da es eben doch Sondervermögen darstellt. Fällt hingegen die Gegenpartei des Swapgeschäfts aus, so kann diese u.U. nicht mehr die Indexperformance liefern, der Fonds hält jedoch noch die "anderen" Aktien. Das Risiko liegt somit in der Differenz der Wertentwicklung dieser Aktien gegenüber dem Index. Laut europäischer EMIR Regulierung muss diese Differenz von der Gegenpartei ab einem Wert von insgesamt 500000€ (das ist bei großen ETFs schnell erreicht) entweder ausgeglichen oder durch sehr sichere Instrumente (z.B. US Staatsanleihen) besichert werden. Auch hier haben die Fondsgesellschaften wieder ihre eigenen, oft deutlich strengeren Regeln.

Was bleibt sind also die Risiken, dass im Krisenfall auch die Besicherung ausfällt oder dass die Differenz zwischen den "anderen" Aktien und dem Index so schnell steigt, dass sie noch nicht besichert werden konnte bevor die Gegenpartei ausgefallen ist. Auch hierfür machen sich die Fondsgesellschaften Gedanken und achten auf eine hohe Korrelation dieser Aktien zum Index.

Es ist also richtig, dass synthetisch replizierende Fonds gewisse Risiken haben, jedoch ist das wie so oft nicht ganz einfach und vor allem nicht so pauschal zu beantworten, wie zuvor.

 

Edit: Sehe gerade, dass das so zum Großteil auch vom verlinkten Finanztip Blog erklärt wird. Die Notwendigkeit der Produkte ist eine andere Frage. Ein typisches Merkmal synthetisch replizierender Fonds ist ein sehr geringer Tracking Error - das Derivat liefert exakt die Indexperformance, während ein direkt replizierender Fonds bei großen oder schwierigen Indizes (z.B. MSCI EM) oft nicht alle Titel hält.

Danke für die kontroverse Diskussion zu dem Thema.

Heute habe ich noch einen sehr interessanten und ich glaube sehr fundierten Artikel entdeckt:

https://etf.dws.com/de-DE/EmeaAssetDownload/Index/d3ef5146-07cb-46d4-8797-566be6ba4076/Unterschiede-und-Gemeinsamkeiten-boersennotierter-passiver-Investmentprodukte.pdf/

Ob dieser Artikel vollkommen "unabhängig" ist, weiss ich nicht, er hat mir aber einige "Angst" vor den Swap ETFs genommen.

 

 

 

@etf

"Sollte die Fondsgesellschaft ausfallen sieht es also genauso aus wie bei physischen replizierern, da es eben doch Sondervermögen darstellt."

In dem Punkt kann ich Ihnen nicht ganz zustimmen. Ja, es ist natürlich trotzdem Sondervermögen, da habe ich mich vielleicht etwas falsch ausgedrückt. Der große Knackpunkt für den Investor ist aber, dass der Basiswert eben "synthetisch" nachgebildet wird und eben nicht die Aktien des Index enthält. Damit gleicht die Konstellation zwischen Investor und Emittent, faktisch dem einer klassischen Inhaberschuldverschreibung. Der Emittent (hier Schuldner) verspricht dem Investor (hier Gläubiger) die Wertentwicklung des Basiswertes OHNE physische Aktien zu besitzen. Die Rückzahlung hängt also hauptsächlich von der Bonität des Emittenten ab und bietet keine Sicherheit in Form der physischen Aktien.

Der Emittent verspricht dem Investor nichts - der Investor besitzt einen Teil des Sondervermögens. Dieses enthält auch bei synthetischen Replizierern Aktien - nur eben andere als das "Ziel" bzw. die Benchmark.

Fällt der Emittent aus, so wird der Fonds wohl geregelt geschlossen werden (oder von einem anderen Anbieter übernommen). Da das Versprechen, die Aktienperformance gegen die Indexperformance zu tauschen idR nicht vom Emittenten kommt, hat dessen Ausfall keinen Einfluss auf den Wert des Sondervermögens. Das alles natürlich unter der Annahme, dass nur der Emittent ausfällt und die Gegenpartei davon nicht betroffen ist.

Natürlich "verspricht" der Emittent etwas, er gibt ja schließlich eine Garantie für die Wertentwicklung. Juristisch gesehen ist das ein Vertrag. Und, dass diese synthetischen ETFs sicher sein mögen, mag sich in der Theorie ja alles ganz toll und super anhören. Aber ein Laie blickt da leider nicht mehr durch, was da im einzelnen wer mit wem handelt und wer am Ende wirklich haftet. Z.B. enthalten ETFs auch sogenannte Kreditausfallversicherungn (CDF). Diese Papiere haben mit zur letzten Finanzkrise beigetragen, weil u.a. am Ende niemand mehr weiß, wer da der eigentlich Schuldner ist und die Besicherungen überhaupt leisten kann. Der Einlagensicherungsfonds soll ja angeblich auch die Sparvermögen der Bürger vor Bankenpleiten sichern. Aber seit der letzten Finanzkrise dürfte jedem klar sein, dass bei einem echten Bankencrash dieses Versprechen unmöglich gehalten werden kann. Die Sache dient also eher zur Beruhigung der Bevölkerung. Also auch wenn diese synthetischen ETFs "streng reguliert" und nach "gesetzlichen Vorgaben" sicher sein sollen, dem Frieden würde ich nicht trauen. Es wird einen guten Grund geben, warum diese in den USA verboten sind. Ich halte es da immer mit einem einfachen aber effektiven Grundsatz: "Kaufe nichts, was du nicht zu 100 Prozent verstehst."

Warum in ein Produkt investieren das nicht einfach und klar strukturiert ist ??? Finger weg davon. Nimm physische ETFs, dann biste nah am Index.

Warum ist die Finanzwelt immer mal wieder vorm Abgrund? Genau aufgrund Solcher oder noch viel komplizierteren Produkte. Sorry, nicht die Finanzwelt , die Anlegerwelt !!! Bei der Finanzwelt geht's immer weiter, dank solcher Produkte und der immer wieder sich findenen vielen dummen Schafe.