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Ist hebeln eigentlich moralisch?

Hi zusammen,

in vielen Beiträgen wurde aufgezeigt wie man gut investieren kann und durch eine Verschuldung(Hebelung) seinen Profit noch beschleunigt. Jetzt würde mich mal eure Meinung dazu interessieren findet ihr es gerecht und moralisch in Ordnung das diejenigen die Kredite bekommen ihren Profit entsprechend exorbitant vermehren können? Diejenigen die keinen Kredit bekommen können von diesem beschleunigten Wachstum nie profitieren und finanzieren am Ende noch den Reichtum der anderen. Das tun sie indem sie ihr mühsam erspartes Kleingeld zu Bank bringen und die erfolgsverwöhnten damit spielen lassen. Wie wirkt das auf euch? Wie könnt ihr gehebelte Investments rechtfertigen?
Sorry ist vielleicht etwas provokativ ich möchte aber gerne unterschiedliche Meinungen dazu hören wenn es euch umtreibt.

Wenn ich Leverage, also Kredit nutze, um mein Investment zu optimieren, gehe ich persönlich ein Risiko ein, dass ich am Ende den Leverage gegen mich laufen lassen muss. Eine Bank gibt mir keinen Kredit, weil ich blaue Augen habe, sondern weil sie ein Geschäft sieht und am Ende mein Vermögen verwerten kann. Das ist mein Risiko, vielleicht beneidet man mich, wenn es geklappt hat, die damit übernommene Verantwortung und das Risiko sieht man dann nicht.

Dass mir eine Bank Kredit gibt, musste ich mir auch erarbeiten.

Wenn ich jetzt keinen Leverage mehr nutzen darf, weil Andere keinen Kredit bekommen, sind wir ja wieder im Thema Umverteilung, worum sich ja in D immer mehr Parteien kümmern, bis dann wieder der Slogan bemüht wird, dass "Leistung sich wieder lohnen muss"...

Ich könnte auch provokativ nach der Moral fragen, wenn Andere ungehemmt Konsumschulden machen und nachher einfach die Hand heben und nach ein paar Jahren wieder so weitermachen. Somit würde ich Leverage nicht nur im Bereich des Investments sehen.

 

Ich bin zwar kein Freund des Hebelns, hätte jetzt moralisch aber keine Bedenken. Da finde ich andere Dinge unter moralischen Gesichtspunkten deutlich verwerflicher. Die Diskussion kann man dann auch deutlich weiter führen. Letztlich meinte ein Freund meines Sohnes, als ich ihm erzählte, daß ich Aktien kaufen und dann teurer verkaufe, dass das doch Betrug sei. Ein weites Feld.

Klares JA

Solange man - wenn man sich verzockt haben sollte - bereit ist, die Verluste/den Ruin zu tragen 😉

Unmoralisch ist allenfalls, wenn ein (Hedge)Fondsmanagement Anlegern super Rendite verspricht... so lange es läuft 10 %  oder mehr Erfolgsbeteiligung abgreift... und sobald der Wind dreht die Anleger pleite sind und sich der Fondsmanager mit den Boni der letzten guten Jahre in die Karibik verabschiedet...

Solange das Fremdkapital für den Hebel zu marktüblichen Konditionen von jemandem kommt, der sein Risiko einschätzen kann, keine sentimentale Verbindung und kein Abhängigkeitsverhältnis zu einem hat, sehe ich da auch kein Problem. Von der Freundin sollte das Geld vielleicht besser nicht kommen.

Der Hebel verstärkt ja nur den Effekt, dass man vorhandenes Vermögen vermehren kann. Wenn, müsste man nicht den Hebel sondern Rendite an sich in Frage stellen, denn auch die bevorteilt ja nur die, die schon haben.

Zitat von Gatto am 15. Januar 2022, 19:08 Uhr

Dass mir eine Bank Kredit gibt, musste ich mir auch erarbeiten.

Ist es nicht so wer hat dem wird gegeben (Kredite) und wer nichts hat dem wird alles genommen (Lebenshaltungskosten)?

Es hat ja auch was mit Glück zu tun wenn du in einer Zeit mit dem Studium fertig geworden bist zu der gerade kein Einstellungsstop bestand, du einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommst und damit gegenüber dem ständig befristet Beschäftigten eine bessere Bonität hast und viel stärker zu deutlich günstigeren Zinsen hebeln kannst? Und wenn du dann einige Objekte hast so wie in meinem Fall dann kann ich sogar bei einem Verschuldungsgrad von 80% in einer befristeten Beschäftigung ein Millionenobjekt zu 110% noch dazu bekommen (laut Aussage meines Finanzierungsberaters kein Problem) da ich ja gezeigt habe das ich mit Geld umgehen kann. (mach ich aber nicht keine Sorge ist mir dann auch zu heavy)

Auf der anderen Seite platzen viele Kaufvertragsabschlüsse da ein Erstkäufer keine Kreditzusage erhält weil das eingebrachte EK zu wenig ist und er sich nie beweisen kann. Er wird auf Lebzeiten Mieter bleiben da ihm die Kaufpreise davon laufen und das obwohl die Annuität niedriger gewesen wäre als seine aktuelle Miete.

Ich behaupte mal wäre ich in Miete geblieben könnte ich mir heute nicht mal ein einziges Haus leisten, da die Bank mir keinen Kredit geben würde.

Das ist doch irgendwie ungerecht oder nicht? Eine Lösung für dieses Paradoxon habe ich jedoch auch gerade nicht parat.

Zitat von Jan Veerman am 15. Januar 2022, 20:24 Uhr

Es hat ja auch was mit Glück zu tun wenn du in einer Zeit mit dem Studium fertig geworden bist zu der gerade kein Einstellungsstop bestand,

Wie ich mein Diplom bekommen habe, war gerade ein Absolventenjahrgang beim Arbeitsamt gemeldet...

Hab dann halt wegen billiger KV ein Zweitstudium angefangen, mich mit Nebenjobs gerade so über Wasser gehalten (40 bis 50 Stunden Arbeit im Monat), und noch 5 Jahre frugales (Gamel)studentenleben mit grossen Freiheiten genossen...

Die notwendigen 17+ Jahre in einem "richtigen" Job (siehe Artikel von Oliver irgendwo) haben bei mir erst Ü30 angefangen 😉

Wo ich als Uni Absolvent BWL fertig wurde, war 2003 die Internetblase geplatzt. Ich bin dann mit Diplom erst mal wieder für 6 Monate als Praktikant angefangen und habe dort c. 100 Praktikanten im gleichen Zustand wiedergetroffen. Nach 60 Bewerbungen wollte man mich dann im jetzigen Konzern gerne günstig einkaufen. Das geht sicherlich noch schlechter, aber von der Einstellung mancher Young Professionals, die nach 2 Jahren vom Sabbatical träumen und alles schnell, toll und sinnvoll sein muss und die unter Angeboten auswählen konnten, bin ich weit entfernt.

Ich wohne auch noch zur Miete und die Kreditfinanzierung war deswegen kein Problem.

Ich hätte bei Immobilien auch noch mehr ins Risiko gehen können, aber man muss sich damit wohlfühlen.

Was Du mit Platzen von Kreditverträgen bei Erstkäufern ansprichst: vielleicht ist da oft der Wunsch zu groß (wenn wir vom Eigennutz sprechen) und die Bank sieht den Wert nicht.

Was ich auch sehe: dieses unbedingte "Will-haben" mancher Erstkäufer lässt die Preise ja auch steigen, weil die Vernunft aussetzt. Ein gefundenes Fressen für Verkäufer.

Zitat von Jan Veerman am 15. Januar 2022, 20:24 Uhr

Es hat ja auch was mit Glück zu tun wenn du in einer Zeit mit dem Studium fertig geworden bist zu der gerade kein Einstellungsstop bestand, du einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommst und damit gegenüber dem ständig befristet Beschäftigten eine bessere Bonität hast

Ich bin hier eigentlich nur ein stiller Mitleser, aber hierzu wollte ich ein Zitat aus einem (überhaupt sehr lesenswerten) Newsletter von Joachim Klement bringen:

Early on in my career, one of my mentors told me that “Success in your job is 10% education, 20% hard work, and 70% luck. But without the education, your hard work will be useless, and without the education and the hard work you will not get lucky.”

Moin zusammen,

Ich behaupte mal wäre ich in Miete geblieben könnte ich mir heute nicht mal ein einziges Haus leisten, da die Bank mir keinen Kredit geben würde.

Das ist doch irgendwie ungerecht oder nicht? Eine Lösung für dieses Paradoxon habe ich jedoch auch gerade nicht parat.

Mir ist auch nicht klar, wie im Detail Banken hier bei der Kreditvergabe rechnen. Viel hat auf jeden Fall auch mit dem Alter zu tun. Als mein Mieter im OG des Eigenheims vor ein paar Monaten ausgezogen ist hat er mal kurz berichtet. Bei fast 6.000€ Nettoeinkommen hatte er mit Ende 50 Probleme eine Finanzierung über 20 oder 30 Jahre zu bekommen. Letztlich hat er dann 10 Jahre Laufzeit gewählt und mit Hälfte Eigenkapital abgesichert - erst dann ging es, trotz hohem Einkommen.

Ich würde aber nicht pauschalisieren dass der Teufel immer nur auf den dicksten Haufen scheißt. Ich habe z.b. 1,5 Millionen Kredit erhalten obwohl gerade Corona aufkam und meine finanzielle Situation daher ungeklärt war. Ich verdiente zu dem Zeitpunkt nur etwa 1300€ aus sozialversicherungspflichtiger Teilzeit-Beschäftigung und im Vorjahr nochmal "nur" gute 1500€ monatlich aus den Einnahmen eines Ferienhauses (wobei das 2020 auch nochmal deutlich weniger wurde), wobei nach Abzügen realer Verbindlichkeiten nicht viel mehr als das übrig war was man zum Leben auch wirklich brauchte (jedenfalls gemessen an dem was die Bank denn meint was man so zum Leben braucht).

Das Baugrundstück hatte ich anfangs mit meinen Eltern zusammen gekauft da wir fest davon ausgegangen waren dass es sonst einen negativen Bescheid gäbe. Mein Eigenheim war ebenfalls noch belastet.

Es stellte sich jedoch heraus, dass ich den Kredit eigenständig aufnehmen konnte, ohne Bürgschaft. Die Liegenschaft wurde daraufhin wieder umgeschrieben und ich habe das Projekt selbstständig auf mich genommen - das ganze bei rund 1,5 Millionen Bauvolumen zu 170.000€ Grundstückskosten (Eigenkapital).

Zwei Mal wurde das ganze in der nächsten "Hauptzentrale" im Ausschuss besprochen und dann gab es nach fast 6 Monaten Wartezeit endlich grünes Licht.

Das gab es eben aber auch vermutlich nur, weil ich zum einen aufgrund des Bauvolumens als "Geschäftskunde" bzw. Investor eingestuft wurde und zum anderen eben die Baukosten durch viele Eigenleistungen und clevere Planung sehr gering halten konnten. Da musste auch stellenweise nachgearbeitet bzw. viel und immer wieder freundlich Zuarbeit  geleistet werden. Letztlich sah die Bank in dem Projekt ein gutes Geschäft mit ausreichenden Sicherheiten durch Grundstück und Bauwerk...

Mit Finanzstärke meiner Person hatte das aber wirklich nichts zu tun.

Als ich hingegen Anfang letzten Jahres ein Gewerbegrundstück mit großer Halle für 150.000€ erwerben wollte und dafür sogar 1/3 Eigenkapital stellen konnte gab es eine Absage aufgrund des noch laufenden "großen Kredits" der noch nicht final abgerechnet war da zudem auch mein Eigenheim im selben Ort noch eine Restschuld aufwies.

Daraufhin "musste" ich anfangen, Buchwerte hin und herzudrehen. Statt Eigenkapital einzubringen, habe ich dann nochmal eine Vollfinanzierung angefragt, zuvor aber das Eigenkapital in die Tilgung des Restkredits vom Eigenheim geschaufelt. Das Ergebnis war dann ein schuldenfreies Eigenheim mit rund 500.000€ an Wert das nun auf einmal wieder als eigenständige "Sicherheit" für das Hallengrundstück herhalten durfte. Auf einmal gab es dann grünes Licht und gute Konditionen - leider war dann aber bereits die Halle verkauft 🙁

So unterschiedlich kann das alles sein - und das bei ein und derselben Person.

 

Im Nachhinein ärgert mich das ziemlich denn die Kohle hätte mal lieber ins ETF Depot fließen sollen. Hätte seitdem gute 30%, also gute 20K an Wert zugelegt.

So habe ich unnötig eine 1% Finanzierung auf einen Schlag abgezahlt (es waren damals bei KFW Sondertilgungen in beliebiger Höhe möglich) und dadurch einen tollen Hebel verschenkt - sowas dummes muss man erstmal hinkriegen :-/

Gute Freunde von mir wollen jetzt ein Eigenheim bauen - bei denen ist das noch wieder ganz anders - da staune ich welche Summe die so finanziert kriegen - wäre das da nicht fürs Eigenheim, dann würde ich da wohl von abraten...

Grundsätzlich ist es aber schon so, dass es einem mit geringe(re)m Einkommen nicht weiterhilft, frugal zu sein um sich z.b. ein Eigenheim zu ermöglichen. Es wird einem ein gewisser Lebensstandard mit entsprechenden Ausgaben "unterstellt". Wenn man das Auto selbst repariert oder nie ins Restaurant geht, keine Extrakosten für Urlaube einrechnen muss - alles erstmal egal - am Ende hast du übers jähr 10.000€ gespart aber das Banktool bescheinigt dir dass du im Monat nur 200€ hast "überhaben können. Auf dem Papier muss alles stimmen - der erst ist nicht so kritisch. Bleibt also nur, das ersparte als Eigenkapital mit einzubringen - aber bis da genug angehäuft ist um die Konditionen nennenswert zu bessern während draußen die Inflation wütet...

 

 

 

 

 

Zitat von Frugi85 am 16. Januar 2022, 11:22 Uhr

Moin zusammen,

Ich behaupte mal wäre ich in Miete geblieben könnte ich mir heute nicht mal ein einziges Haus leisten, da die Bank mir keinen Kredit geben würde.

Das ist doch irgendwie ungerecht oder nicht? Eine Lösung für dieses Paradoxon habe ich jedoch auch gerade nicht parat.

Mir ist auch nicht klar, wie im Detail Banken hier bei der Kreditvergabe rechnen. Viel hat auf jeden Fall auch mit dem Alter zu tun. Als mein Mieter im OG des Eigenheims vor ein paar Monaten ausgezogen ist hat er mal kurz berichtet. Bei fast 6.000€ Nettoeinkommen hatte er mit Ende 50 Probleme eine Finanzierung über 20 oder 30 Jahre zu bekommen. Letztlich hat er dann 10 Jahre Laufzeit gewählt und mit Hälfte Eigenkapital abgesichert - erst dann ging es, trotz hohem Einkommen.

...

 

 

 

 

 

Sorry, aber das ist doch eigentlich von selbst verständlich...

Der Mieter ist Ende 50 und möchte eine Finanzierung von 20 oder 30 Jahren haben. Auch wenn die Lebenserwartungen mittlerweile sehr gut sind - doch das bedeutet unterm Strich Ungewissheit und mit Sicherheit Probleme.

Er ist Ende 50 und hat ein Nettoeinkommen von 6k - wie lange arbeitet er SICHER noch? Hört er zuvor auf und hat er dann immer noch das Einkommen? Und wenn er Ende 50 ist (ich sage jetzt einfach mal aufgerundet 60) - wird er sicher 80 oder 90 Jahre alt?

Gehen wir mal beispielhaft davon aus, dass nach der Kalkulation der Bank die Lebenserwartung eines Mannes bei 78 Jahren liegt - also wird er vor dem ersten Finanzierungsende (80 Jahre) nicht mehr unter uns weilen. Ergo gibt es Probleme beim Cashflow, da der ganze Nachlass etc. geklärt werden muss. Zudem gibt es möglicherweise Erbstreitigkeiten, was erneut zu Verzögerungen usw. führen kann. All das sind Ereignisse, die neben dem problematischen Cashflow auch noch zusätzlichen Arbeitsaufwand und ggf. weitere Kosten (bspw. Gerichte) führen kann. Also ist dies eine Konstellation, die nicht die erwarteten Erträge bringt sondern bei den derzeitigen Angeboten zusätzliche Kosten verursacht. Daher also die beidseitige Einigung auf 10 Jahre.

Zusätzlich kommt dann natürlich noch das Thema wegen der BaselIII-Regularien - ebenso die allgemeine Einschätzung der Erwartungen...

Ich persönlich gehe bspw. davon aus, dass der Zins in 10 Jahren etwas höher ausfällt, als es derzeit der Fall ist. Bei 20 Jahren wird er vermutlich noch einmal ansteigen und bei 30 Jahren (das sage ich als End-Vierziger) will ich gar nicht reden, da selbst ich nicht einmal abschätzen kann, ob ich es noch erleben werde (wovon ich natürlich erst einmal ausgehe).

Die Bank kann also in 20 / 30 (vermutlich selbst in 10) Jahren mehr Geld machen, als heute. Warum sollte sie also für so einen langen Zeitraum billiges Geld geben?

Wenn ich die Diskussion mal zusammenfassen darf:

Einen Kredit zu bekommen ist nicht ganz so einfach. Diejenigen die einen bekommen haben mussten sich dafür mächtig ins Zeug legen und gehen damit hohe Risken ein. Dies impliziert das derjenige der einen Kredit erhalten hat ihn sich auch verdient hat. Der damit einhergehende Wertzuwachs basierend auf dem Fremdkapital ist ebenso verdient da man ja Risiken eingegangen ist. Wenn es dazu noch abweichende Meinungen gibt würde ich mich freuen. Ansonsten belassen wir es dabei.