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Gibt es ein "technisches" Risiko beim Investieren?

Hallo,

 

für mich ist Geld sehr abstrakt. Schon der Gedanke, dass der Bankberater meiner kreditgebenden Bank augenscheinlich mit ein paar Klicks Geld generieren konnte was dann plötzlich mir "gehörte", also allgemein gesagt der Prozess der Geldschöpfung, bringt mich ins Grübeln.

So eine Bank hat das doch alles digitalisiert, oder nicht? Also ich stelle mir das so vor: da gibt es eine Datenbank, mit allen Kundendaten, Kreditverträgen und eben auch Konten (Transaktionen) und evtl. Depots (Orderbuch). Irgendwo steht dann Kunde X hat Y Geld, welches sich durch die Summe von seinen Transaktionen errechnen lässt.

Und dann gibt es eine Software, die auf die Datenbank zugreift und  z.B. eine neue Transaktion im Konto vermerkt oder einmal im Monat einen Eintrag in des Kunden Orderbuch hinzufügt (Sparplanausführung).

Wieso kann ein Datenbank Administrator (oder der Informatik-Azubi) nicht in der Datenbank rumpfuschen und so Geld generieren? Oder den Prozentsatz eines Kreditvertrages ändern, fällt schon nicht auf? Oder ein Depot mit einem anderen Kunden tauschen? Oder Fondsanteile hinzufügen oder löschen?

Oder es kommen Hacker und erledigen das.

Es kann ja auch ganz unbeabsichtigt sein, z.B. durch Rundungsfehler in der Software oder die Steuer wird falsch berechnet oder ein Aktienkauf wird beim falschen Kunden vermerkt oder oder oder, einfach durch schlechte programmierte Software.

Worauf ich hinaus will: Giralgeld ist für mich kaum greifbar, scheinen mir nur Einträge und Zahlen in einem Datenbanksystem zu sein, was theoretisch technisch anfällig und manipulierbar ist. Beim Depot ähnlich.

Ich hätte z.B. auch keine Ruhe, mein Geld oder Depot bei irgendeiner kleinen Bank oder jungem FinTech zu haben, weil ich denke da fehlen die Resourcen für vernünftige IT und Software.

Gibt es tatsächlich solche technischen Risiken? Man liest immer nur über ökonomische Risiken.

Meine Angst wäre z.B., man loggt sich ins Depot ein und Geld oder Fondsanteile wären einfach weg, weil es einen technischen Super GAU gab.

Hallo @csh,

die von dir beschriebenen Risiken sind großteils real.

Das wahrscheinlich gefährlichste Einfallstor ist der Onlinebanking-Zugang. Jährlich werden darüber allein in D tausende Konten geplündert. Einfallstor ist fast immer Schadsoftware auf den Geräten des Kunden. Diese ist mittlerweile extrem professionell und vom Kunden praktisch nicht zu erkennen. Banken weigern sich oft, den Schaden zu ersetzen, weil sie die Verantwortung bei den Kunden abladen. Wichtigster Schutz: Wechsel auf chipTAN o.ä., wo ein kleines Gerät für 5-20€ die Girocard einliest und einen QR-Code o.ä. einliest. Wenn man dann noch gründlich Empfängerkonto und Betrag am Gerät abgleicht, und zwar nicht mit der ggf. manipulierten Angabe auf App/Website, sondern mit z.B. der zu zahlenden Rechnung, dann hat man dieses Einfallstor für sich weitgehend geschlossen.

Gar nicht so selten vor kommen DOS-Angriffe auf Bankensysteme, die den Zugriff aufs Banking zeitweise unterbrechen (z.B. DKB tagelang Anfang des Jahres). Oder auch ein gewisses Chaos bei schiefgelaufenen Softwaremigrationen. Bei beiden sorgen die Banken am Ende relativ zuverlässig dafür, dass dir kein Geld abhanden kommt. Für ein Buy&Hold Depot wenig relevant, fürs Girokonto schon. Maßnahme: Mindestens zwei Girokonten auf verschiedenen technischen Systemen, also eher Sparkasse + Volksbank als 2x Sparkasse.

Abrechnungsfehler passieren auch, z.B. bei der Besteuerung, vor allem kurz nach Gesetzesänderungen. Da hilft nur Prüfen der Abrechnungen und ggf. monieren.

Angriffe durch Banken- oder IT-Mitarbeiter gibt es vereinzelt auch, aber eher nicht zu Lasten von Kundenkonten. Falls doch, dann so eindeutig nachweisbar, dass es aus der Bank(-IT) kam, dass die Bank den Schaden ersetzen wird.

Falsche Stände durch Softwarefehler im Kernbanksystem außerhalb der seltenen Migrationen sind eher unwahrscheinlich. Dein Schutz gegen solche Fälle sind die Konto/Depotauszüge. Damit kannst du notfalls deinen Stand gegen die Angabe im Banking nachweisen. Diese darum immer schnell aus dem Banking abholen und sicher verwahren. Falls sie nicht sowieso noch per Post kommen. 🙂

Du hast zwar übrigens recht, dass in (Wirtschafts)Medien das technische / operative Risiko selten thematisiert wird, bis mal was Größeres passiert, dann gehts gleich in die Tagesschau. Bei den Banken-IT-Dienstleistern, Prüfern, Aufsichtsbehörden und in der Gesetzgebung (z.B. PSD2) ist das Thema aber dauerhaft sehr präsent.

Mein Bruder arbeitet in der IT im Finanzwesen, ich weiß da nicht viel drüber, aber er hat auch schon erwähnt, dass da Angriffstests (von entsprechenden Prüffirmen) gemacht werden, um eventuelle Sicherheitslücken zu finden und zu schließen. Untätig sind die Banken auf jeden Fall nicht.

Als ich vor Jahrzehnten auf einer Bank arbeitete, galt auch immer das 4-Augen-Prinzip. Alles, was ich einbuchte, wurde anschließend nochmals von jemandem kontrolliert. Wenn Du am Schalter Geld einzahlst, bekommst Du eine Quittung - die musst Du halt dann auch prüfen. Tust Du es nicht (wie es bei meinen Kollegen häufig der Fall ist) und das Geld wird auf ein falsches Konto gebucht, merkt es im Nachlauf die Buchhaltung (also ich), dass das eingezahlte Geld nicht auf dem Girokonto ankommt, weil die Bankmitarbeiterin sich bei der Kontonummer vertippt hat. Dann reklamiert man's und die Buchung wird korrigiert.

Ich stimme dem Wanderer zu, die größte Schwachstelle ist der Nutzer (und seine Sorglosigkeit) bei der sicheren Verwahrung der Zugangsdaten/der Absicherung gegen Schadsoftware. Wenn ich sehe, wie häufig beim Girokonto eines meiner Kunden gefakte Amazon-Lastschriften eintrudeln (kein Problem, kann man einfach zurückgeben), da will ich nicht wissen, wie häufig die Masche Erfolg hat, weil die Kunden ihre Auszüge nicht überprüfen.

Zitat von Christine am 11. September 2020, 12:51 Uhr

Wenn ich sehe, wie häufig beim Girokonto eines meiner Kunden gefakte Amazon-Lastschriften eintrudeln (kein Problem, kann man einfach zurückgeben), da will ich nicht wissen, wie häufig die Masche Erfolg hat, weil die Kunden ihre Auszüge nicht überprüfen.

Stimmt, das gibts auch noch. An der Stelle ist es wichtig zu wissen, dass man nach SEPA Regeln eine Lastschrift dreizehn Monate lang zurückgeben kann, wenn man dem Einziehenden kein Lastschriftmandat erteilt hat (wie bei den o.g. Fake-Lastschriften der Fall). Die Banken verweisen zwar gern auf eine angebliche 8-Wochen-Frist, aber die gilt nur bei gültigem Lastschriftmandat. Allerdings beschränkt das Onlinebanking die Rückgabe meist auf diese acht Wochen, darüber muss man der Bank ggf. schreiben. Aber notfalls geht das.

Zitat von Christine am 11. September 2020, 12:51 Uhr

Mein Bruder arbeitet in der IT im Finanzwesen, ich weiß da nicht viel drüber, aber er hat auch schon erwähnt, dass da Angriffstests (von entsprechenden Prüffirmen) gemacht werden, um eventuelle Sicherheitslücken zu finden und zu schließen. Untätig sind die Banken auf jeden Fall nicht.

Da hatte ich auch was mit zu tun. Ein nicht unerheblicher Teil der Projektbudgets in Millionenhöhe wurden jedes Jahr für IT Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Vor allem, um auch Angriffe von aussen abzuwehren. Und ja, es wurden auch regelmässig umfangreiche Angriffstests durchgeführt.

Ich denke, dass Risiko ist zumeist der User (Sicherheitscodes an der Kasse eingeben zB) bzw. die nicht geschützte Technik zu Hause.

Danke für eure Antworten. Online-Banking Kontoauszüge bzw. Orderberichte (oder wie die Dinger heißen, wenn man Wertpapiere kauft), habe ich mir noch nie heruntergeladen und lokal abgelegt. Sollte man das wirklich tun? So ein PDF hilft doch sicher auch nicht viel, wenn man etwas nachweisen will.

Mir käme als Risiko noch Großbrand im Rechenzentrum in den Sinn, aber ich denke mal das kann man vernachlässigen.

Aber nehmen wir z.B. mal Trade Republic. Relativ jung und wenn ich mir die drei Gründer ansehe, die aussehen als kämen sie frisch von der Uni, da kommen bei mir größte Zweifel auf, dass die Bank technisch immer alles im Griff hat und auch, dass sie Millionenbudgets für IT Sicherheit einplant.

Ich schöpfe da irgendwie kein Vertrauen, wenn die den Großteil meines Vermögens verwalten sollten.

Zitat von csh am 12. September 2020, 0:48 Uhr

Online-Banking Kontoauszüge bzw. Orderberichte (oder wie die Dinger heißen, wenn man Wertpapiere kauft), habe ich mir noch nie heruntergeladen und lokal abgelegt. Sollte man das wirklich tun? So ein PDF hilft doch sicher auch nicht viel, wenn man etwas nachweisen will.

Das ist Dein Beleg. Ein Beleg ist ein Nachweis. Selbstverständlich hilft das was.

Mir käme als Risiko noch Großbrand im Rechenzentrum in den Sinn, aber ich denke mal das kann man vernachlässigen.

Die haben Spiegel an mehreren Stellen, das darfst Du mir glauben, wie auch alle Versicherer usw. So wie Du natürlich 😉 Deine Sicherungen auf externen Datenträgern an verschiedenen Orten aufbewahrst, so macht das selbstverständlich auch ein Rechenzentrum.

Aber nehmen wir z.B. mal Trade Republic. Relativ jung und wenn ich mir die drei Gründer ansehe, die aussehen als kämen sie frisch von der Uni, da kommen bei mir größte Zweifel auf, dass die Bank technisch immer alles im Griff hat und auch, dass sie Millionenbudgets für IT Sicherheit einplant.

Ich schöpfe da irgendwie kein Vertrauen, wenn die den Großteil meines Vermögens verwalten sollten.

Wer eine Banklizenz hat, wird von der Bafin beaufsichtigt. Wieviel Vertrauen man da hineinsetzt, kommt vermutlich drauf an, ob man Wirecard-Aktien hatte oder nicht 😉

Ob Du jemandem vertraust, kannst Du nur selbst beurteilen. Ich persönlich sehe nach wie vor die große Sicherheitslücke beim Kunden. Aber wenn Du so skeptisch bist, dann such Dir doch noch eine zweite Bank, möglichst dann im Ausland.

Was Großereignisse angeht (Nuklearangriff oder Ähnliches), da sehe ich sowieso meine Sicherheit nicht im Geld. Ich "investiere" auch in funktionierende Beziehungen mit Menschen. Das ist ein Netzwerk, das auch in extremen Krisenzeiten hält.

Wie Christine sagt, klar helfen dir die Belege. Für ein Girokonto mit ein paarhundert Euro Guthaben braucht man den Aufwand vielleicht nicht treiben, aber wir reden hier ja von Vorsorgesparen mit hohen 5- oder 6-stelligen Beträgen.

Der RZ-Brand ist zwar schön anschaulich, aber kaum ein relevantes Risiko. Mittlerweile enthalten die Anforderungen ans Spiegel-RZ sogar Mindestentfernungen, die Schäden an beiden RZs durch eine Atombombe ausschließen. Viel relevanter sind Fehlbuchungen infolge von verpatzten großen IT-Projekten. Ein Beispiel aus diesem Jahr:

https://finanz-szene.de/digital-banking/chronik-eines-projekts-wie-die-apobank-ins-chaos-stuerzte/

Wohl dem, der bei sowas den Auszug im eigenen Ordner vorhält. 🙂

Das genannte Fintech kenne ich nicht, aber Fintechs haben meist eine traditionelle Bank mit bewährten Systemen als Partner, wo dann Konten und Depots geführt werden.