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Entsparen Frage(n)

Liebe Alle,

ich verfolge diese wunderbare Community bereits schon seit über einem halben Jahr – wenn auch nur als Zuseher. Nun habe auch ich mich für den Weg entschieden FI in den kommenden 10 Jahren zu erreichen und konnte aufgrund der Vielzahl an tollen Informationen hier, in Fachliteratur sowie anderen Blogs (MMM, usw.) den Großteil meiner offenen Fragen klären. Allerdings gibt es da noch das ein oder andere Fragezeichen, bei dem mich eure Antworten wahnsinnig interessieren würden. Thema: Entsparen/Desinvestieren nach Erreichen der FI(RE)-Zahl.

Ich habe mich Anfang dieses Jahres für das Besparen eines MSCI World ETF (thesaurierend) entschieden. Ich benötige in etwa zwischen 8-12 Jahren – je nachdem wie sich der Markt entwickelt - bis ich meine FIRE-Zahl erreicht habe. Der Weg, welchen ich bis zur Erreichung meiner Zahl FIRE-Zahl XY gehen muss, ist mir klar: Bespare jeden Monat einen Betrag X, damit du in 8-12 Jahren den Betrag XY erreichst. Und genau beim Erreichen dieses Ziels und der anschließenden Entspar-Phase stellen sich mir noch folgende Fragen:

  1. Wie gestaltet sich die Entnahme ohne Kapitalverzehr bei einem thesaurierenden ETF, damit der Kapitalstock nicht angefasst wird? Meiner Auffassung nach, muss ich Shares verkaufen
  2. Ist ein Thesaurierer dafür überhaupt das geeignete Finanzprodukt, wenn dass Ziel in ca. 10 Jahren ein Entsparen ohne Kapitalverzehr ist? + Funktioniert die Entnahme ohne Kapitalverzehr bei einem Thesaurierer überhaupt und ist das sinnvoll?
  3. Wäre ein Ausschütter besser für mein Ziel geeignet?
  4. Die Ausschüttung beim MSCI World ist im Gegensatz zu einem auf Dividenden-Titeln spezialisierter ETF (wie der High Yield von Vanguards zB) recht gering, was die Dividenden-Zahlungen betrifft. Lohnt sich dann ein Ausschütter auf den World Index? Denn auch hier müsste ich vermutlich Shares verkaufen, sollten die Ausschüttungen nicht meinen jährlichen Wunschbetrag entsprechen.

Ich weiß, sehr viele Fragen. Ich möchte nur mein Fehlerrisiko minimieren und nicht in das „falsche“ Finanzprodukt für die nächsten 8-12 Jahren einen Großteil meines Einkommens investieren. (Ich bespare meinen ETF aktuell bei einer Sparquote von 60%)

Danke im Voraus bereits für etwaigen Input und lG,

Peter

Zitat von fireme am 21. Juni 2022, 18:55 Uhr

Ich benötige in etwa zwischen 8-12 Jahren – je nachdem wie sich der Markt entwickelt - bis ich meine FIRE-Zahl erreicht habe.

Hallo,

ein Hellseher, das ist ja mal was neues. Um die Frage 0 zu beantworten, die ja nicht gestellt wurde: du benötigst 5 bis 40 Jahre. Vielleicht aber auch länger, oder auch nicht...

Zitat von Privatier am 21. Juni 2022, 21:04 Uhr
Zitat von fireme am 21. Juni 2022, 18:55 Uhr

Ich benötige in etwa zwischen 8-12 Jahren – je nachdem wie sich der Markt entwickelt - bis ich meine FIRE-Zahl erreicht habe.

Hallo,

ein Hellseher, das ist ja mal was neues. Um die Frage 0 zu beantworten, die ja nicht gestellt wurde: du benötigst 5 bis 40 Jahre. Vielleicht aber auch länger, oder auch nicht...

Ich nehme zur Kenntnis, dass dich diese Aussage stört und verstehe auch, dass es sich dabei um einen Estimate handelt. Nichtsdestotrotz habe ich mit diesem Thread, der übrigens meiner erster ist, ernsthafte Fragen bezüglich des Entnahmeplans gestellt, wäre über entsprechende Hilfe sehr dankbar und dein Kommentar tragt dazu wirklich 0 dazu bei.

Hi Fireme

erst mal ein warm Welcome!

Ob du von einem Thesaurierer entnimmst oder die Ausschüttungen „entnimmst“ macht erst mal kein Unterschied, da der Thesaurierer die Dividenden einfach nur wieder anlegt.

Wissenschaftliche Entnahmestudien auf den S&P500 zeigen, dass mit einer Entnahmerate von 2,6% zum ungünstigsten Startzeitpunkt der letzten 120 Jahre das Pleiterisiko bei null ist.

Wohlgemerkt sind das Betrachtungen in die Vergangenheit. Auch wichtig zu erwähnen: In den meisten Zeitreihen wäre das Anfangsvermögen gleich oder höher gewesen.

Am besten du schaust dir dazu diese Seite an: https://www.finanzen-erklaert.de/category/finanzielle-unabhaengigkeit/

Sich ein Ziel zu setzen ist ok, aber das Leben und die Märkte laufen dann halt oft anders.

Hi @Musline_Frugi,

vielen Dank für deine Antwort. Mich irritiert das beim Thesaurier vor allem deshalb, da ich ja durch das automatische Reinvestieren nicht mehr ETF-Anteile erhalte, sondern meine bestehenden einfach mehr wert werden. Veräußere/Verkaufe ich also welche, um mir einen gewissen Geldbetrag auf mein Verrechnungskonto überweisen zu lassen, wird die Anzahl an ETFs mit jeder Auszahlung immer weniger und weniger. In schlechten Börsen-Jahren würde sich ja dann eine Auszahlung umso negativer auf die Gesamtanzahl meiner ETF-Anteile auswirken. Also angenommen ich hätte "Pech" und der Markt performt 3 Jahre durchgehend schlecht, so wäre die Gefahr mit meinen Shares schnell auf 0 zu gelangen relativ hoch, möchte ich auf die Auszahlungen nicht verzichten. Darum stellt sich mir die Frage: Sollte ich doch lieber auf eine ausschüttende Variante umstellen (MSCI World oder vlt. sogar ein Dividenden-ETF), welcher zwar einen Wertverlust verbucht, aber dennoch Dividenden auszahlt. Hier ist mir das Kapital mehr oder weniger "egal", da ich nicht auf einen Verkauf meines Stammkapitals, sondern lediglich auf die Dividenden angewiesen bin.

Ich hoffe hier nicht auf den Holzweg mit meinem Gedankengang zu sein und bedanke mich auch gleich für die finanzen-erklärt Quelle.

Ich denke du bist auf dem Holzweg.
Wenn du vom Thesaurierer 2% entnimmst und der Ausschütter 2% Dividenden ausschüttet ist das ein Nullsummenspiel.

Hallo fireme und herzlich willkommen,

Die Stückelung der ETF-Anteile ist (nahezu) völlig unerheblich. Es ist egal ob du bei einem 100k ETF-Portfolio 10 Anteile zu je 10k oder 100.000 Anteile zu 1€ besitzt. Die Annahme, es sei irgendwie besser, mehr Anteile zu besitzen oder dass es ein Vorteil sei, bei einem Ausschütter keine Anteile veräußern zu müssen, ist ein häufiger Denkfehler. Die Stückelung eines ETFs ist letzlich nur eine technische Größe.

Für den Erfolg einer Entnahmestrategie besteht kein Unterschied zwischen Thesaurierer und Ausschütter, außer dass der Thesaurierer steuerlich günstiger und flexibler ist.

Zum Thema Kapitalverzehr hier noch eine Anregung:

https://gerd-kommer.de/kapitalverzehr-vermeiden/

Zitat von fireme am 21. Juni 2022, 18:55 Uhr

Liebe Alle,

ich verfolge diese wunderbare Community bereits schon seit über einem halben Jahr – wenn auch nur als Zuseher. Nun habe auch ich mich für den Weg entschieden FI in den kommenden 10 Jahren zu erreichen und konnte aufgrund der Vielzahl an tollen Informationen hier, in Fachliteratur sowie anderen Blogs (MMM, usw.) den Großteil meiner offenen Fragen klären. Allerdings gibt es da noch das ein oder andere Fragezeichen, bei dem mich eure Antworten wahnsinnig interessieren würden. Thema: Entsparen/Desinvestieren nach Erreichen der FI(RE)-Zahl.

Ich habe mich Anfang dieses Jahres für das Besparen eines MSCI World ETF (thesaurierend) entschieden. Ich benötige in etwa zwischen 8-12 Jahren – je nachdem wie sich der Markt entwickelt - bis ich meine FIRE-Zahl erreicht habe. Der Weg, welchen ich bis zur Erreichung meiner Zahl FIRE-Zahl XY gehen muss, ist mir klar: Bespare jeden Monat einen Betrag X, damit du in 8-12 Jahren den Betrag XY erreichst. Und genau beim Erreichen dieses Ziels und der anschließenden Entspar-Phase stellen sich mir noch folgende Fragen:

  1. Wie gestaltet sich die Entnahme ohne Kapitalverzehr bei einem thesaurierenden ETF, damit der Kapitalstock nicht angefasst wird? Meiner Auffassung nach, muss ich Shares verkaufen
  2. Ist ein Thesaurierer dafür überhaupt das geeignete Finanzprodukt, wenn dass Ziel in ca. 10 Jahren ein Entsparen ohne Kapitalverzehr ist? + Funktioniert die Entnahme ohne Kapitalverzehr bei einem Thesaurierer überhaupt und ist das sinnvoll?
  3. Wäre ein Ausschütter besser für mein Ziel geeignet?
  4. Die Ausschüttung beim MSCI World ist im Gegensatz zu einem auf Dividenden-Titeln spezialisierter ETF (wie der High Yield von Vanguards zB) recht gering, was die Dividenden-Zahlungen betrifft. Lohnt sich dann ein Ausschütter auf den World Index? Denn auch hier müsste ich vermutlich Shares verkaufen, sollten die Ausschüttungen nicht meinen jährlichen Wunschbetrag entsprechen.

Ich weiß, sehr viele Fragen. Ich möchte nur mein Fehlerrisiko minimieren und nicht in das „falsche“ Finanzprodukt für die nächsten 8-12 Jahren einen Großteil meines Einkommens investieren. (Ich bespare meinen ETF aktuell bei einer Sparquote von 60%)

Danke im Voraus bereits für etwaigen Input und lG,

Peter

Lieber Peter,

hier meine Gedanken zu Deinen (impliziten) Fragen:

Sachlogisch hat Oliver die Antworten zu Deinen Fragen gegeben.

Hier nur zur Verstärkung folgendes vereinfachtes Beispiel, das in der Praxis wohl selten oder gar nicht vorkommt. Ein ETF habe nur eine Aktie (A), die folgendes Bild abgibt: Sie schüttet 5 % Dividende aus. Die Dividende wird durch ein finanziell nachhaltiges Geschäftsmodell erwirtschaftet, dass daneben die notwendigen Gewinnthesaurierungen zulässt. Der Kurs der Aktie bleibt stabil bei 100. Du investierst 100 einmalig. Kursschwankungen, Inflationsbetrachtungen und Wachstumsbetrachtungen bleiben außen vor.

Bei dem ausschüttenden Fonds erhältst du 5 Dividende abzüglich Abgeltungssteuer (vereinfacht 30 %), so dass Du wieder 3,5 % reinvestieren kannst. Beim Thesaurierenden Fonds werden die Dividendenerträge also 5 % ohne Abzug von Abgeltungssteuer reinvestiert. Nach 10 Jahren sind aus 100 bei 5 % ca. 171 geworden bei 3,5 % sind daraus 141 geworden. Ohne Betrachtung von Steuern oder würden auf Deiner persönlichen Ebene keine Steuern anfallen, so wäre das Ergebnis gleich: 171 Euro.

Warum macht es ggf. aus sachlogischen Gründen trotzdem Sinn auf dividendenstarke Title zu setzen:

  1. Schaut man neben den hohen Dividendenerträgen sich noch die Jahresabschlüsse, das Geschäftsmodell und das Management des Unternehmens an, so filtert man die starken Unternehmen mit einem guten Geschäftsmodell aus allen anderen Unternehmen heraus. Die langfristige weitere gute Ertragshistorie ist so, bei einer Vielzahl von Unternehmen höher als bei einer Unternehmensauswahl, wo der Prozentsatz an Unternehmen, die sich schlecht entwickeln höher ist.
  2. Hohe Dividenden können das Unternehmen dazu disziplinieren, nur soviel an Cash zu behalten, wie dies zur Erhaltung und Fortentwicklung des Geschäftsmodells notwendig ist.
  3. Aufgrund von Modeentwicklungen sind immer wieder gute Unternehmen unterbewertet. Die Dividendenzuflüsse erlauben einem dann gezielt die zu diesen Zeitpunkten unterbewerteten Titel einzusammeln.

Es gibt allerdings emotionale Gründe, die m.E. für viele Menschen entscheidend sind:

  • kontinuierliche und/oder steigende Dividendenausschüttungen insbesondere, wenn man sich darauf gedanklich konzentriert, lassen einen Kursschwankungen vergessen.
  • Man bleibt also auch in Zeiten von niedrigen Aktienkursen investiert und kauft kontinuierlich weiter, wenn man noch in der Ansparphase ist.
  • Dieser Effekt ist das Entscheidende bei der Investition in Aktien: Dabeibleiben!
  • Lässt sich dies auch für ausschüttende ETFs sagen. Ich vermute ja. Habe allerdings hierzu keine anekdotische Evidenz. Zu der Strategie mit dividendenstarken Einzeltiteln habe ich genug anekdotische Evidenzbeispiele.

Soweit die Ansparphase bzw. soweit übertragbar auch die Entsparphase.

In der Phase, wo man von den Erträgen leben will und ggfs. muss, ist das Bild gerade bei dem Thema ausschüttend versus thesaurierend aus meiner Sicht anders zu betrachten.

Entscheidend aus meiner Perspektive ist, dass ich nur so viel an Erträgen entnehmen möchte, dass der Vermögensstock in seinem Potential Erträge zu erwirtschaften, nicht durch die Entnahmen geschmälert wird.

Schüttet der ausschüttende ETF nur erhaltene Dividenden aus und nimmt man weiterhin an, dass Unternehmen nur insoweit im Durchschnitt Dividenden ausschütten, wie sie sich das erlauben können, ohne das Geschäft zu gefährden, so hat man sehr einfach den Maßstab für die maximalen Entnahmen für den Lebensunterhalt fixiert:

Die Ausschüttungen.

Was ist die Quintessenz aus diesen Gedanken:

  1. Wenn man eine Reihe exzellenter ETFs hat, die gleich gut sind, so sollte man den ETF wählen, der es einem erlaubt steuerlich neutral von thesaurierend zu ausschüttend (und ggf. zurück) zu wechseln.
  2. Ist dies nicht möglich, so sollte man einen ETF wählen, der sowohl mit der gleichen Anlagelogik thesaurierend und ausschüttend angeboten wird. Man kauft dann den thesaurierenden. In der Phase, wo man von den Erträgen leben muss, verkauft man so viele Anteile des thesaurierenden Fonds, dass prozentual die Ausschüttungsquote der Ausschüttungsvariante getroffen ist.

 

P.S.: Mit Deiner Frage hast Du mir im übrigen sehr geholfen: Ich habe mich gefragt (ich bin ein Stockpicker) wieviel Aktien kann ich verkaufen, wenn ich vor allen Dingen Wachstumsaktien habe, die null Dividenden zahlen. Durch die Beantwortung Deiner Frage, habe ich weiterführende Gedanken für die Beantwortung meiner Frage erhalten:

  • Aktienrückkaufquote, die nicht der Abdeckung von stockoptions an Angestellte dienen und
  • Investments in neue Geschäftsfelder, die absolut von dem eigenen Geschäftsfeld getrennt sind.

Dafür vielen Dank.