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Der Irrtum der Experten: Ist die eigengenutzte Immobilie wirklich nur ein "Konsumgut"?

In "Rente mit 40" steht auf S. 182:
"Eine Investition in Schuhe oder in einen Urlaub erzielt allerdings meist keinen Gewinn und ist daher eine Ausgabe. Ebenso ist ein Eigenheim eine Verbindlichkeit und keine Investition".
Und auf S. 185: "Da ein Haus oder eine Wohnung, die meist auf Kredit gekauft werden, keine Erträge abwerfen, sondern Kosten verursachen, stellen sie keine Investition dar."
Auch in Wikipedia werden Immobilien als Konsumgut bezeichnet.

Es wird der Eindruck erweckt, angesparte Gelder in eine eigengenutzte Immobilie zu stecken, das lohnt sich nicht. Das ist gar keine sinnvolle Investition. Vielleicht in eine vermietete Immobilie, okay.

Und das zentrale Argument: Es gibt nur Kosten, keinen Ertrag!? Wie? Geht`s noch?
Eine bezahlte, eigene Wohnung oder das eigengenutzte Haus ist eine Investition. Und es gibt auch einen Ertrag: Die ersparte Miete! Hiervon natürlich nur derjenige Teil, der als Zins erspart wird. Instandhaltung, Verwaltung, Abschreibung sind Konsum.
Als Eigennutzer bin ich praktisch gleichzeitig Investor und Konsument

Und diese Investition ist super sinnvoll: Auf den Ertrag, die ersparte Miete, braucht man keine Steuern zahlen. Würde man die Wohnung vermieten und damit die eigene Miete bezahlen, wären Steuern fällig.
Als Eigennutzer bin ich praktisch nur Investor und Konsument der eigenen Investition gleichzeitig. Eigentümer und Besitzer.

Wenn wir über Investitionen sprachen, über sinnvolles Sparen und sinnvolle Geldanlage, dann sollten wir alles Vermögen, welches uns Mietzinsen erspart als sinnvolle Investition betrachten mit der Rendite der ersparten Zinsen.

Bei manchen Gütern lohnt es sich zu mieten, m. E. zum Beispiel beim Brautkleid. Bei Schuhen, Kleidung, die täglich gebraucht werden nicht. Auch das Auto ist eine Investition mit dem Ertrag der ersparten Miete.

Wenn wir über Vermögensbildung nachdenken, dann sollten wir uns zunächst fragen: "Wo zahlen wir monatlich Zinsen für etwas, was wir häufig nutzen?" Und dann wird jedem Mieter deutlich, dass er fremdes Eigentum, fremdes Vermögen nutzt, um zu wohnen und jeden Monat dafür Zinsen zahlt. Er hat also eigentlich ein Darlehen in Höhe des Wertes der Wohnung aufgenommen.

Und Vermögensbildung beginnt eigentlich erst wirklich, wenn ich meinen täglichen Bedarf ohne Zinszahlungspflicht bedienen kann.

 

 

Du hast nur Recht, wenn du die Opportunitätskosten nicht als "Kosten" klassifizierst.

Im Wikipedia-Eintrag wird es daher rühren, dass das in der Volkswirtschaftslehre wohl einfach so definiert ist. Konsumenten konsumieren halt, was einen Konsumenten dazu bewegt, interessiert nicht so. Dass ein Konsument durch den Konsum des einen Produkts ein anderes Produkt nicht mehr konsumieren will, oder muss, ändert bei der Betrachtung von außen nichts daran, dass es konsumiert wird.

Jetzt interessiert es mich persönlich reichlich wenig, wie das bei meinen Ausgaben akademisch kategorisiert wird - für mich ist jeder Euro, den ich nicht mehr ausgeben muss, genausoviel wert, wie ein Euro, den ich verdiene. Man möchte meinen, Autoren eines Buches mit dem Titel "Rente mit 40" sollte es genauso sehen.

in der PRAXIS (also wohl bei 80 % derer, die sich in den letzten 20 Jahren ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben?) ist erst mal die Frage:

was wird als "EIGENE Immobilie" bezeichnet?

ob man dem Vermieter Miete zahlt oder der Bank Zinsen macht ja keinen Unterschied ...

und "Investment" ist nur der Tilgungsanteil!

Ich hab das für mich laienhaft immer so betrachtet: Die Miete ist der Zins und die Tilgung die Sparrate, sprich eine Investition.

Ob man dann alles am Kapitalmarkt (Aktien oder Anleihen) steckt oder einen Teil in die selbstgenutzte Immobilie ist bekanntlich umstritten. Langfristig stiegt der Aktienmarkt wohl schneller als die Miete. Anleihen aber geringer. Und von dee Risikoklassifizierung sehe ich die Immobilie eher bei der Anleihe. Deshalb betrachte ich meine Immobilie als den risikoarmen Teil.

Die Wertentwicklung ist bei der Selbstnutzung sekundär.

Den größten Vorteil der selbstgenutzten Immo für die FIRE und Rentenzeit sehe ich darin, dass der größte Kostenblock wegfällt und der Cashflow Bedarf bei mir trotz semifrugaler Lebensweise bei annähernd 0 sein wird und erst wieder mit Beginn der Rentenzahlungen steigt.

Zitat von Muslime_Frugi am 9. März 2021, 20:47 Uhr

...

Die Wertentwicklung ist bei der Selbstnutzung sekundär.

...

würde ich nicht so sehen:

meine Mutter kam mit Anfang 80 mit den Stufen am Hauseingang (blödes Hindernis, wenn man/frau mit Rollator zur Bushaltestelle will) und dem Badezimmer nicht mehr zurecht

--> war dann durchaus angenehm, dass die Wohnung im Verkauf das 2,5-fache des Kaufpreises 10 Jahre zuvor eingebracht hat!

(und auf den Kaufpreis bezogen entsprach die eingesparte Miete geschätzt einer Rendite von 7 bis 8 % p.a.)

Zitat von exit-tbd am 9. März 2021, 18:27 Uhr

ob man dem Vermieter Miete zahlt oder der Bank Zinsen macht ja keinen Unterschied ...

Doch das macht einen großen Unterschied!

Bei derzeitigen Mietrenditen um die 3,5% (sollte irgendwo der bundesweite Durschnitt sein zwischen München und plattes Land in Sachsen-Anhalt, zahlt der Mieter eine Miete bei der er nach etwa 35 Jahren schuldenfrei wäre (30 Jährige Zinsfestschreibung <1% möglich).

Der Mieter zahlt weiter und bei 2% Mietsteigerung dann nach den 35 Jahren das Doppelte.

Die wissenschaftlichen Definitionen sind verwirrend. In Wikipedia werden Immobilien durchaus als "Investition" gesehen. Aber bei der Definition des Begriffes "Investitionsgut" nicht.
Wir sollten daher dem Hinweis von Wikipedia folgen und eher den Begriff "Kapitalanlage" verwenden: "Bei Investitionen von Privathaushalten im Rahmen der privaten Finanzplanung ist der Begriff Kapitalanlage eher gebräuchlich."
Dann kommt es nicht zu der Aussage, dass eigengenutzte Wohnimmobilien als "Konsumgut" den Ausgaben für Urlaub gleichgesetzt werden, wie Florian Wagner das in seinem Buch "Rente mit 40" macht und damit diese Form der Geldanlage indirekt verunglimpft.

Es geht ja darum, mit der Geldanlage laufende Erträge zu produzieren. Und auch die eigengenutzte Wohnung produziert Erträge, nämlich die ersparte Miete. Und sofern ich die Wohnung finanziere, finde ich @exit-tbds Vorschlag zielführend: Es reduziert sich die ersparte Miete um den Zinsanteil, meine Tilgung ist Geldanlage, mit der ich dann den Zinsanteil nach und nach reduziere und die ersparte Miete erhöhe.

Zusammenfassend: Die eigengenutzte Wohnung ist eine sinnvolle Geldanlage. Sie hat als Ertrag die ersparte Miete, die sogar steuerfrei ist. Bei einer Finanzierung ist die Tilgung eine Geldanlage in einer Immobilie. Die Zinsen, die ich zu zahlen habe, sind mit einer Nettomiete vergleichbar. Wobei ich als Mieter lebenslang durch Inflation steigende Nettomiete zu zahlen habe - ohne jemals Eigentümer der Wohnung zu werden.