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Auswandern in die Schweiz – Eure Erfahrungen?

Während andere sich mit 42% Steuern auf Einkommen und 19% Mehrwertsteuer obendrauf zufriedengeben, nur damit sie dann nochmal 25% Kapitalertragssteuer zahlen müssen, und gleichzeitig ein halb so hohes Bruttoeinkommen haben wie anderswo, habt Ihr (als qualifizierte Fachkraft) Euch von allen Euren sozialen Kontakten in Deutschland (oder Österreich? Oder sonstwo?) verabschiedet und den Schritt in die Schweiz gewagt, um

  1. eine schönere Landschaft
  2. funktionierenden öffentlichen Nahverkehr auch auf dem Land
  3. bessere medizinische Versorgung
  4. eine bessere Armee (die Schweiz hat keine Armee – sie ist eine. Jeder Erwachsene Mann hat ein Sturmgewehr bei sich daheim)
  5. 8 Wochen gesetzlich gewährleisteten Schutz vor Atomkrieg in Form von Bunkern
  6. einen lustigeren Dialekt im Alltag
  7. mehr Herzlichkeit
  8. mehr direkte Demokratie
  9. nicht mehr als 15% Steuern auf alles
  10. eineinhalb mal so hohe Lebenshaltungskosten
  11. eine sinnvollere Außenpolitik
  12. politische Neutralität
  13. mehr Datenschutz und Privatsphäre zu bekommen,

und euch gleichzeitig auf die damit einhergehenden Unwägbarkeiten eingelassen wie z. B. Rassismus gegenüber Ausweis-Deutschen, dass in 3/4 der Gemeinden Rechtspopulisten die stärkste politische Kraft sind (siehe hier; dunkelgrün bedeutet faschistoid), ein nicht vorhandenes Arbeitsrecht, Provinzialismus, sowie der de-facto Unmöglichkeit, Ausweis-Schweizer auch persönlich kennenzulernen. Soweit die Vorurteile. Was ist da dran, was nicht? Wie ist das mit Versicherungen und Pensionskassen? Wie ist das mit Dopplebesteuerungsabkommen? Wie ist das mit dem Sozialsystem? Und darf man da jetzt kiffen oder nicht? Wie sind Eure Erfahrungen, was gibt es noch zu berücksichtigen? Wenn Ihr da schon seid oder inzwischen schon wieder zurückgekehrt seid, warum? Würdet ihr es wieder tun?

 

Don't feed the troll

Der Begriff Faschist / faschistoid wird mir hier im Forum in letzter Zeit etwas zu oft verwendet. Bisher war das doch ein nettes Forum, in dem man frei und relativ unpolitisch diskutieren konnte. Ich hatte mich mal aus einem anderen Finanz-Forum, das sehr lange erfolgreich gelaufen war, zurückgezogen (und das wurde dann auch geschlossen), weil die Diskussionen auch immer absurder wurden (jedenfalls von einigen Teilnehmern). Wäre schön, wenn das hier nicht passiert.

Ich war noch nie in der Schweiz. Aber das ist eigentlich mein Traum die Schweiz zu besuchen. Sehr schönes Land. Wunderbare Natur.

Ein Bekannter ist als Kranken-/Gesundheitspfleger in die Schweiz gegangen. Verdient deutlich mehr, trotz höherer Lebenshaltungskosten, als er in diesem Job in DE verdienen würde ("Kaufkraftbereinigt").

Er geht gern in den Bergen Wandern. Auch das ging hier in der Ecke nicht so(!) gut.

Fazit: Ihm gefällt es und er kommt nicht mehr wieder.

Grüezi!

Ich wohne in der Schweiz, bin Schweizerin und werde die Schweiz nie freiwillig verlassen; es sei denn meine Familie wandert aus, was ich aber zu verhindern versuche, denn ich liebe die Vorzüge der Schweiz, gerade für mich als Schmerzkranke, die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrslinien, ein gutes Mobilnetz, außer in den Alpen, wo es teilweise zu Einschränkungen kommen kann.

Die Schweiz ist zwar teuer und die Lebenshaltungskosten hoch, wenn man es richtig zusammenrechnet (was vielen vorher zu wenig bewusst ist), aber lieber arm in der Schweiz als reich in einem Hinterwäldlerdorf ohne Anschlussmöglichkeiten. In der Schweiz liegen die Ortschaften viel näher beieinander, der Wechsel zwischen den Landschaften ist vielfältig. Es ist wirklich ein großartiges Erlebnis, einfach für ein paar wenige Stunden von Zürich in die Alpen zu reisen mit dem Zug und dann wieder zurück, als wäre es nur eine kleine Busfahrt. Mit dem Schweizer Generalabonnement kann ich ohne Limit durch die Schweiz fahren mit sämtlichen Zügen, Buslinien, Schiffen, in der Jugend und im Studentenleben sowie als Rentner sogar mit Rabatt, alles in Monatsraten bezahlbar. Für mich ist das Luxus für alle und ich genieße es, sooft ich  kann. Im Ausland vermisse ich sofort die Schweizer Berge und finde es gleich zu flach und langweilig. Ach ja übrigens: Es besteht ein Zugführermangel in der Schweiz, also können Zugführer oder umgelernte Piloten in der Schweiz Arbeit finden.

Auch unternehmerisch und für Selbständige ist die Schweiz sehr attraktiv, da der damit verbundene Behördenkram im Vergleich zu Deutschland relativ einfach ist und deshalb selbst erledigt werden kann, womit Kosten gespart werden können. Die direkte Demokratie und die gefühlte Macht jedes einzelnen Bürgers vermitteln diesem eine unbezahlbare Selbstwirksamkeit, was ihn dazu ermuntert, politisch und sozial aktiv zu werden und sich nicht als Opfer des Staates zu fühlen. Der Staat wird nicht als Feind erlebt, denn jeder Bürger ist Teil davon und kann sich aktiv einbringen.

Ich selbst positioniere mich eher links, aber in der Schweiz braucht es eine starke Einbindung der jeweiligen Parteien und deren Vertreter  in den demokratischen Gemeinschaftssinn mit flachen Hierarchien. Dadurch werden extreme Positionen abgeflacht und entschärft. Es kommt nicht zu derart krassen Parteikämpfen wie in Deutschland. Deshalb sind die rechten Politiker in der Schweiz eher dem bürgerlichen Bereich zuzuordnen und längst nicht so extrem und staatsfeindlich wie die ganz Rechten in Deutschland. Dasselbe gilt für die linken Parteien, extreme Positionen haben keine Chance in der demokratischen Zusammenarbeit, die zwischen den Parteien stattfinden und gelingen muss. Also keine Sorge! Die Schweiz ist sehr international aufgestellt, auch in den Dörfern, da  gibt es keine homogenen rassistischen Dörfer, die sich abschotten können, denn die Flüchtlinge werden in alle Ortschaften verteilt und auch sonst besteht insgesamt ein großer Ausländer- und Migrationsanteil in der Bevölkerung, abgesehen davon dass die Schweiz sowieso mehrsprachig ist mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen durch die Nachbarländer und mit großem internationalem Touristenzulauf in den Bergregionen und größeren Städten.

Meine Großeltern kamen mütterlicherseits aus Süddeutschland (Schwarzwald). Deutsche, die sich in der Schweiz wirklich anpassen, haben keine Probleme. Es ist vielmehr der Kulturschock von Deutschen, die glauben, die Schweiz hätte keine eigene Individualität und Identität. Bei jedem anderen Land ist man darauf gefasst, dass dieses seine Eigenheiten und eigene Sitten aufweist. Bei der Schweiz wird das meistens nicht so gesehen, ein fataler Fehler, denn es gibt tatsächlich einige wichtige soziale Unterschiede, die man als Deutsche(r) beachten muss, um in der Schweiz nicht negativ anzuecken.

Es gibt ein Höflichkeitsgefälle zwischen Deutschland und Italien. Die Italiener finden die Schweizer zu direkt und unhöflich (mein italienischer Schwager hat es mir erklärt). Und die Schweizer finden die Deutschen zu direkt und deshalb unhöflich. Andere Länder, andere Sitten. Man muss ein Feeling für das noch fremde Land bekommen. Spätestens die Kinder von Deutschen, die in der Schweiz aufwachsen, haben keine Probleme mehr, akzeptiert zu werden, weil sie diese feinen Unterschiede kennen und sich unbewusst anpassen an schweizerische Verhältnisse.

Also ich persönlich mag die Deutschen, allein schon wegen der deutschen Sprache, die ich liebe. Dass nun weniger deutsche Ärzte in die Schweiz auswandern, finde ich nicht gut, denn jetzt werde ich im Krankenhaus von Ärzten behandelt, die nicht mal richtig Deutsch beherrschen, zugelassen aufgrund des Ärztemangels in den Schweizer Krankenhäusern (Spitälern). Das ist schon ein qualitativer Verlust, denn in der Schweiz wird mit den Patienten noch richtig geredet  und nicht einfach durchgewunken mit Rezept und ein paar Worten. Das musste ich meinem deutschen Hausarzt auch klarmachen, als er zu Anfangszeiten noch im deutschen Minutentakt die Patienten behandeln wollte. Das lässt sich ein Schweizer Patient nicht so ohne weiteres gefallen und macht auch schnell die Runde bei den Patienten in der jeweiligen Ortschaft. Auf diese Weise können niedergelassene deutsche Ärzte, ohne Bereitschaft dazuzulernen, bald zumachen. Hab ich schon miterlebt bei einer deutschen Zahnärztin. Sie ging wieder nach Deutschland zurück.

So gesehen ist die medizinische Versorgung in der Schweiz wohl besser (zumindest nach dem, was ich so von Patienten in Deutschland hörte), vor allem auch bei Alternativmedizin und Therapiebedürftigkeit, denn es reicht, wenn die Behandlung in einer Arztpraxis stattfindet, damit es die obligatorische Krankenkasse übernimmt. Nur die Zahnmedizin ist überhaupt nicht mitversichert und muss teuer privat versichert werden, wobei auch dann nicht alles übernommen wird. Das soll in Deutschland ja alles inklusive sein, was aber wiederum bei den hohen Steuern verrechnet wird.

In der Schweiz wird das alles separat gezahlt, was dazu führt, die Lebenshaltungskosten in der Schweiz zu unterschätzen. Also so enorm gewinnbringend ist es auch wieder nicht unter dem Strich gerechnet, aber es fühlt sich trotzdem besser an, nicht so viele Steuern zahlen zu müssen. Bei den anderen fixen Kosten kann immerhin noch individuell gespart werden nach dem tatsächlichen Bedarf. Auch wenn z. B. die Lebensmittel teurer sind, gibt es natürlich Möglichkeiten, diese Kosten zu reduzieren. Die Löhne und auch das festgelegte Mindesteinkommen ist in der Schweiz auch höher.

Die Schweiz bleibt zudem irgendwo noch etwas übersichtlich, geografisch, thematisch, was mir als Minimalistin auch sehr gut gefällt. Gleichzeitig ist in der Schweiz so viel Internationales versammelt, gerade in Genf, Bern, Zürich und Basel. Ist einfach spannend und abwechslungsreich!

Liebe Grüße aus den Schweizer Jurabergen!

Laura Maelle

Liebe Grüße, Laura Maelle

Spannend. Danke.