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Altersvorsorge: mir wurde eine Rürüp-Rente angeboten, ich bin stutzig

Hallo!
Ich habe mich eben angemeldet, da ich aktuell in das Thema private Altersvorsorge einsteige und ich aktuell an meine intellektuellen Grenzen stoße 😉

Ich bin 30 Jahre alt und zahle aktuell in ein Versorgungswerk meine Pflichtbeiträge. Mir wurde von einem bekannten Finanzberater unter anderem eine Basisrente (Rürüp) der Swiss Life angeboten (Produktname: Investo), mit vorerst 250 Euro monatlichem Beitrag. Vorteil soll sein, dass ich in der Ansparphase meine Beiträge nach Grenzsteuersatz (42%) absetzen kann, um diese dann im Alter zu einem geringeren Satz versteuern zu können. So weit so gut. Jetzt habe ich die letzten Wochen versucht dieses Produkt so gut es geht in seine Einzelteile zu zerlegen und zu prüfen. Dabei sind mir einige Punkte aufgefallen, welche mich stutzig machen, ich aber nicht weiß ob ich evtl. Denkfehler einbaue. Ich würde gerne top informiert zu meinem nächsten Gespräch auftauchen.. Vielen Dank euch schonmal für Mithilfe!

Punkt 1 (in meinen Augen der Wichtigste, welcher die weiteren Punkte eher unwichtig macht)

Der Höchstsatz bis zu welchem man Beiträge in die Altersvorsorge absetzen kann, sind ca. 25 000 pro Jahr. Aktuell liege ich bei ca. 15 000, bei anstehender Selbstständigkeit innerhalb der nächsten 2 Jahre werde ich jedoch allein durch Pflichtbeiträge ins Versorgungswerk dann bei 25 000 Euro jährlich rauskommen.

Somit hat sich doch die Sache schon erledigt, oder? Wenn es zu letzterem Szenario kommen sollte, wäre das ganze Produkt nach grade mal 2 Jahren Steuersparen für mich schon komplett fürn Eimer.. fehlende Flexibilität, Gebühren, etc. bleiben mir aber bis zum Tod erhalten. Sehe ich das richtig?

Punkt 2: das Produkt besteht aus frei wählbaren Fonds/ETFs. 2 der Fonds habe ich mir rausgepickt, der eine hat einen TER von 1,99%, der andere von 1,65%. Wenn ich mir deren Performance bei finanzen.net aufrufe, komme ich beim einen innerhalb der letzten 5 Jahre auf 127%, beim anderen (TER:1,99) auf 26%, das ist z.B. im Vergleich zum sehr günstigen MSCI World ja eine dicke Underperformance, oder ist es nicht so leicht?

Punkt 3: Die Gebühren des Produkts haben in diversen Tests soweit ich gesehen habe maximal Mittelfeld abgeschlossen, scheinbar ein relativ teurer Vertrag, zu allem Überfluss.

Wie seht ihr die Sache? Liege ich richtig?

 

Hallo nimohi

Es gibt gerade aktuell einen weiteren Rürüp-Thread, schau da mal rein. Gerade wenn Du Dich selbständig machen willst, würde ich Dir rein intuitiv aus Erfahrung als Selbständige davon abraten, irgendwelche Knebelverträge mit höheren monatlichen Zahlungsverpflichtungen einzugehen. Das passt einfach nicht zur Mentalität und Motivation eines Selbständigen, der unbedingt Freiraum & Flexibilität braucht, um sich in der Selbständigkeit entfalten zu können. Außerdem ist die Selbständigkeit mit Risiken behaftet, da brauchst Du unbedingt bewegliche Rücklagen, die Du z. B. zur Überbrückung von Durststrecken benötigst.

Liebe Grüße, Laura Maelle

Punkt 1. Ich hab keine Ahnung wie Zahlungen an das Versorgungswerk (steuerlich) ablaufen. Allerdings hast du die Möglichkeit einen Rürup-Vertrag auch mit einer einmalige Zahlung abzuschließen. Das dürfte zwar von der Kostenbelastung etwas ungünstiger sein, allerdings bei deiner erwarteten Laufzeit und Beträgen von über 10.000 € zu verschmerzen. Also in den nächsten zwei Jahren zwei einzelne Verträge abschließen und dann diese bis zur Rente liegen lassen.

Punkt 2. Du kannst die Performance der Vergangenheit durchaus so vergleichen. Allerdings wird bei deiner Laufzeit das Management des Fonds mit Sicherheit mehrfach wechseln. Da einen Fonds zu erwischen, der dauerhaft besser als der Markt ist, dürfte fast ausgeschlossen sein. 2 % Kosten sind auf lange Sicht brutal hoch. 10.000 € mit 5 % angelegt auf 37 Jahre sind etwa 61.000 €, 7 % bringen die doppelte Summe. Ich würde auf günstige ETFs gehen, z.B. den MSCI World.

Punkt 3. Rürup Verträge kann man auch günstig bei Versicherungen im Internet abschließen.

Zitat von Thomas mit T am 9. Oktober 2021, 13:10 Uhr

Punkt 1. Ich hab keine Ahnung wie Zahlungen an das Versorgungswerk (steuerlich) ablaufen.

Danke schonmal an beide! Zu diesem Punkt: die Zahlungen an das Versorgungswerk können bis zu einem Betrag von 25 000 Euro als Einzelperson jährlich steuerlich abgesetzt werden. Aktuell schöpfe ich durch die Pflichtbeiträge ca. 15 000 aus, als Selbstständiger wird jedoch anders berechnet, daher ist hierbei von einem Ausschöpfen der gesamten 25 000 Euro in nächster Zeit auszugehen (Pflichtbeiträge!). Somit wäre der steuerliche Vorteil der Rürüp in der Ansparphase für den Eimer...

 

 

Hallo nimohi, erstmal gute Sache, dass du dich um deine Altersversorgung kümmerst. Du nennst das Steuerthema als wichtigsten Punkt, ich würde ihn dagegen ziemlich weit hinten einordnen. Sorry wenn das jetzt etwas viel Text geworden ist:

  • Ist dein Vertrag gut verständlich? Steigst du da im Detail durch? Falls nicht, musst du entweder recherchieren oder die Idee verwerfen. Ein intransparenter Vertrag wird dir ziemlich sicher früher oder später böse Überraschungen bescheren. Überlege dir Situationen wie Scheidung, Todesfall, Zahlungsunfähigkeit des Versicherers, Privatinsolvenz usw. Was sieht der Vertrag vor? Ein Rürup-Vertrag ist maximal unflexibel in dem Sinne, dass es keine Möglichkeit der Auszahlung abseits der Verrentung gibt, er kann auch nicht beliehen werden. Wenn du schnell in Versuchung kommst, deine Ersparnisse für Konsum anzugreifen, kann das natürlich auch ein Vorteil sein.
  • Assetklasse: Worin wird investiert? Bei Renteneintritt mit  einen Zeithorizont von > 30 Jahren sind Aktien/Aktienfonds erstmal eine gute Wahl. Falls noch nicht passiert, solltest du dir dasselbe Basiswissen anlesen, was du auch bei direktem Sparen in Aktien oder Fonds bräuchtest. Damit du z.B. nicht in der nächstbesten Krise schwach wirst und den Aktienfonds auf dem Tiefpunkt gegen einen Anleihenfonds tauschst. Achte auch darauf, dass der Vertrag dem Versicherer nicht gestattet, eigenmächtig deine Fondsauswahl zu ändern.
  • Kosten: Versicherungsverträge kosten immer mehr als direktes Besparen der Fonds, die Rendite ist schlechter. Grundtenor ist, dass die meisten provisionsbasierten Verträge so teuer sind, dass du am Ende ein schlechtes Geschäft machst. Schau den Vertrag durch und mach dir einen detaillierten Überblick über die Kosten und mach dann doch mal mit Excel eine Vergleichsrechnung, wie sich dein Vermögen gegenüber einem direkt besparten Fonds verhält.
  • Fondsauswahl: Aus einem jahrelang gut gelaufenen Fonds auf eine gute zukünftige Entwicklung zu schließen funktioniert meistens nicht. Wie Thomas sagt kann sich das Mangement schnell verschlechtern. Es ist auch höchst umstritten, ob Fondsmanager überhaupt in der Lage sind den "Markt zu schlagen". Nimm man, das könnte niemand, dann würde es immer noch besonders gut und besonders schlecht laufende Fonds geben. Und natürlich würden die zufällig gut gelaufenen Fonds dir als das Nonplusultra verkauft werden. Und selbst wenn das Management könnte, muss es nicht nur den Markt schlagen sondern auch noch die Kosten wieder reinholen. Also lange Rede kurzer Sinn: Nimm dir lieber einen breit streuenden ETF, z.B. MSCI World oder MSCI ACWI oder Vergleichbares, mehr als 0,2% TER sollte das nicht kosten. Wenn sowas nicht in der Auswahl ist, musst du die Zusatzkosten für den teureren Fonds rechnerisch zu den Vertragskosten aufschlagen (siehe vorheriger Punkt).
  • Irgendwann weiter unten kommt dann das Steuerthema. Aber auch nur, wenn dein Steuersatz im Berufsleben wesentlich höher ist als im Ruhestand. Und selbst dann ist ungewiss, ob der Vorteil am Ende entsteht, da Entwicklungen wie die kalte Progression oder Steuerreformen den Vorteil auch zunichte machen können.

Ich habe mir selbst vor kurzem spaßeshalber einen Rentenvertrag von meiner Bank anbieten lassen und habe ihn gegen mein ETF-Depot gebenchmarkt. Das Ergebnis war unterirdisch, kein Steuervorteil kann das wieder rausreißen. Allein die Kosten wirken in so langen Zeiträumen viel stärker. Würde mich wundern, wenn das bei dir anders wäre. Und selbst wenn du alle Pferde auf das Steuerthema setzen möchtest, würd ich auf Thomas Rat hören und deinen Vertrag mit Angeboten im Internet vergleichen. Was dir Berater anbieten ist schon allein darum oft nicht konkurrenzfähig, weil dein Berater weiß, dass viele seiner Kunden gar keine Vergleichsangebote einholen. U.a. darum, weil das schwierig ist, weil die Verträge so komplex und damit schwer vergleichbar sind.

 

Ich kann nur raten, lasst die Finger von sämtlichen staatlich geförderten Finanzprodukten. Es rechnet sich meist nicht. Aber vor allem holt man sich eine u.u. jahrzehntelange Knebelung in die Vorsorge !! Auch werden gerade die für die Wertentwicklung wichtigen, in den ersten Jahren gezahlten Beiträge, zu großen Teilen von Provisionszahlungen aufgezerrt. Geködert werden die Bürger mit hohen staatlichen Zuschüssen, dabei werden aber jegliche Vorteile durch undurchsichtliche Gebührengestaltung und ein enges Regelwerk zu Nichte gemacht.

Eine Auszahlungsgarantie der Beiträge und Zuschüsse in den Verträgen behindern die Wertentwicklung und suggerieren Sicherheit, die aber eine Farce ist.  (Was hat dieses Geld/dieser Betrag überhaupt noch an Kaufkraft nach Jahrzehnten ?).

Eine private Anlage ( Fonds,ETF, Aktien, Rohstoffe, Immobilien) wird sich mit höchster Wahrscheinlichkeit erheblich besser entwickeln da kostengünstig verwaltet werden kann. Und nebenbei ist man immer frei in seinen Investmententscheidungen und kann so kurzfristig ohne derbe Konsequenzen auf Wendungen im Leben reagieren.

Verlasst Euch bei der Altersvorsorge nicht auf den Staat. Da wird durchweg wenig wirklich gänzlich, gut und langfristig gedacht. Die denken doch nur in Legislaturperiode. Und die Lobbyarbeit der Finanz-und Versicherungsbranche hat immer Früchte getragen, evt. zum Vorteil der Entscheider und zum Schaden der Anleger.

Meine Wertschöpfungsbilanz bei staatlichen Produkten, abgeschlossen und angespart in meinen noch unwissenden Jahren, liegt momentan bei Einrechnung aller Abzüge  (Steuern und Krankenversicherung bei Auszahlung, Gegenrechung weniger Rente durch Entgeltumwandlung  ect.) bei ca 0,17- 0,2 % p.a.  Inflation kommt noch ab.   Glückwunsch.   Danke Staat. Ohne den ganzen Mist hätte ich evt. 3 Jahre früher FU erreicht.

Rechnet doch einfach mal per Exel gegen. Macht man das wirklich ernsthaft, kommt man nur zu dem einen Ergebnis; Keine staatliche freiwillige Altersvorsorge, nie versicherungsbasierte Altersvorsorgeprodukte, ausschließlich selbstbestimmte private Altersvorsorge.