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Steuerliche Behandlung bei Entnahme aus Depotbeständen vor 2009 (KAP Ertr. St.)

Hallo zusammen,

ich habe noch ein paar thesaurierende ETFs die ich in einem Sonderdepot 2008 gefreezt habe. Aktuell ist es so dass Gewinne bis 100k€ steuerfrei zu entnehmen sind.

Wie ist es, wenn ich auf diese ETFs keine weiteren Einzahlungen mache aber einen Entnahmeplan. Sind dann alle Entnahmen (eben die Kursgewinne) immer während der gesamten Entnahmezeit steuerfrei?

Haben andere auch diese "Secret Treasures" im Depot und/oder können meine Frage beantworten?

Danke vorab in die Runde

Bei Fondsanteilen, die vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden, bleiben Kursgewinne, die bis zum 31.12.2017 aufgelaufen sind, auch in Zukunft steuerfrei, egal in welcher Höhe. Die Depotbank nimmt den 31.12.2017 als fiktives Verkaufsdatum und rechnet ab diesem Zeitpunkt weiter. Erst was darüberhinaus als Gewinn aufläuft und über 100k EUR pro Anleger (bei Gemeinschaftsdepot das Doppelte!) ist, wird versteuert. Für die meisten glücklichen Kleinanleger, die solche Anteile noch besitzen, wird also kaum Steuer anfallen.

Beispiel:

Gesamtkaufsumme 100.000 EUR am 31.12.2018
Wert am 31.12.2017: 150.000 EUR
Verkauf am 1.7.2021, Wert 260.000

Bis zum 31.12.2017 ist alles steuerfrei, also 50.000 EUR. Der weitere Zugewinn beträgt 110.000 EUR. Davon sind 100.000 EUR abzuziehen, ebenfalls steuerfrei (bei Einzeldepot), verbleiben 10.000 EUR, die versteuert werden müssten. Das greift aber in dem Fall nur bei einer kompletten Auflösung. Wenn du kleine Tranchen scheibchenweise veräußerst, fällt erst mal lange nichts an. Ohne dein Depot zu kennen (du sprichst von mehreren ETFs) gehe ich mal davon aus, dass du überhaupt keine Steuern zahlen musst. Wenn ich nun noch davon ausgehe, dass es sich um Aktienfonds handelt, sind jeweils ohnehin 30% steuerfrei. In dem obigen Beispiel wären also nicht 10.000 sondern nur 7.000 EUR zu versteuern.

Ich hoffe das hilft dir weiter.

Vielen Dank Vision2020 für die sehr umfassende Antwort. Das hilft sehr!

Die Änderung zum 01.01.2018 habe ich schon mitbekommen, was ich allerdings tatsächlich nicht auf dem Schirm hatte war, dass die Gewinne vor 31.12.2017 steuerlich nicht relevant sind und nicht zu den 100k zählen.

seit 2018 sind Gewinne von ca. 25k aufgelaufen. Es ist eher unwahrscheinlich dass ich die 100k bis zur Entnahme überschreiten werde.

nur warum bei Aktienfonds (in meinem Fall sind es Aktien ETFs) 30% steuerfrei sein sollen verstehe ich nicht?

Neben meiner alten und gut verzinsten Direktversicherung deren Kapitalauszahlung komplett steuerfrei ist das mein zweite „Secret Treasure“. 🤗

Die Gewinne, die zwischen 1.1.2009 und 1.1.2018 aufgelaufen sind fallen unter den Bestandsschutz und sind außen vor. Im Vorfeld der Änderung zum Jahreswechsel 2008/2009 hieß es, dass Wertpapiere, die vor 2008 gekauft werden, für alle Zeit (nach einjähriger Haltedauer) steuerfrei bleiben würden. So war ja der Normalfall vor 2009. Mit der Änderung 2018 wollte man dann den Aufschrei möglichst gering halten, dass dieses Versprechen gebrochen wurde. Wenn du nun Anteile verkaufst, wird deren Wert zum Stichtag 1.1.18 bzw 31.12.17  als fiktiver Kaufpreis angenommen.

Mit der Änderung 2018 sind Quellensteuern im Falle von Fonds (aktiv oder ETF) nicht mehr auf die Abgeltungssteuer anrechenbar. Dies wird seit dieser Zeit durch die Teilfreistellung (30% bei Aktienfonds) kompensiert. Vor diesem Hintergrund macht die Wahl des Fondsdomizils Sinn. In den meisten Doppenbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen zwei Staaten sind die Dividenden von Investmentfonds nicht erfasst, d.h. sie kommen nicht in den Genuss von niedrigeren DBA-Quellensteuersätzen. Irland als Fondsdomizil ist hier eine positive Ausnahme und gewährt Aktienfonds, die ihr Domizil in Irland haben, eine eigene Abkommensberechtigung. Außerdem hat Irland sehr viele DBAs mit anderen Ländern. Somit können international anlegende Fonds (beispielsweise MSCI World, S&P 500) entsprechende Steuern sparen und ihre Performance verbessern. Es existiert ein DBA zwischen Irland und den USA, das dazu führt dass, die US Quellensteuer von regulär 30% auf 15% in einem Fonds gedrückt werden, der sein Domizil in Irland hat. Somit ist ein ETF auf den MSCI World mit Sitz in Irland einem vergleichbaren Fonds mit Sitz in Luxemburg vorzuziehen, vor allem auch durch den hohen US Anteil. Nicht umsonst haben mittlerweile sehr viele in Europa zum Vertrieb zugelassene Fonds Irland als Domizil. Es ist übrigens unerheblich ob der Fonds ausschüttet oder thessauriert. Es kann ja nur die Nettorendite wiederangelegt werden, die enstsprechende Quellensteuer wird bereits im Vorfeld abgezogen. Bei einem ETF auf den DAX ist das Fondsdomizil natürlich unerheblich, da es keine externen Quellensteuern zu berücksichtigen gilt.

An diesen komplexen Änderungen sieht man vielleicht auch die Problematik eines langen Haltens von Investmentanteilen. Vor 2018 spielte das alles keine Rolle, da man die externen Quellensteuer gegenrechenen konnte. Wenn man nun vor 2009 einen ETF auf den MSCI World mit Sitz in Luxemburg gekauft hatte, konnte man diese Änderungen ja noch nicht auf dem Schirm haben, die sich nun als Nachteil herausstellen. Außerdem sind die ETFs heute um einiges günstiger als vor dieser Zeit. Trotzdem kann man natürlich froh sein, wenn man noch einen Schatz in der Hinterhand hat. Die größte Gefahr besteht vermutlich darin, dass solche in die Jahre gekommen Fonds irgendwann von der Fondsgesellschaft aufgelöst werden und man zum Verkauf gezwungen wird.

Aha, das mit der Teifreistellung wusste ich tatsächlich nicht.

Und ja, manche der alten Fonds haben ihren Sitz in Luxemburg und mit 0,3 - 0.5 TER etwas höhere Kosten als heute.

Wegen der Quellensteuer:

Bei thesaurierenden wird diese für den Anteil der Anlage im Ausland abgezogen. Klar...

Aber wenn Ausschüttend kommt ja noch die Abgeltungssteuer in Deutschland hinzu. Oder sehe ich das falsch? D. h.: Ein thesaurierender Fond hätte in der Anspar- aber auch Entnahmephase (FiFo Prinzip) doch Vorteile ggü. eines Ausschütters?

Die Teilfreistellungsquote ist abhängig von der Fondsart:

Aktienfonds 30%, Mischfonds 15%, offene Immobilienfonds mit mindestens 51% deutschen immobilien 60%, offene Immobilienfonds mit höchstens 51% deutschen Immobilien 80%.

Ich habe noch einen älteren ETF Far East Asia ex. Japan mit relativ hoher Managementgebühr (0,75%). Ich werde den trotzdem so lange wie möglich halten. Seit Kauf sind hier ca 30,000 EUR Kurszuwachs aufgelaufen, weitere 5000 EUR an Ausschüttungen sind bereits versteuert. Was der Anfang 2018 Wert war müsste ich aber erst mal nachschauen. Er ist aber in einem Gemeinschaftsdepot, insofern auch hier noch viel Luft nach oben.

Thessaurierende Fonds: Früher war das so, dass Steuern erst dann zu zahlen sind, wenn es zu einem Geldfluss kommt (steuerliches Grundprinzip in Deutschland). Wer einentThessaurierenden Fonds beispielsweise 20 Jahre hielt musste die aufgelaufenen Gewinne erst mit dem Verkauf versteuern und der Zinseszinbseffekt arbeitete für den Anleger. Das war aber dem Finanzministerium scheinbar ein Dorn im Auge und dachte, dass da doch irgendwas zu holen sein müsste. Seit der letzten Reform gilt dieses Prinzip nun nicht mehr und es wurde die dubiose Vorabpauschale eingeführt. Hier werden also die im Vorjahr angefallenen Erträge versteuert, ganau so, als wenn man einen ausschüttenden Fonds hätte. Die meisten Anleger merken dies nicht direkt, denn die Vorabpauschale mindert erst mal den steuerlichen Freistellungsbetrag von 801 EUR. Erst wenn dieser aufgebraucht ist, wird der Anleger direkt zur Kasse gebeten. Es gibt also in Deutschland keine steuerlichen Vorteile mehr zwischen thessaurierenden und ausschüttenden Fonds.

Hi Vision2020

klasse Info bezüglich thesaurierend bis. ausschüttend.

Ich verkaufe gerade eine Wohnung und werde dann einen größeren 6 stelligen Betrag zur Wiederanlage haben. Rein vom Kopf wäre mir ausschüttend lieber und den Rest bis zu meiner persönlichen SWR dann entnehmen. Später wenn die Renten voll dazukommen wäre die Ausschüttung von irgendwas um 1,xx% wohl ausreichend als Zubrot für nette Dinge und ich könnte mir die manuelle Entnahme sparen. Die Ansparzeit bis zur Entnahmephase wird nicht mehr lang sein.

Wenn die wiederanlegenden Dividendenausschüttungen des Thesaurierers im Hintergrund genauso besteuert werden könnte ich ja gleich den Ausschütter nehmen.
Ich muss mich in die Besteuerungssache mal einlesen und recherchieren um es vollumfassend zu verstehen bevor ich die größere Summe anlege.

Danke jedenfalls schon mal für den Input👍

Hier eine Erklärung zu dem Thema thesaurierend vs. ausschüttend

https://www.justetf.com/de/news/etf/etf-und-steuern-das-neue-investmentsteuergesetz-ab-2018.html

@Muslime_Frugi,

Im Prinzip ist es ziemlich egal ob ausschüttend oder thessaurierend. Viele bevorzugen ausschüttende Fonds wenn sie in die Verzehrphase kommen. Man muss sich dann eben nicht um den aktiven Verkauf kümmern, andererseits schwanken die Ausschüttungen natürlich. In aller Regel wird man in dieser Lebensphase dann aber auch einen entsprechend hohen Cashanteil haben, so dass daraus die regelmäßigen Abflüsse vonstatten gehen können.

Infos zu den Steuerregeln erhälst du eigentlich bei allen gängigen Brokern und Banken.

Viel Glück bei deinem Wohnungsverkauf!