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Sanfter Frugalismus

Hallo,
ich bin 34 Jahre alt und spare/investiere leider erst seit 2 Jahren, also ein relativer Neueinsteiger bzw. Späteinsteiger 🙂
Ich arbeite seit 5 Jahren in Vollzeit im Bereich IT-Support, Anwendungsentwicklung. Die Zeit davor habe ich eine Ausbildung und ein Studium abgeschlossen und zwischendrin 1 Jahr in meinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Während Ausbildung und Studium war nie so viel Geld da, aber ich konnte schon bisschen etwas ansparen weil ich während des Studiums noch gearbeitet habe. Die Bafög-Rückzahlung war aber auch irgendwann fällig. 😛

Die ersten 3 Jahre meiner Berufstätigkeit war meine Sparrate eher gering, weil ich in meine Videospielsammlung "investiert" habe, was natürlich kein echtes Investment ist. Es sind zwar ein paar wertvolle Retro-Games dabei, aber ein echtes Schnäppchen macht man da nur selten. Ich wusste, dass meine Einkünfte meine Ausgaben etwas übersteigen und machte mir nie Gedanken, ob ich etwas wirklich brauche. Irgendwann hatte ich 15 Hemden im Schrank, die ich nie trage 😀

So vor 2 Jahren habe ich gemerkt, dass mein Vermögen sich ja gar nicht so signifikant vermehrt und die staatliche Rente auch nicht wirklich "sicher" ist, Stichwort Rentenlücke und so. Zu dem Zeitpunkt hatte ich vllt. so 15-20k € und dachte mir, dass das Geld ja nur rumdümpelt und seine Kaufkraft von der Inflation gefressen wird. Da ich es eh nicht ausgeben wollte und nicht akut brauchte, wollte ich es investieren, wobei die Börse zu dem Zeitpunkt etwas sehr Abstraktes und Abgefahrenes für mich war, ein Zocker-Casino eben.
Ich recherchierte nach sinnvollen Geldanlagen und las immer wieder von ETFs und stieg tiefer in das Thema ein. In dem Zusammenhang wurde immer wieder das Buch von Gerd Kommer empfohlen, was ich binnen weniger Tage verschlang. Es war ein richtiger Augenöffner bzgl. Aktienmärkte, wie sie funktionieren, warum aktives Anlegen quatsch ist usw. Am Ende hat er mich überzeugt, dass passives Anlegen in ETFs genau das Richtige für mich ist und zu mir passt wie die Faust aufs Auge. Der Kauf des Buches hat sich inzwischen zig-fach amortisiert! Danke Gerd! Ich recherchierte noch etwas weiter, informierte mich über alle Begriffe (thesaurierend, swap-basiert, replizierend etc.) und dann war es so weit und ich eröffnete ein Depot bei einer Online-Bank und richtete einen ETF-Sparplan ein. Ich fing erst mit 200 € monatlich an, um mich etwas einzugrooven und erhöhte dann immer weiter die Sparrate. Heute investiere ich ca. 55% meines Netto-Einkommens. Hauptteil Aktien (indexbasierte ETFs), bisschen Gold und bisschen Tagesgeld, was ich bei steigenden Zinsen auf Festgeld umschichten werde. Sehr einfach, nichts Kompliziertes. Keine REITs oder Anleihen, ich will es simpel halten und muss nicht bei jeder Anlageklasse dabei sein.

Über Immobilien habe ich mich ein wenig eingelesen, aber schnell gemerkt, dass da sehr viel Aufwand dahinter steckt und viele unsichere Variablen mitspielen. Finanzierung, Auswahl der Immobilie, Gutachter und Verwaltung bestellen, mit vielen Leuten kommunizieren, Probleme mit Mietern, Instandhaltung, steuerliche Aspekte. Alles zu nervig, unentspannt und gefühlt sehr riskant für mich. Überhaupt nicht mein Ding!

Gleichzeitig reduzierte ich meine Fixkosten signifikant. Ich wechsel nun jedes Jahr den Strom- und Gasanbieter und habe für Internet und Handy auch sehr günstige Verträge abgeschlossen mit dem, was ich wirklich brauche. Mein Fitnessstudio kostet auch nur 9,99€ im Monat.
Auf der anderen Seite wollen meine Freundin und ich nicht auf Lebensqualität verzichten und kaufen unsere Lebensmittel hauptsächlich im Bio-Supermarkt. Sport und gesundes Essen ist für mich Prävention für ein möglichst langes Leben. Als Vegetarier ist die Bio-Ernährung auch nicht allzu kostspielig.
Aktuell verkaufe ich Dinge, die sich so angesammelt haben und die ich nicht mehr wirklich brauche. Das sind hauptsächlich Videospiele. Ich will einfach nichts mehr "sammeln". Lieber den Erlös investieren und mein Portfolio wachsen sehen.

Sanfter Frugalismus, wie ich ihn betreibe, und diszipliniertes Investieren ist für mich ein Mittel, um mir mehr Freizeit und Selbstbestimmung zu schaffen. Ich habe viele Ideen & Hobbies, die ich gerne in meiner Freizeit stärker verfolgen würde, was durch Vollzeitarbeit eingeschränkt wird. Ich würde gerne noch mehr Sport machen können. Komplett auf Lohnarbeit zu verzichten, wäre auch nichts für mich, aber die Arbeitszeit sukzessive zu verringern wäre super. Wenn ich z.B. Irgendwann nur noch 3 Tage die Woche arbeiten würde, wäre das toll oder 4 Tage à 6 Stunden oder so. Mal schauen, da lege ich mich jetzt noch nicht fest. Selbst als Rentner würde ich noch gerne eine geringfügige Beschäftigung ausüben, wenn sie mir Spaß macht und einigermaßen stressfrei und entspannt ist 🙂

Ich verfolge auch mehrere Finanz-Blogs, wobei ich das Gefühl habe, so ziemlich die meisten für mich relevanten Informationen abgegrast zu haben. Ich denke, ich habe für mich eine gute Strategie gefunden, die ich langfristig und eigenständig verfolgen kann und meine Finanzen in den letzten 2 Jahren richtig gut in den Griff bekommen. Das gibt mir Sicherheit für die Zukunft und insgesamt eine entspanntere Einstellung zum Leben. Aktuell helfe ich auch meiner Freundin, ihr einen ETF-Sparplan einzurichten.