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Neu-Frugalist, ohne Early Retirement Plan

Hallo miteinander,

Ich hab den tollen Blog vom Oliver vor einiger Zeit recht zufällig entdeckt und bin begeistert.

Nun hab ich mich auch endlich hier im Forum angemeldet. Nachdem ich schon lange stiller Mitleser war, möchte ich mich und meinen Weg und meine Ziele hier etwas vorstellen:

Ich werde nächste Woche 30 und nachdem ich in der Vergangenheit einige krumme Wege genommen hab und teilweise auch recht ziellos durch die Gegend gewandert bin, hab ich mittlerweile meinen Weg gefunden und da auch schon die ersten Zwischenstationen erreicht.
Eine der ersten Schritte war es mein Studium zu schmeißen und mir einen Job in meinem gelernten Beruf zu suchen. Das gab mir die finanzielle Unabhängigkeit von meinen Eltern und ich konnte fortan meine eigenen freien Entscheidungen treffen.
Eine davon war, dass ich mir den Traum von einer eigenen kleinen Holzwerkstatt erfüllt habe. Bauen und Basteln war schon immer etwas was ich sehr gerne gemacht habe und jetzt habe ich endlich durch die geschaffenen Räumlichkeiten auch die Möglichkeit um mich vollends auszutoben. Gleichzeitig ist es ein wichtiger Meilenstein für meine Zukunft. Denn mein Plan ist es nicht mit 40 in den Ruhestand zugehen, sondern mit 40 mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Still sitzen liegt mir nicht und für mich wäre es die größte Freiheit, wenn ich selbstständig entscheiden kann, was ich wann und wie arbeiten will. Darum ist Early Retirement auch nix für mich.

Und da kommen Oliver mit seinem Blog und die ganze frugalistische Bewegung ins Spiel:
Die finanzielle Hürde sich selbstständig zu machen wird geringer, je geringer die eigenen Kosten sind. Allerdings hat diese offensichtliche Realisation etwas gebraucht und erst ein Kommentar unter einem von Olivers Blogartikel hat den Groschen fallen lassen. Aber etwas der Reihe nach.
Als Azubi und Student hab ich schon recht sparsam gelebt, was Konsumgüter und meine fixen Kosten angeht. Kein fettes Auto (bzw. überhaupt eins), immer in WGs gewohnt und meinen Urlaub als Animateur sogar bezahlt bekommen. Größere Anschaffungen wurden teilweise über ein halbes Jahr hin und her überlegt, bevor sie getätigt wurden und bei kleinen Sachen hab ich mich sehr zurück gehalten. Das hat sich auch größtenteils nicht geändert, bis auf meine Wohnkosten, aber da gehe ich nachher noch drauf ein. Für den Ausbau der Werkstatt und Anschaffung der Werkzeuge und Maschinen hab ich tatsächlich recht viel Geld ausgegeben, aber ich sehe das eher als Investition in mich und meine Zukunft, mit der eigenen Freiheit als Rendite.

Dennoch gab es vor einiger Zeit einen Knacks. Ich stellte fest, dass von meinem Gehalt nix übrig blieb und ich sogar fett in den Dispo gerutscht bin. Zusätzlich hatte ich quasi kaum Geld über um mir Material für Projekte in der Werkstatt zu kaufen, weswegen ein gewisser Stillstand herrschte. Ich fing an mich mit meinen Finanzen zu beschäftigen und führte auch wieder ein Haushaltsbuch (hab das während des Studiums recht konsequent getan). Dabei hab ich einige Stellen ausgemacht, die im Vergleich zum Studium deutlich gestiegen sind. Zum einen Bahntickets, was an meiner Fernbeziehung liegt und soweit eingeplant war, zum anderen aber auch deutlich höhere Ausgaben fürs Nachtleben. Das hat einen ziemlichen Aha Effekt gegeben und die Erkenntnis, wie viel ich tatsächlich auf Partys, in Kneipen und auf Konzerten war und wie oft das auch meinen Tätigkeiten in der Werkstatt im Weg steht (verkatert liegt es sich besser auf der Couch, als sich in die Werkstatt zu bewegen). Dadurch hat sich bei mir auch ein gewisses Umdenken eingestellt und ich gehe meinen nächtlichen Aktivitäten zielführender (mehr ausgesuchte Konzerte und weniger wahllose Partys) und nicht mehr so exzessiv nach (es muss halt nicht immer bis zum Zapfenstreich sein). Zudem gehe ich auch fast nur noch aus, wenn ich mit meiner Freundin zusammen bin.
Dadurch hab ich mich in den letzten Monaten Stück für Stück aus dem Dispo bewegt und ich hab auch mehr Zeit in der Werkstatt verbracht, was im gesamten sehr befriedigend ist.

Nun kommt der nächste Schritt. Das Geld was ich vorher genutzt habe um meinen Dispo abzubezahlen werde ich jetzt nutzen um mir Rücklagen zu schaffen. Einerseits mittels eines Wertpapiersparplans mit ETFs und andererseits mit monatlichen Einzahlungen auf mein Tagesgeldkonto. Die Summe wird sich auch noch zeitnah erhöhen, da ich eine Gehaltserhöhung bekomme und ich das gesamte Einnahmen Plus sparen will.

Und in meiner Werkstatt hat sich auch ein kleines Umdenken eingestellt. Einerseits hab ich durch vergangene Projekte mittlerweile so viel Restmaterial, das ich gar nicht mehr immer zum Holzhändler rennen muss, wenn ich was Neues anfange. Andererseits hab ich mittlerweile einen sehr guten Status Quo an Werkzeugen und Maschinen, weswegen ich quasi keine Neuanschaffungen mehr tätigen muss. Zudem versuche ich auch hier jetzt einen gewissen frugalistischen Ansatz zu verfolgen (Braucht es das Werkzeug jetzt wirklich? Kann ich das nicht auch anders lösen? Welche Alternativen hab ich vielleicht schon?). Zusätzlich hab ich das Glück, dass meine Großeltern einen Sparvertrag für ihre Enkelkinder angelegt haben, der recht zeitnah fällig wird. Dieses Geld will ich wieder in die Werkstatt investieren, hauptsächlich um ein paar größere Projekte realisieren zu können und damit mein Portfolio/Blog/Social Media weiter aufzubauen und damit meinem Ziel der Selbstständigkeit näher zu kommen.

Kommen wir zum Schluss noch zu meinen Wohnkosten:
Die sind im Vergleich zum Studium ca. 2,5-mal so hoch, was ganz schön viel ist und auch mit 64% den dicksten Posten in meinen monatlichen Fixkosten ausmacht. Aktuell wohne ich zwar alleine in einer 2-Zimmer-Wohnung, aber meine Warmmiete ist recht niedrig und der Vergleich mit meinem WG-Zimmer im Studentenwohnheim ist vielleicht auch etwas extrem. Strom, Gas, Internet und GEZ schlagen aber alleine wohnend doch ordentlich zu Buche. Was und ob ich etwas mache, weiß ich noch nicht. Ich spiele da momentan einige Ideen durch, aber mache mir da keinen Stress, zumal der Status Quo recht gut ist (kurzer Arbeitsweg, gute Anbindung zu Werkstatt, Innenstadt, Supermarkt und ich kann dennoch schon etwas zurücklegen). Hinzu kommt, dass ich sehr wahrscheinlich in gut 2 Jahren mit meiner Freundin zusammen ziehen werde. Dadurch senken sich die Wohnkosten (und auch die Kosten für Bahntickets) hoffentlich deutlich.
Dennoch will ich bis Weihnachten mal radikal ausmisten. Das meiste werde ich wohl mit den Tipps von Oliver per eBay verkaufen und 50/50 (oder doch 70/30 ?!?) ins Depot und in die Werkstatt stecken.

Das war es erstmal von mir. Ich hoffe es war nicht zu langatmig.
Ich bin recht froh über den Blog gestolpert zu sein. Meine Hemmschwelle/Angst endlich Geld in ETFs zu investieren ist durch die guten Artikel gesunken, vor allem auch weil ich die Vorteile sehe. Zudem wurden mir an einigen Stellen die Augen geöffnet und an anderen hab ich gemerkt, dass ich mit vielem auf keinem so schlechtem Weg war/bin. Aber unbezahlbar ist die Motivation, die es mir gegeben hat endlich anzufangen nicht nur von Monat zu Monat zu denken, sondern langfristig. Ich werde zwar zeitnah meine Sparquote nicht signifikant erhöhen können, außer ich mache ein paar radikale Veränderungen. Allerdings ist die Hoffnung da, dass ich über meine Werkstatt in den nächsten 1,5-2 Jahren die ersten Einnahmen generiere, was dann automatisch meine Sparquote erhöht.

Liebe Grüße
AlConnel

Willkommen AlConnel,

na solange man einen Plan hat läuft es schon irgendwie und es liest sich so, als ob es bei dir funktioniert.
Klar man muss immer etwas nachjustieren, aber das kommt von alleine.

Ich kann dir einen Tip mitgeben, den ich mitlerweile auf alles was ich kaufe oder habe anwende.

Gehen wir mal davon aus, das du jeden Gegenstand den du besitzt auch brauchst. Oder du wendest das nur auf einen Teil der Gegenstände an.
Nun hat jeder Gegenstand einen gewissen verschleiß und muss zwangsläufig irgendwann ersetzt werden, wenn man den dann noch braucht.
Wenn du jetzt für jeden größeren Gegenstand, kleine fasst du in Gruppen zusammen, eine erwartete Lebenszeit kalkulierst, weißt du wieviel Geld du wann ungefähr brauchst um diesen zu ersetzt. Ob du dann monatlich oder jährlich die Rücklage bildest musst du dir überlegen, ich mache das monatlich.
Das Ergebnis ist, das du keinen Stress mehr hast wenn etwas kaputt geht. Bei mir wären das z.B. Weißgeräte, Auto, Möbel oder PC.
Das lässt sich aber letztlich auf alles adaptieren das du nicht monatlich zahlen musst, z.B. Versicherungen, etc.

Für dich sehe ich da ganz klar deine Maschinen in der Werkstatt. Erstrecht wenn du diese als Investition verstehst, ist das ein sinnvolles Vorgehen.
Netter Nebeneffekt, du kannst die Kosten deines Werkzeugs pro Monat beziffern und einkalkulieren, falls du das was du baust verkaufen willst.

PS. Ich lege kurzfristige oder nicht planbare Rücklagen in mein Tagesgeld und langfristige (min 12 Monate) ins Depot. Sodass meine Rücklagen wenn möglich zusätzlich eine Rendite abwerfen und nicht nur rumliegen. Vorallem wenn man nicht weiß wie lange die Gegenstände genau halten. bei der Vorgehensweise empfehle ich aber ein gewisses Depot-Polster im Tagesgeld einzurichten, damit du wichtige Gegenstände sofort ersetzen kannst und eine Depot-Entnahme dann machst wenn es sinnvoll ist um den Puffer wieder auszugleichen. Schließlich sollen deine Gegenstände nicht bestimmen wann du etwas im Depot verkaufst.

Hey,

ich finde deine Geschichte toll. Und zwar weil du genau weisst wofür du deine Freiheit nutzen möchtest, und es gleich angehst. Denn es gibt für alles eine Zeit, die auch vorbeigehen kann.

Mit 40 in Rente klingt toll, aber wenn es keinen Plan gibt was man dann mit der gewonnenen Zeit macht könnte es schnell langweilig werden oder gar angesichts Sinnlosigkeit in die Depression führen. Klingt das für euch unlogisch, bescheuert, abwegig?

Ich hab den Frugalisten-Weg eingeschlagen bevor es das Wort gab vermutlich... und ich hatte auch eine Idee was ich dann machen will. Aber was soll ich sagen, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Nach 20 Berufsjahren in einem tollen Unternehmen ist es nicht leicht alles hinzuschmeissen an was man sich in 20 Jahren so gewöhnt hat. Arbeit macht auch Spass, die netten Kollegen und immer was zu tun wo ich glücklicherweise auch kreativ und eigenständig sein kann. Meine früheren Pläne funktionieren heute gesundheitlich nicht mehr.

Umsonst Frugalist? Irgendwie schon. Aber klar, sich finanziell frei zu fühlen ist besser als sich nicht frei zu fühlen, selbst wenn man mit der gewonnenen Freiheit gar nicht wirklich was anfangen kann, oder zumindest nicht das was man sich mal vorgestellt hat. Und was anderes habe ich noch nicht gefunden.

Wir werden sehen.

Anyway, toller Blog, tolle Beiträge!

liebe Grüsse, Oli

 

@niels
Das ist ne gute Idee, das auch im privaten Bereich zu machen. Im geschäftlichen Umfeld ist das als Abschreibung ja ganz normal. Das werde ich in mein Budget mit einkalkulieren. Bzw bei den Maschinen ist das definitiv auch wichtig. Bei meinen Handwerkzeugen hab ich auf Qualität geachtet, die werden mich (bei entsprechender Pflege) hoffentlich bis an mein Lebensende begleiten.
Wie meinst du das bzgl Depot-Polster und Entnahme? Im Depot den Betrag das Tagesgeld Kontos als Puffer lassen und wenn was kaputt geht es erstmal aus dem Tagesgeld bezahlen und sobald es günstig ist, das Tagesgeld wieder mit einer Depot Entnahme aufzufüllen? Wäre definitiv keine schlechte Idee. Erstmal muss ich aber mal was aufbauen 😀

@oli
Ja ich will nicht bis zu einem (wahllos) bestimmten Zeitpunkt warten, um mir (m)einen Traum zu erfüllen. Dann fiebere ich nicht diesem Zeitpunkt X entgegen, sondern dem nächsten Tag, weil da wieder was Spannendes ansteht. Aber ich kann das verstehen. Mein Hauptberuf ist super. Nette Kollegen, gutes Gehalt, geregelte Arbeitszeiten, recht abwechslungsreich. Es wird auch nicht leicht für mich sein, da aufzuhören und mich selbstständig zu machen. Aber mal sehen, vielleicht kann ich mich über reduzierte Stunden/Teilzeit ja langsam umstellen. Das sind die von Niels erwähnten Nachjustierungen.
Mit der Rente wird bei meinem Vater noch spannend, da er quasi keine Hobbys hat und in seiner Arbeit voll aufgeht. Das wird noch ein harter Schritt für ihn werden.

Danke für euren Input.

LG AlConnel

Ja so meinte ich das. Ich habe das unten noch etwas ausgeführt 😉
Natürlich alles Schritt für Schritt. Ich mache das seit 2 Jahren und es funktioniert ziemlich gut. Dauert aber eine Weile das aufzubauen und überhaupt zu definieren für was man Rücklagen haben möchte. Ich arbeite mit Kategorien in meiner Banking Software, die auf dem Verwendszweck basieren. Dadurch kann ich das autmatisiert je Kategorie Summieren lassen und habe einen Überblick. Aber der Anfang braucht Gehirnschmalz 😉

Der Gedanke ist, wenn man größere Beträge als Rücklage bereithält, sollen diese auch eine Rendite bringen. Alleine schon um auf x Jahre gesehen durch die Inflation nicht an Wert zu verlieren. Nun kann man schlecht voraussagen wann etwas ersetzt werden muss, man weiß nur das es irgendwann so sein wird. Hat man nun das Geld in einem Depot müsste man es dort ja zu der Zeit entnehmen zu der der Gegenstand ersetzt wird und hat somit keinen Einfluss mehr darauf wann dieser Zeitpunkt ist. Das ist dann gleichbedeutet damit das deine Gegenstände entscheiden wann du Geld aus deinem Depot entnimmst und nicht du. Also gibt es zwei Möglichkeiten damit umzugehen wenn einem das gerade zu dem Zeitpunkt nicht passt.
1. Man ersetzt den Gegenstand erst wenn man Geld aus dem Depot entnehmen will. Ist meiner Meinung nach ziemlich unrealistisch, denn dann hätte man auch keine Rücklage dafür gebraucht.
2. Man ersetzt den Gegenstand von anderem Geld und ist somit in der gleichen Situation wie als wenn man keine Rücklage hätte. Gut das ist zumindest keine verschlechterung der Situation.
Nun wäre Punkt 2 aber keine Überraschung, sondern planbar. Bedeutet wenn man für diesen Fall bereits eine Puffer-Rücklage hätte, deren einziger Zweck darin besteht, die Rücklage im Depot zeitlich vom Zeitpunkt des Ersetzen des Gegenstandes zu entkoppeln, würden man besser dastehen. Dieser Puffer wäre kleiner als die gesamten Rücklagen, denn es ist unwahrscheinlich das alles auf einmal ersetzt werden muss, und daher ist es nicht so tragisch das dieser Puffer im Tagesgeld liegt und keine Redite bringt.

Wie du schon erkannt hast, ist der wichtige Punkt, das man das Geld hat und sichergestellt ist, das es nicht für etwas anderes verwendet wird.
Unternehmen machen das, unabhängig der Abschreibung, die ja mehr eine steuerliche Fixierung hat, zur Existenzsicherung und Risikovorsorge, also warum nicht auch privat 😉