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Neiddebatte : Frugalisten sind reich, sie müssen nicht arbeiten, man kann ihnen etwas wegnehmen

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Ich finde leider die Doku nicht mehr ... Vor einigen Jahren habe ich mal eine mehrteilige Doku im Fernsehen gesehen, die mich so richtig frustriert hat. Da wurden die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte beleuchtet und es war zu sehen: Immer mehr Geld wird nach oben transferiert, nicht, wie Ihr hier denkt, nach unten zu den Armen.

Falls jemand die Doku kennt, bitte teilt den Link.

Dass der Spitzensteuersatz seit Jahren nicht mehr angehoben wurde und man ab 55k p.a. zu den Besserverdienenden gehört ist wirklich tragisch.

Bei der Quellensteuer ist sicher noch Luft. Die Schweiz und einige andere Länder in Europa haben ja heute schon einen höheren Satz.

@Lex: Dass bei steigenden Nebeneinkünften/Passiveinkünften der Angestelltenjob sich immer weniger lohnt ist richtig. Deshalb macht es ja sogar richtig sinn ein paar Jahre früher aufzuhören wenn man entsprechend Vermögen aufbauen konnte.
Derzeit habe ich durch freiwillige Rentenzahlungen, Investitionen in Immos und anderen Dingen wie Deferred Compensation Werbungskosten von gut 40-50k p.a.. Da ist das mit dem Angestelltenjob zumindest steuerlich ok.

Zitat von Christine am 7. Oktober 2020, 10:51 Uhr

Ich finde leider die Doku nicht mehr ... Vor einigen Jahren habe ich mal eine mehrteilige Doku im Fernsehen gesehen, die mich so richtig frustriert hat. Da wurden die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte beleuchtet und es war zu sehen: Immer mehr Geld wird nach oben transferiert, nicht, wie Ihr hier denkt, nach unten zu den Armen.

Falls jemand die Doku kennt, bitte teilt den Link.

Das sehe ich auch so und wollte das beschreiben. Der Mittelbauch ist gearscht -Stichwort gefreezter Spitzensteuersatz-. Die Transferempfänger ganz unten und die eher Vermögenden haben es nicht so schlecht in Deutschland.

Zitat von Muslime_Frugi am 7. Oktober 2020, 9:42 Uhr

Achim_G.

das ist doch quatsch und wenn du in der Welt rum gekommen bist weißt du auch.

Deutschland ist Gott sei Dank ausgewogener als viele andere Länder.

Wo werden die Großen und Reichen bevorzugt? In der Coronakrise werden die Großen mit Milliarden gestützt (Lufthansa/TUI und Co.) und die kleinen Branchen (Freischaffende, Künstler, Gastro und Co.) gehen weitgehend leer aus.

Die Gehaltsabschlüsse nach Tarif gehen immer noch prozentual. D.h. die oberen Gehaltsgruppen profitieren absolut mehr. Die KAP Steuer liegt unter der durchschnittlichen Besteuerung von Arbeitseinkommen. Sprich Kapitaleinkünfte werden Arbeitseinkünften bevorzugt.

Das alle unteren Einkommen und Erwerbslosen nur protzen, trinken und rauchen ist wohl übertrieben und stigmatisierend. Reich durch Arbeit ist schwierig, aber ein gewisser Wohlstand und einige Jahre früher mit dem Arbeiten ist möglich. Geht aber meist nur mit sparsamem Konsum.

@muslime_frugi

Ich meine nicht die Firmen, sonder ( mal völlig von Corona abgelöst) die Besteuerung und Bestrafung von hohen Einkommen.

 

Lex hat das richtig verstanden "Dennoch folge ich eher der Sicht von Achim_G.  Er bezieht sich wohl auf Einzelpersonen welche durch ihre Ausbildung und Arbeitsleistung ein höheres Einkommen generieren. Hier wird wirklich seitens des Staats massiv abgeschöpft.  Unserer Spitzensteuersatz wird bereits ab 55.000 Euro erhoben von dem Grenzsteuersatz für Nebeneinkünfte und Mieteinnahmen mal ganz absehen."

 

Anstatt den generellen Wohlstand anzuheben, verfällt die deutsche Regierung immer mehr einer Ungleichbehandlung zwischen Arm und Reich.

Mit wenig Einkommen bekommt man unzählige Zuschüsse und Vergünstigungen, die höheren Einkommen versagt bleiben. Wohngeld, Kinderbetreuung, Klassenfahrten, , GEZ Befreiung, verbilligter ÖPNV, u.s.w.

Dieses sind alles ganz normale Leistungen, für die für jeden Bürger der gleiche Preis gelten sollte.

Meine Frau arbeitet im Kindergarten. Auch hier gibt es schon eine schlechte Stimmung zwischen den Eltern, warum Familie A das Mittagessen bezahlen muss, und Familie B es um Sonst bekommt.

Wenn ich das wieder treibe, müsste man irgendwann beim Kauf eines Fernsehers die Gehaltsabrechnung und einen Bankauszug vorlegen, danach richtet sich dann der Preis ? Diese Entwicklung halte ich für nicht korrekt.

So was gibt es auch in anderen Ländern, sicher. Aber, wenn die Deutschen das dort sehen, schreit man sofort Abzocke und Betrug.

Ich habe mich mal mit einem Landsmann vor dem Taj Mahal in Agra in die Haare gekriegt, weil er sich lautstark darüber aufregte , das der Eintrittspreis für Nicht-Inder 8 mal sich hoch war wie für Inder.

Der Unterschied zwischen Arm und Reich in Deutschland ist mit Sicherheit geringer als in vielen anderen Industrienationen. Auch die Unterschiede der Gehälter sind nicht so dramatisch wie in anderen Ländern. Ein Abteilungsleiter in Deutschland verdient wahrscheinlich , zumindest aus meiner Erfahrung, irgendwo zwischen 20 und 100 % mehr als seine Mitarbeiter. Ich habe schon in Ländern gearbeitet, wo das mal direkt zwischen 200 und 500% waren.

Was jetzt besser oder schlechter ist, darüber lässt sich sicher diskutieren, aber woher das kommt ist völlig klar, der deutsche Staat nimmt ( mehr als andere) von den Reichen ( Definition Reich = Verdienst mit Spitzensteuersatz, der ja in Deutschland schon bei lächerlichen 55k greift, wie oben jemand geschrieben hat)  und gibt es den Armen

Ja genau Achim, es geht nicht um arm vs. reich. Der Mittelbau ist in D der Gelackmeierte. Das sind auch die Leute die bei deiner Frau im KiGa gefrustet sind sind genau dieser Mittelbau der Gesellschafft - und ich kann sie verstehen

Ich sehe derzeit den allgemeinen Trend, dass sich viele "Interessengruppen" gerne als Opfer generieren um mit den eigenen Argumenten mehr Gehör zu finden.

Ich lehne derlei Gedankengang grundsätzlich ab, da mir stets frei steht meine Interessengruppe, oft sogar das eigene Lebensumfeld, zu verlassen (nun ja, von arm nach reich wechseln ist natürlich nicht so durchlässig ) und mich derjenigen anzuschließen der es angeblich viel besser geht. Ich fühle mich wohl, genau da wo ich derzeit bin, und ich glaube den meisten hier (Frugalisten sowieso, bei den FIRE-Leuten  mag das anders aussehen) geht es auch so, also "so what"?

Ich hatte das an anderer Stelle schon mal ausgeführt: Aus der Spieletheorie geht hervor, dass reich zu werden meist eher mit Glück zu tun hat und viel weniger mit Können, eben so genau nicht, wie es die meisten für sich reklamieren die es geschafft haben. Ein Reset der Vermögensverteilung ist also ein opportunes Mittel dem zu begegnen. Die Frage ist: Wie? Dauerhaft höhere Besteuerung der Reichen oder alle 20 Jahre z.B. 33,33 % abgeben? Kurzum: Ein Transfer von oben nach unten ist nicht nur fair, er ist auch Bedingung, wenn man langfristig eine stabile Gesellschaft und dauerhaften hohen Wohlstandsstatus für möglichst viele, am besten für alle erhalten bzw. überhaupt mal realisiert haben will.

Ein Geldtransfer, wie hier auch jemand geschrieben hat von unten nach oben, den gibt es meiner Meinung nach nicht. Vielmehr ist es einfacher wenn man gut gebildet und in besten Verhältnissen aufgewachsen ist sich auch bei den Reichen einfacher zu etablieren. Stichworte ist insbesondere Finanzbildung oder Finanzbeeratung, die sich Ärmere nicht leisten können. Der Reichtumszuwachs, den wir derzeit sehen weltweit, ist auf Basis Investivkapital, also dank Aktien oder eigener Firma  enstanden. Daraus fließen Dividenden, also Einkommen für die, die da Anteile halten, also meist sowieso schon die Reichen. Die Vermögensschere geht deshalb auseinander, da viele außer Erwerbseinkommen keine weiteren Einkommen generieren. Ein Zwangsstaatsfonds in den alle einzahlen müssen (vom Gehalt) und der dann die Einlagen am Kapitalmarkt (Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen) anlegt wäre eine weitere Idee, Einkommen für Ärmere zu generieren.

Zuletzt: Stichwort Steuer: Ich habe nicht den Eindruck, dass zu viel oder zu wenig Steuer bezahlt wird, ich kann das sozusagen gar nicht einschätzen, jedoch sehe ich als Hauptpunkt der alle betrifft die Steuerungerechtigkeit zwischen dem braven Steuerzahler und den Steuervermeidern, im Sinne von Schwarzarbeit oder Steuerflüchtlingen. Wenn hier mal die staatliche Power ansetzten würde, dann wäre das ein riesen Schritt nach vorn, entweder mehr Geld für Umverteilung Richtung Arm zu haben oder Steuersenkungen auch für die, die jetzt schon glauben zu viel zu bezahlen. Somit Eingangsthema: Ja, der Staat wird sich das Geld was er braucht dort holen, wo es am einfachten ist: Die, die arbeiten und sowieso per Arbeitgeber monatliche Meldungen machen. Alles andere ist ihm meist zu unbequem und aufwändig; siehe oben, also die üblichen Themen wie Cum-Ex, Off-shore-Kapital, Schwarzarbeit, Lohndumping verfolgen, Umsatzsteuer Chinadirektimporte, ....

j

Zitat von Achim_Global am 7. Oktober 2020, 11:24 Uhr

 

Mit wenig Einkommen bekommt man unzählige Zuschüsse und Vergünstigungen, die höheren Einkommen versagt bleiben. Wohngeld, Kinderbetreuung, Klassenfahrten, , GEZ Befreiung, verbilligter ÖPNV, u.s.w.

Dieses sind alles ganz normale Leistungen, für die für jeden Bürger der gleiche Preis gelten sollte.

Meine Frau arbeitet im Kindergarten. Auch hier gibt es schon eine schlechte Stimmung zwischen den Eltern, warum Familie A das Mittagessen bezahlen muss, und Familie B es um Sonst bekommt.

Exakt. Es scheint eine deutsche Besonderheit zu sein, handfeste Vorteile zu genießen, wenn man sich geschickt als arm/schwach/bedürftig präsentiert. Mein Lieblingsbeispiel sind Nachhilfestunden: Dafür müssen normale Eltern tief in die Tasche greifen, während Hartz IV-Familien diese geschenkt bekommen (unter der Voraussetzung, dass die Versetzung gefährdet ist).

Hab ich in keinem anderen Land erlebt.

Zitat von bouldering am 7. Oktober 2020, 16:55 Uhr

Mein Lieblingsbeispiel sind Nachhilfestunden: Dafür müssen normale Eltern tief in die Tasche greifen, während Hartz IV-Familien diese geschenkt bekommen (unter der Voraussetzung, dass die Versetzung gefährdet ist).

Hab ich in keinem anderen Land erlebt.

In Finnland muss niemand für Nachhilfe bezahlen, das ist Aufgabe der Schule.
https://myyratohtori.wordpress.com/2017/11/22/wollsocken-im-klassenzimmer-2/

https://www.focus.de/familie/schule/bildungspolitik/der-verklaerte-blick-auf-den-schulerfolg-bildungsreform_id_1878916.html

Aber da würden die Deutschen dann wieder meckern, weil "das alles mit meinen Steuern finanziert wird, obwohl mein Kind doch gar keine Nachhilfe braucht." Eine leider typisch deutsche Weltsicht. Man kann nicht einfach sagen "mir geht es finanziell gut, ich kann es bezahlen und wem es nicht so gut geht, dem soll geholfen werden".

@ Christine: Ob die weiteren Bedürftigen-Vorteile wie Achim sie oben skizziert hat, in der Summe auch so umfangreich in Finnland vorhanden sind? Das bezweifle ich. Und selbst wenn: Die Skandinavier sind allesamt  Zwergstaaten und damit ein Sonderfall, mit speziellen kulturellen und historischen Voraussetzungen.

Zitat von Achim_Global am 7. Oktober 2020, 8:15 Uhr

Leistung wird in Deutschland bestraft...

Das muss man im Einzelfall betrachten, aber so allgemein besprochen sehe ich das nicht.

Die Einkommenssteuer ist schon sehr früh bei 42% gedeckelt. (die 45% kommen erst sehr viel später)
Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sind gedeckelt (was ich auch für sinnvoll halte)
Kapitalerträge werden pauschal mit nur 25% (+Soli) besteuert, den mit 100.000 Euro/a Kapitalerträgen trifft es kaum härter als den mit 10.000 Euro/a Kapitalerträgen (der Freibetrag ist ja sehr überschaubar)
Eine selbst bewohnte Immobilie wird hierzulande fast garnicht besteuert (vgl z.B. Schweiz oder viele US Bundesstaaten), sondern teils massiv subventioniert, auch Wertentwicklungen werden nicht besteuert.
Pendeln führt zur Reduktion der Steuerlast, je weiter weg und je höher das Einkommen desto größer die Subvention.
Erbschaften werden hierzulande kaum/nicht besteuert
Vermögen werden nicht besteuert.

Wie man es dreht und wendet:
Grundsätzlich leben wir schon in sehr privilegierten Zeiten in einem sehr privilegierten Land, wenn die Sorge eines normalen Arbeitnehmers die ist, dass man im Alter auf seinen Reichtum zu hohe Steuern bezahlen könnte. Frühere Generationen hatte in jeder Generation einen großen Krieg, der vielen "normalen Leuten" einfach mal alles genommen hat, oftmals auch gleich noch das Leben mit dazu.

Alleine schon die Option, dass es mathematisch möglich ist, dass ein durchschnittlicher Angestellter mit einem durchschnittlichen Einkommen bei gleichzeitig bester Absicherung und gesellschaftskompatiblem Konsum/Verhalten sowie gesundem Leben gegen allen möglichen Unbill des Lebens tatsächlich mit 40 Jahren nicht mehr von einem Erwerbseinkommen abhängig sein müsste(!) ist doch geradezu phänomenal. In wie vielen Ländern war das jemals möglich? Zu welchen Zeiten war das jemals möglich?

Ich meine damit Durchschnittswerte, nicht den lonely survivor, der zufällig mit der richtigen 1 von 1000 Strategie mal eben schnell seine Million gemacht hat, sondern den Verdiener mit Durchschnittseinkommen, der sein Geld nur mit der durchschnittlichen Rendite vermehrt, durchschnittlich alt wird und dabei auch mal schwer krank wird.

Olivers Beispiel des frugalen Lebensstils kommt meiner Generation natürlich schon speziell vor (kein Auto, keine Fernreisen, selber kochen, wenig dies, wenig das...), vermutlich war das aber in den 80ern (der guten tollen alten Zeit) wahrscheinlich ein ganz normales Leben und ein ganz normales Konsumverhalten. Dazu kommt noch der allgemeine technologische Fortschritt bei Themen wie Internet/Medien, Flugreisen für jedermann, Umweltschutz (bessere Luft- und Wasserqualität), Fortschritte in der Medizin, usw, usf... die man heute ja zusätzlich noch genießen kann.

Die Unzufriedenheit unserer Zeit resultiert doch vor allem in den elendigen Vergleichen. Die Leute sind immer solange zufrieden bis sie mitbekommen, dass ein anderer es womöglich besser hat und das empfinden sie dann als ungerecht.
Das funktioniert in alle Richtungen: Warum verdient X doppelt so viel als ich, der leistet doch sicherlich nicht doppelt soviel, warum bekommt Y etwas umsonst, was ich bezahlen muss, warum hat der ein größeres Auto und die eine größere Wohnung.
Dabei hat man das Phänomen, dass man vermeintlich negative Vergleiche wesentlich(!) stärker gewichtet als Vergleiche, bei denen man selber positiv abschneidet.

Mein Vater ärgert sich z.B. über die Krankenkassenbeiträge, die er als Rentner bezahlen muss. Dabei hat er in seinem Leben durch sehr schwere Krankheit kosten von weit über 1 Million Euro verursacht und ohne eben dieses System wäre er tot oder pleite.

MfG

Zitat von Achim_Global am 7. Oktober 2020, 8:15 Uhr

Das die meisten Wohlhaben Menschen deshalb wohlhabend sind, weil Sie hart gearbeitet haben, sparsam gelebt haben, und viel gespart haben, anstatt Ihr Geld für Alkohol, Zigaretten, gebrauchte Protz Autos und das letzte Top Handy auszugeben wird ignoriert.

Das ist Quatsch. Die meisten sehr Vermögenden haben das entweder geerbt oder hatten eine Menge Glück

@cepha

Ein Medianarbeitnehmer geht Vollzeit arbeiten und erhält 2500 brutto, also 30.000 im Jahr. Steuer+Sozialversicherung (Kl.1) liegen bei 10.000 im Jahr. Er bekommt netto 20.000 im Jahr. Da mit 40 in "Frugalisten-Rente" gehen zu können erfordert schon erhebliche Sparmassnahmen...du stellst das etwas zu "einfach" dar in deinem Beitrag für diese Einkommensgruppe finde ich. Zumal man als Berufseinsteiger erstmal weniger bekommt.

Und den grossen Knackpunkt, den ich in der Neiddebatte aus gesellschaftlicher Sicht sehe, ist schlicht der folgende: der Medianarbeitnehmer geht nunmal Vollzeit arbeiten. In der Regel bis zur Rente. Er zahlt dabei 1/3 seines Gehalts in die Sozial-/Steuertöpfe, sprich die Gemeinschaft. Der Frugalisten-Rentner, hat prozentual bei angenommenen gleichem Bruttoeinkommen durch Dividende eine geringere Abgabenlast. Je nach Krankenkassenbeitrag. Dafür mit der Dividende höhere Rente.

Doch das sind nur die reinen Geld-Leistungen bzw. Einkommen verglichen. Die Neiddebatte in der Gesellschaft ist viel mehr: der Arbeitnehmer arbeitet jeden Monat ca. 160h. Und diese Arbeit, unabhängig jeglicher €-Werte/Zahlen und ob fair bezahlt oder nicht, hat je nach Beruf natürlich einen erheblichen gesellschaftlichen Wert. Denn jemand muss ja Infrastruktur, Versorgung usw. usw. sicherstellen. Denn der Dividendenempfänger leistet an genau diesem Punkt 0.

Ich habe das mal so deutlich versucht getrennt formuliert, weil es das ist, was meiner Meinung nach die Neiddebatte in der Regel am Laufen hält - nicht, ob der eine nen Euro mehr oder weniger abgibt, oder ne Leistung geschenkt bekommt die der andere bezahlen muss. Sondern der grundsätzliche Unterschied, dass der eine arbeitet und im Grunde alles (er)wirtschaftet, und der andere muss das eben nicht - ob H4, Frugalisten-Rentner, Lotto-Millionär oder Vermögenserbe - man kann es drehen und wenden wie man will, für den Median-Arbeitnehmer in Vollzeit ist es immer ungerecht völlig egal ob die Euro-Abgabenlast exakt gleich ist oder mal mehr hier oder da ist - die "anderen" müssen "nix tun" um einfach "zu leben". Und deshalb wird diese Neiddebatte nie enden, egal was man steuerlich/Abgabentechnisch macht. Denn der Arbeitnehmer holt am Ende immer den Müll ab oder backt die Brötchen, nicht nur für sich, sondern eben immer für alle o.g. ebenfalls mit. Das ist meiner Meinung nach der tiefere Ursprung dieser Debatte und der Grund, das sie nie ein Ende haben wird.

Zitat von Stoliver am 7. Oktober 2020, 8:52 Uhr
Zitat von Achim_Global am 7. Oktober 2020, 8:15 Uhr

Das die meisten Wohlhaben Menschen deshalb wohlhabend sind, weil Sie hart gearbeitet haben, sparsam gelebt haben, und viel gespart haben, anstatt Ihr Geld für Alkohol, Zigaretten, gebrauchte Protz Autos und das letzte Top Handy auszugeben wird ignoriert.

Ui... dieser Satz kann höchstens wahr werden bei einer besonderen Definition von "wohlhabend". Magst du mir die Quelle für diese Information nennen? Reichtum (mindestens ab "Millionär") wird tendenziell eher vererbt, statt erarbeitet & erspart.

Also in den USA ist das denke ich relativ problemlos moeglich $1Million net worth von 0 aufzubauen.

Z.b. Ich verdiene hier als Alleinverdiener unseres Haushalts ca. 100T im Jahr fuer mehr oder weniger den gleichen Job bei dem ich in Deutschland knapp 50T verdient habe. Davon duerfen wir als Familie ca. 20T vorsteuerlich in Wertpapieren anlegen und das Geld darf auch steuerfrei wachsen (es wird erst im Rentenalter bei der Entnahme einzelner Auszahlungen besteuert, als ganz normales Einkommen). Weitere 12T pro Jahr nach steuern duerfen weiterhin eingezahlt werden die auch steuerfrei wachsen. Alles danach muss 'normal' angelegt werden. Aber auch da bleibt mehr ueber zum anlegen als ich es von Deutschland kannte, denn es gibt es noch die Standard deduction, HSA u.s.w. mit dem man das zu versteuernde Einkommen weiter reduzieren kann - lange Rede kurzer Sinn zahlen wir am Ende des Tages effektiv 9% Steuern auf das Bruttoeinkommen.

Hinzu kommt dass Haeuser deutlich billiger sind. Diese ganzen Faktoren plus die Tatsache dass viele ein doppeltes Einkommen haben, also eher Richtung 150T im Jahr unterwegs sind, macht es vielen moeglich dass ohne Erbe zu erreichen.

Ich wuerde gerne irgendwann wieder nach Deutschland zurueckkehren weil mir vieles an den USA nicht passt, aber finanziell graut mir davor.

Zitat von Michael321 am 7. Oktober 2020, 21:18 Uhr

@cepha

Ein Medianarbeitnehmer geht Vollzeit arbeiten und erhält 2500 brutto, also 30.000 im Jahr. Steuer+Sozialversicherung (Kl.1) liegen bei 10.000 im Jahr. Er bekommt netto 20.000 im Jahr. Da mit 40 in "Frugalisten-Rente" gehen zu können erfordert schon erhebliche Sparmassnahmen...du stellst das etwas zu "einfach" dar in deinem Beitrag für diese Einkommensgruppe finde ich. Zumal man als Berufseinsteiger erstmal weniger bekommt.

Wer sagt denn, dass ein Medianarbeitnehmer in Vollzeit arbeitet? Soweit ich weiß, werden in der Statistik auch Teilzeit-, und sogar Nebenjobs erfasst (mache mir mal auch nicht die Mühe, einen Beleg zu finden...). Die Hälfte der Menschen sind schon mal Frauen, die oftmals in der undankbaren Situation sind, sich mehr um Kinder und Haushalt kümmern zu müssen - daneben geht oft nur ein Teilzeitjob. Dann gibt es auch noch Studenten mit 450€ Jobs, Rentner mit Nebenjobs. So richtig einfach ist es natürlich nicht, so viel zur Seite zu legen, um davon leben zu können, aber wenn man so leben wollte, wie "einfache Leute" 1960 (nur mal Häuser anschauen, die auf dem Land zur Zeit frei werden, die bisher von Jahrgängen um 1935 bewohnt wurden...), wäre es in Reichweite. Die Bundesrepublik Deutschland um 1960 war jetzt die gute alte Zeit....

Doch das sind nur die reinen Geld-Leistungen bzw. Einkommen verglichen. Die Neiddebatte in der Gesellschaft ist viel mehr: der Arbeitnehmer arbeitet jeden Monat ca. 160h. Und diese Arbeit, unabhängig jeglicher €-Werte/Zahlen und ob fair bezahlt oder nicht, hat je nach Beruf natürlich einen erheblichen gesellschaftlichen Wert. Denn jemand muss ja Infrastruktur, Versorgung usw. usw. sicherstellen. Denn der Dividendenempfänger leistet an genau diesem Punkt 0.

Ich habe das mal so deutlich versucht getrennt formuliert, weil es das ist, was meiner Meinung nach die Neiddebatte in der Regel am Laufen hält - nicht, ob der eine nen Euro mehr oder weniger abgibt, oder ne Leistung geschenkt bekommt die der andere bezahlen muss. Sondern der grundsätzliche Unterschied, dass der eine arbeitet und im Grunde alles (er)wirtschaftet, und der andere muss das eben nicht - ob H4, Frugalisten-Rentner, Lotto-Millionär oder Vermögenserbe - man kann es drehen und wenden wie man will, für den Median-Arbeitnehmer in Vollzeit ist es immer ungerecht völlig egal ob die Euro-Abgabenlast exakt gleich ist oder mal mehr hier oder da ist - die "anderen" müssen "nix tun" um einfach "zu leben". Und deshalb wird diese Neiddebatte nie enden, egal was man steuerlich/Abgabentechnisch macht. Denn der Arbeitnehmer holt am Ende immer den Müll ab oder backt die Brötchen, nicht nur für sich, sondern eben immer für alle o.g. ebenfalls mit. Das ist meiner Meinung nach der tiefere Ursprung dieser Debatte und der Grund, das sie nie ein Ende haben wird.

Marx und die Mehrwerttheorie in Ehren - aber jetzt legeb wir doch mal ein bisschen die Kapital/Lohnarbeits-Scheuklappen ab. Es gibt auch eine Welt jenseits der Lohnarbeit. Wenn der Lottomillionär auf dem Weg zum Einkaufen die verwitwete Nachbarin trifft, und ein paar Worte mit ihr wechselt, kann das schon einen größeren gesellschaftlichen Mehrwert haben, als viele Jobs, denen man so den ganzen Tag nachgehen kann, und die u.U. dafür sorgen würden, dass man schnell weitergeht, weil Zeit ja Geld ist. Das ist jetzt natürlich die unterste Stufe an gesellschaftlichen Mehrwert, der geschaffen wird, ohne dass jemand dafür ein Gehalt überwiesen bekommt - größere Posten wären Familien, die Kinder großziehen, ohne dafür bezahlt zu werden, Ehepartner pflegen sich gegenseitig, oder machen auch nur den Haushalt, ohne was dafür zu bekommen, auch in Vereinen oder der freiwilligen Feuerwehr passiert viel - ohne dass wer (ernsthaft) Geld dafür bekommt. In Stunden passiert da deutlich mehr, als gegen Geld gearbeitet wird. Ein Privatier kann sich bei solchen Sachen genauso zurückhalten, wie mancher Arbeitnehmer (der dafür u.U. auch nicht so richtig die Zeit dafür hat), muss er aber nicht. Kenne auch Beispiele von Arbeitnehmern, die neben dem Job auch sehr sozial engagiert sind - aber wenn man mit dem Partner spricht, äußert der dann aber schon die Ansicht, dass die (unbezahlte) Arbeit zu Hause mit den Kindern und so dabei schon etwas kurz kommt.

Was das Kapital angeht: Natürlich muss mein Vermieter jetzt nicht den ganzen Tag arbeiten, damit wir Mieter ein Dach über dem Kopf haben, und bekommt dafür sogar noch Geld- aber er musste dafür irgendwann ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Kann man erwarten, dass das irgendwer aus Nettigkeit macht? Wie viel würden Angestellte in der Automobilindustrie verdienen, wenn niemand Geld in die Hand genommen hätte, und moderne Fabriken hingestellt hätte? Wer soll Geld dafür bereitstellen, dass sich jemand auch nur ein Häuschen bauen kann? Ohne dass irgendwer bereit gewesen wäre, Geld in etwas zu investieren, sähe hier alles anders aus. Klar, die Sachen sind schon da, man könnte jetzt kurzfristig sagen: Enteignen wir alle, und die Produktionsmittel gehören - wem? Wer sorgt langfristig dafür, dass da neue Infrastruktur dasteht, neue Maschinen angeschafft werden, (riskant) in Forschung und Entwicklung investiert wird... wenn er selbst nichts davon hat. Die bisherigen Versuche, das irgendwie im Volkseigentum geschehen zu lassen, hatten jetzt nicht die prosperierendsten Volkswirtschaften hervorgebracht - die DDR ist dabei wohl eher ein Beispiel dafür, wo das relativ gut funktioniert hat.

Das ist eine komplexe Geschichte, Lohnarbeit, Kapital/Unternehmertum, Konsum und unentgeltlicher Arbeit sind schwer trennbar miteinander verbunden und hängen voneinander ab. Also Frugalist ist man erstmal auf der Seite des Konsums unterrepräsentiert, und wechselt schön langsam von Lohnarbeit in Richtung Kapital/Unternehmer, und ist nachher halt eher Kapitalist/Unternehmenseigentümer, und hat da auch eine Rolle. Dass der Frugalist sich auch, wenn er von seinen Kapitalerträgen lebt, gesellschaftlich in irgendeiner Form einbringt, ist wünschenswert, ich halte es auch für wahrscheinlich. Die wenigsten wollen dann nur alleine zu Hause sitzen, sozial nicht interagieren, und möglichst nichts konsumieren (wenn man noch anfinge zu beten, käme das einem klassischen Eremiten nahe - in unserer materiellen Welt sehen wir das natürlich als verdammt nutzlos an... aber schweifen wir mal nicht zu weit ab...).

 

Da war ich mit den Begriffe wohl nicht genau genug.

Durchschnittseinkommen (ich schreib durchschnittlich, nicht im Median) einens Vollzeitarbeitnehmers (das schreib ich nicht, dachte aber es wäre logisch) betrig im Jahr 2018 ca. 3700 Euro Brutto im Monat.

Ich schreib auch nicht, dass es "einfach" ist, sondern "mathematisch möglich" und von Konsumverhalten her "meiner Generation natürlich schon speziell vor[kommt]".

Aber das ist doch kein schlechtes Leben. Und in Deutschland kommt eben noch dazu, dass auch mit 75 und einem Dutzend Vorerkrankungen eine preiswerte Krankenversicherung möglich ist, dass man sich nicht bis zu Obdachlosigkeit und Hunger verspekulieren kann, sondern im schlimmsten Fall halt bei ALG II oder Grundsicherung landet.

In welchen Ländern und zu welchen Zeiten war das möglich, dass ein durchschnittlicher Arbeiter, wenn er es tatsächlich darauf anlegt, nur ca. 1/5 seines Lebens arbeiten muss und trotzdem eine schöne Wohnung hat, krankenversichert ist, studieren kann/darf, mehrere Reisen pro Jahr unternehmen kann (natürlich nicht 5 Sterne Hotel am anderen Ende der Welt), gut essen kann (wobei ich hier Olivers Budget zu gering finde) und es einem auch sonst an nichts mangelt, außer natürlich super teuren Statussymbolen wie Designerkleidung, schickes Auto, luxuriöse Möbel, usw...

Es ist richtig, dass hierzulande fast niemand so ein Leben führt und stattdessen halt 35-40 Jahre lang arbeitet um sich das Einfamilienhaus, ca. 10-20 Autokäufe, teures Wohnzimmer, teure Küche (mehrmals), teures Bad, Luxusreisen und ca. 2678 Paar Schuhe vom Lohn kauft und sich darüber ärgert, soviele Steuern zu bezahlen und dass ja am Ende nichts übrig bleibt.

Dass es aber möglich ist zeigt Oliver doch recht anschaulich und das ist ja kein inkompatibles Leben zum großen Rest der Gesellschaft wie ein Aussteiger, der barfuß irgendwo in der Waldhütte haust und sich seit 2 Monaten nicht mehr gewaschen hat.

Dass es ungewöhnlich ist hat wneig mit unserem System zu tun (ganz im Gegenteil ist unser System sogar exzellent geeignet dafür), sondern daran, dass Menschen nun mal nachahmen was andere machen.

Wäre das durchschnittliche Bruttoeinkommen morgen bei 5000 Euro gäbe es auch nicht mehr Frugalisten, sondern die Leute würden halt noch größere Häuser bauen, noch teurere Autos kaufen und dann eben alle 10 Jahre die Küche wechseln satt alle 20 Jahre.
Ich sehe das in meinem Heimatdorf, wo es vielen Leute durch Arbeot in der Automobilbranche recht gut geht.

Die setzen sich da gigantische Häuser mit 250m² und mehr in die Gegend, das ist völlig normal. Darin wohnen dann 3 oder 4 Leute für vielleicht 20 Jahre, bis die Kinder ausziehen (und einem 5-jährigen ist es auch noch recht egal wie groß das Kinderzimmer ist). In der Zeit, in der die Kinder erwachsen sind stehen dann bisweilen 4 Autos für 4 Leute vor der Tür, mancher gönnt sich auch noch einen zusätzlichen Sportwagen oder ein Wohnmobil.

So ein Konsum will finanzieren werden, da reichen dann 15 Jahre arbeiten halt nicht mehr.

Obwohl viele dieser Leute vermutlich zu den Top 10%-Verdienern in Deutschland gehören glauben die ernsthaft, das wäre alles ganz normal. Macht ja jeder so.

MfG

Zitat von n am 8. Oktober 2020, 10:35 Uhr

Marx und die Mehrwerttheorie in Ehren - aber jetzt legeb wir doch mal ein bisschen die Kapital/Lohnarbeits-Scheuklappen ab. Es gibt auch eine Welt jenseits der Lohnarbeit.

Kenne Marx und die Mehrwerttheorie nicht - daher kann ich dazu leider nichts sagen.

 

Zitat von n am 8. Oktober 2020, 10:35 Uhr

Wenn der Lottomillionär auf dem Weg zum Einkaufen die verwitwete Nachbarin trifft, und ein paar Worte mit ihr wechselt, kann das schon einen größeren gesellschaftlichen Mehrwert haben, als viele Jobs, denen man so den ganzen Tag nachgehen kann, und die u.U. dafür sorgen würden, dass man schnell weitergeht, weil Zeit ja Geld ist. Das ist jetzt natürlich die unterste Stufe an gesellschaftlichen Mehrwert, der geschaffen wird, ohne dass jemand dafür ein Gehalt überwiesen bekommt - größere Posten wären Familien, die Kinder großziehen, ohne dafür bezahlt zu werden, Ehepartner pflegen sich gegenseitig, oder machen auch nur den Haushalt, ohne was dafür zu bekommen, auch in Vereinen oder der freiwilligen Feuerwehr passiert viel - ohne dass wer (ernsthaft) Geld dafür bekommt. In Stunden passiert da deutlich mehr, als gegen Geld gearbeitet wird.

Dem stimme ich persönlich uneingeschränkt zu. Das wird aber in der o.g. Neiddebatte, die in unserer Gesellschaft vorherrscht, nunmal so gut wie gar nicht berücksichtigt - vor allem nicht von "der Seite" der Arbeitnehmer. Denn diese vertritt in der Regel die Meinung, er/sie MUSS jede Woche X h arbeiten zu bestimmten Zeiten und auch Dinge tun die ihm ggf. nicht den grossen Spass machen. Die von dir genannten Argumente werden dann in der Regel nicht ernst genommen bzw. beschwichtigt Richtung "Freizeitvergnügen". So zumindest meine Erfahrung wenn so eine Diskussion geführt wird.

Zitat von n am 8. Oktober 2020, 10:35 Uhr

Ein Privatier kann sich bei solchen Sachen genauso zurückhalten, wie mancher Arbeitnehmer (der dafür u.U. auch nicht so richtig die Zeit dafür hat), muss er aber nicht. Kenne auch Beispiele von Arbeitnehmern, die neben dem Job auch sehr sozial engagiert sind - aber wenn man mit dem Partner spricht, äußert der dann aber schon die Ansicht, dass die (unbezahlte) Arbeit zu Hause mit den Kindern und so dabei schon etwas kurz kommt.

 

Ja er kann dies und er kann auch nicht - auch ein H4-Empfänger kann ein fauler Schmarotzer oder ein fleissiger, unverschuldet in Not gekommener Mensch sein. Doch wie ist denn das allgemeine Bild in der Gesellschaft geprägt? Eher ersteres oder letzteres? Dasselbe gilt für alle anderen Gruppen wie auch den Privatier, ist er in unserer Gesellschaft eher ein anerkannter, dem Gemeinwohl nutzender Mensch oder ist das Allgemeinbild eher negativ belegt Richtung faulreich/neureich, Finanzprofiteur/Schmarotzer usw.? Du bringst hier die Argumente als ob hier die Neiddiskussion selbst geführt wird, so hatte ich den Thread aber nicht verstanden. Die Mehrheit wird in der Neiddiskussionn deiner Argumentation nicht folgen, sondern dem gesellschaftlich allgemein geprägten Bild. Und das ist nunmal eher negativ. Denke ich.

 

Zitat von n am 8. Oktober 2020, 10:35 Uhr

Was das Kapital angeht: Natürlich muss mein Vermieter jetzt nicht den ganzen Tag arbeiten, damit wir Mieter ein Dach über dem Kopf haben, und bekommt dafür sogar noch Geld- aber er musste dafür irgendwann ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Kann man erwarten, dass das irgendwer aus Nettigkeit macht? Wie viel würden Angestellte in der Automobilindustrie verdienen, wenn niemand Geld in die Hand genommen hätte, und moderne Fabriken hingestellt hätte? Wer soll Geld dafür bereitstellen, dass sich jemand auch nur ein Häuschen bauen kann? Ohne dass irgendwer bereit gewesen wäre, Geld in etwas zu investieren, sähe hier alles anders aus. Klar, die Sachen sind schon da, man könnte jetzt kurzfristig sagen: Enteignen wir alle, und die Produktionsmittel gehören - wem? Wer sorgt langfristig dafür, dass da neue Infrastruktur dasteht, neue Maschinen angeschafft werden, (riskant) in Forschung und Entwicklung investiert wird... wenn er selbst nichts davon hat. Die bisherigen Versuche, das irgendwie im Volkseigentum geschehen zu lassen, hatten jetzt nicht die prosperierendsten Volkswirtschaften hervorgebracht - die DDR ist dabei wohl eher ein Beispiel dafür, wo das relativ gut funktioniert hat.

Das ist eine komplexe Geschichte, Lohnarbeit, Kapital/Unternehmertum, Konsum und unentgeltlicher Arbeit sind schwer trennbar miteinander verbunden und hängen voneinander ab. Also Frugalist ist man erstmal auf der Seite des Konsums unterrepräsentiert, und wechselt schön langsam von Lohnarbeit in Richtung Kapital/Unternehmer, und ist nachher halt eher Kapitalist/Unternehmenseigentümer, und hat da auch eine Rolle. Dass der Frugalist sich auch, wenn er von seinen Kapitalerträgen lebt, gesellschaftlich in irgendeiner Form einbringt, ist wünschenswert, ich halte es auch für wahrscheinlich. Die wenigsten wollen dann nur alleine zu Hause sitzen, sozial nicht interagieren, und möglichst nichts konsumieren (wenn man noch anfinge zu beten, käme das einem klassischen Eremiten nahe - in unserer materiellen Welt sehen wir das natürlich als verdammt nutzlos an... aber schweifen wir mal nicht zu weit ab...).

 

Der gesamte Block bezieht sich nur auf deine persönliche Position innerhalb der Neiddiskussion - ich gehe da jetzt nicht Punkt für Punkt darauf ein, wir stimmen in einigen Punkten überein und in anderen nicht - nur ich will hier nicht stellvertretend die Neiddiskussion (mehr) selbst führen.

Ich kann mich daher quasi nur wiederholen - die Mehrheit wird deiner Argumentation in der Neiddiskussion nicht folgen, ganz im Gegenteil, die Mehrheit akzeptiert deine Argumente gar nicht und/oder interessiert sich dafür überhaupt nicht. Die Mehrheit sind einfach Leute, die in Vollzeit arbeiten gehen, ihr Leben lang, und erwarten, dass alle anderen das auch tun - und tun andere das nicht, ob nun zu arm/arbeitslos wie H4 oder weil zu reich bzw. anderweitig das Leben finanziert wird - das "warum" andere nicht ihr Leben lang arbeiten, und/oder "wie" sie ihr Leben finanzieren, spielt nicht die grosse Rolle - sondern einfach nur, dass es mehrere kleine Gruppen gibt (abgesehen von Kindern/Jugendlichen und Rentnern), die "offiziell" (=bezahlte=anerkannte) keinerlei Arbeit für die Gesellschaft leisten, sondern von "der Arbeit der normalen Arbeitnehmer leben". Und die "Arbeitnehmerseite" quasi das Gefühl hat, alle durchfüttern zu müssen.

Nochmal: das ist in meinen Augen der absolute Knackpunkt, der dafür sorgt, dass diese Neiddebatte in unserer Gesellschaft nie ein Ende haben wird. Nicht, dass der eine mal nen Euro mehr oder weniger hat oder einzelne Leistungen mal kostenlos und mal kostenpflichtig sind.

Die Neiddebatte selbst führe ich hier ausdrücklich nicht - Sorry, falls mein vorheriger Post falsch rüberkam. Bitte werfe mich nicht mit Angabe mir unbekannter Theorien in irgendeinen Topf - ich habe wiedergegeben, wie meiner Erfahrung nach die Neiddebatte in der Regel abläuft bzw. wie und warum die Mehrheit immer argumentiert, und daraus für mich eine Schlussfolgerung gezogen, warum sie nie enden wird. Und ich möchte in der endlosen Neiddebatte auch keine Position einnehmen und mich daran beteiligen, da sehe ich keinen Sinn mehr 😉

Ich hoffe, du verstehst wie ich es meine

Zitat von truthbelow am 8. Oktober 2020, 5:39 Uhr

Also in den USA ist das denke ich relativ problemlos moeglich $1Million net worth von 0 aufzubauen.

Z.b. Ich verdiene hier als Alleinverdiener unseres Haushalts ca. 100T im Jahr fuer mehr oder weniger den gleichen Job bei dem ich in Deutschland knapp 50T verdient habe. Davon duerfen wir als Familie ca. 20T vorsteuerlich in Wertpapieren anlegen und das Geld darf auch steuerfrei wachsen...

Das ist sicherlich richtig, wenn man jeweils gut verdient. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge in D ist in meinen Augen unnötig komplexer, teurer und teils unfairer Mist.

Ich gehe aber auch davon aus, dass Du mit 1 Mio. USD in den USA mit einer Familie nicht sicher und dauerhaft überleben kannst, das geht nur dann, wenn niemand in Deiner Familie jemals schwer krank wird.

Mit 1 Mio. Euro hingegen bist Du in Deutschland mit einer Familie auf ewig durch. Selbst wenn alle schwer krank werden treibt Dich das nicht in den finanziellen Ruin und wenn durch einen schwarzen Schwan Event der Aktienmarkt um -80% kollabieren sollte und das Geld ausgeht, dann bekommst Du nach aktueller Lage in D eben eine warme Bude, eine Krankenversicherung und ALG II für die ganze Familie und in den USA (vermutlich) Lebensmittelmarken.

MfG

Zitat von Cepha am 8. Oktober 2020, 19:33 UhrDas ist sicherlich richtig, wenn man jeweils gut verdient. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge in D ist in meinen Augen unnötig komplexer, teurer und teils unfairer Mist.

Ich gehe aber auch davon aus, dass Du mit 1 Mio. USD in den USA mit einer Familie nicht sicher und dauerhaft überleben kannst, das geht nur dann, wenn niemand in Deiner Familie jemals schwer krank wird.

Mit 1 Mio. Euro hingegen bist Du in Deutschland mit einer Familie auf ewig durch. Selbst wenn alle schwer krank werden treibt Dich das nicht in den finanziellen Ruin und wenn durch einen schwarzen Schwan Event der Aktienmarkt um -80% kollabieren sollte und das Geld ausgeht, dann bekommst Du nach aktueller Lage in D eben eine warme Bude, eine Krankenversicherung und ALG II für die ganze Familie und in den USA (vermutlich) Lebensmittelmarken.

MfG

Mit einer Million wird das in der Tat schwer. Aber nicht wegen der Krankenversicherung. Mit wenig zu versteuerenden Einkommen bekommt man die stark subventioniert. Wer sich nicht versichert ist ein Idiot, wer es aber tut der gibt dafuer auch kein Vermoegen aus, wenngleich es eine der groesseren Posten im Monat ist. Also die Angst vor einem Bankrott wegen Krankheit ist Stammtischwissen. Hat man kein Geld zahlt es der Staat, hat man eine Versicherung uebernimmt diese. Rentenkonten sind eh vor Pfaendung sicher. Und da habe ich das meiste Kapital drin. Steuerfreies Wachstum und unantastbar fuer Glauebiger.

Aktuell reden wir bei mir in Nevada bei $35.000 zu versteuernden Einkommen (also die Kapitalertraege) von $120-$400 im Monat fuer zwei Erwachsene und ein Kind. Beim teuren Tarif bleiben $1000 Eigenanteil im Jahr bei manchen Leistungen, $10 Praxisgebuehr und $10-$30 fuer Medikamente. Beim guenstigen Basis-Tarif sind es $12.000 Eigenanteil und $40 Praxisgebuehr. Nach dem Eigenanteil (der ueblicherweise fuer Krankenhaus, Operationen etc. faellig wird) ist alles zu 100% gedeckt.

In den USA laesst es sich von Welfare, SSI, Section 8 und SNAP auch leben wenn man es darauf anlegt ein schlauer Sozialschmatotzer zu sein. Davon gibt es hier auch genug.

Ich hatte in meiner Vorstellung ja auch schon beschrieben wie ich es als unstudierter fast-Alleinverdiener mit Kind und normalen Lebensstandard (fuer Deutschland hohen Standard) innerhalb von 8 Jahren von null bis zu einer Million schaffe. Kein grosses Problem.
Wenn meine Frau mit ihrem Studium fertig ist kann sich unser Einkommen verdoppeln. Und die Abgaben steigen kaum (keine doppelte KV, doppelter Freibetrag zur privaten AV)

„Wenn man kein Geld hat, denkt man immer an Geld. Wenn man Geld hat, denkt man nur noch an Geld.“ Jean Paul Getty

@truthbelow und Tim,

Sehr interessante Einblicke in die USA! Da kann man mal sehen wie das Bild im Kopf und die Wirklichkeit auseinander driftet.

Ich glaube wir zahlen in Deutschland einen hohen Preis zu gunsten des Sozialstaat. Dieser geht zu Lasten der Chancen und Ertrag. Dies erschwert hierzulande wohl den Vermögensaufbau derjenigen die arbeiten und nicht oder kaum den Sozialstaat nutzen. Besonders betroffen sind hier die mittleren Einkommensgruppen. Wegen der absolut geringeren Einkommen im Vergleich zu gleichen Tätigkeiten in den USA aber auch wegen der "kalten Progression"?

Schafft man es in Deutschland 6 stellig aufwärts zu verdienen ist es wohl auch hier gut möglich signifikantes Vermögen zu bilden.

Da ihr wir ich hier herauslese beide Systeme kennt, stellt sich mir die spannende Frage, ob der vermeidliche "Sozialstaat" hier in Deutschland tatsächlich zu einer ausgewogeneren Gesellschaft und somit zu weniger Armut in den unteren Gesellschaftsschichten  führt.

Auf eure Meinung und erlebte Wahrnehmung hierzu wäre ich sehr gespannt.

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