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Nachhaltigkeit hat auch einen ökonomischen Aspekt

Hallo,

zunächst mal ich spare auch relativ viel meines Geldes, aber diese totale Selbstoptimierung hin zur Sparsamkeit finde ich absurd und ganz und gar nicht nachhaltig.

Warum will ich euch erläutern:

Ein nachhaltiges Lebensmodell hat meiner Meinung nach eine grundlegende Eigenschaft, die immer erfüllt sein muss. Das Lebensmodell muss, wenn jeder es für sich in Anspruch nimmt immer noch funktionieren und das ist für das Frugalistentum genauso wenig der Fall, wie beim Punk oder Multimillionär.

Warum? Nun zum einen ist die Ausgabenminimierung natürlich Gift für unser konsumgetriebenes Wirtschaftssystem. Wer sein gutes Gehalt nicht in den Realwirtschaftskreislauf zurückgebt entnimmt dem System Geld, für das Zinsen erwirtschaftet werden müssen. Diese entstehen durch Wirtschaftswachstum. Das ist natürlich gewünscht und auch gut, damit man sich ein Vermögen aufbauen kann. Nur ist es essentiell, dass diese Sparquote nicht zu groß wird, da das ganze Kapital sonst nur in den Kapitalmarkt fließt. Das sehen wir derzeit ja auch in den Immobilen und Aktienmärkten und bei der Konzentration von Vermögen. Aber wer erzeugt uns nun das Wirtschaftswachstum für die Zinsen? Das hängt wiederum stark an der Binnenwirtschaft und insbesondere an den "teuren" Dienstleistungen. Wenn jetzt jeder darauf verzichtet, bricht unsere komplette Wirtschaft zusammen.

Was macht Frugalismus also? Es leitet Kapitalströme in den Kapitalmarkt um und schwächt damit die Binnenwirtschaft, was auch ohne Frugalismus schon ein Problem ist. Man profitiert von einem System, dass man durch seine Lebensweise ablehnt und das ist definitiv nicht nachhaltig und moralisch auch fragwürdig. Ich finde es in jeder soll leben, wie er will, aber ein Model als nachhaltig zu propagieren, dass das Gegenteil bewirkt, finde ich nicht in Ordnung.

VG

Hmm.. Nachhaltigkeit bedeutet für mich zunächst, dass ich nicht auf Kosten meiner Zukunft lebe, auch wenn in einem Jahr (Rente) mein Nettoeinkommen auf ca. 1/3 runtergeht. Also lebe ich jetzt schon so frugal, als ob ich nur das hätte - 1/3 geht freiwillig an meine Exfrau, 1/3 in ETF-Sparpläne. Die beiden Daueraufträge lösche ich dann nächsten Juli.

Aber siehst du fundamentale Unterschiede, wenn ich den Geldbetrag X verwende für

- ein Auto von BMW (das gehört mir dann)

- ein Päckchen Aktien von BMW (mir gehört dann ein winziger Anteil an der Firma)

- ein Päckchen Anteile an einem ETF, der u.a. BMW-Aktien hält (...)

? Zumindest Auto und Aktien ist beides Realwirtschaft, denke ich, bei ETF weiss ich nicht so genau...

In meinen Augen ist Frugalismus in dem Sinne nachhaltig, dass unnützer Konsum bewusst reduziert wird. Würden alle das so machen, dann wäre die Wirtschaft bedeutend nachhaltiger.

Letzten Endes profitiert man als Frugalist natürlich vom Konsumverhalten der Massen. Ich sehe das eher so (grob vereinfacht): Man kann viel arbeiten und viel konsumieren (Durchschnittsbürger), oder halt (vor allem später) wenig arbeiten und wenig konsumieren (Frugalist).  Jeder kann für sich entscheiden, was er mehr mag. So ähnlich ist es ja auch bei der Berufswahl: Würden alle Lehrer werden wollen, gäbe es keine Ärzte, Bäcker, ... . Und trotzdem profitiert die Gesellschaft von Ärzten enorm.

Diese Frage treibt mich auch schon die ganze Zeit um.  Wir (Welt) können nicht auf immer weiter wachsen,  schon jetzt verbrauchen wir mehr Ressourcen, als uns "zusteht".  Wenn wir (alle) weiter so konsumieren fährt das System an die Wand,  wenn wir (alle) aufhören zu konsumieren bricht die Wirtschaft zusammen.  Denke man braucht mittel bis langfristig ein anders System,  wie auch immer das ausschauen kann/soll.  Hier kann man als einzelner nur begrenzt was machen.  Die (paar) Frugalisten reißen das nicht raus.  Konsumieren für das Wirtschaftswachstum ist wie saufen für den Regenwald.  Die Ökonomen sind gefragt neue Modelle zu entwickeln,  Stichwort Postkapitalistmus.

Aus meiner Sicht ist ein bewusster Konsum (nachhhaltige und fair erzeugte Lebensmittel, Kleidung etc.) der erste Schritt und seit ich beschlossen habe mehr Geld für gute Qualität und nachhaltig erzeugte, langlebige Produkte auszugeben,  gebe ich weniger Geld aus.

Stichwort Kapitalströme in den Kapitalmarkt umlenken:  Denke, da haben wir Frugalisten den Arsch zu weit unten.  6 Personen weltweit haben genausoviel Kapital wie die untere Hälfte der Menschheit - da könnte man echt was machen.  Unsere vielleicht 6-stelligen Summen sind gesamtwirschaftlich echt zu vernachlässigen.

Stichwort Kapitalströme in den Kapitalmarkt umlenken:  Denke, da haben wir Frugalisten den Arsch zu weit unten.  6 Personen weltweit haben genausoviel Kapital wie die untere Hälfte der Menschheit - da könnte man echt was machen.  Unsere vielleicht 6-stelligen Summen sind gesamtwirschaftlich echt zu vernachlässigen.

Was bei dieser Neiddebatte immer vergessen wird, dieses Geld existiert nicht, es ist vorranig in Aktien gebunden, somit stellt es nur einen aktuellen Marktwert dar. Dieser Marktwert wird durch den Kurs des letzten Handels einer Aktie mit der Gesamtzahl der Aktien multipliziert.

D.h. wenn dieser "Reiche" seine Aktien zu Geld machen will, muß er entsprechend Käufer finden.

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

"Was macht Frugalismus also? Es leitet Kapitalströme in den Kapitalmarkt um und schwächt damit die Binnenwirtschaft"

Genau das Gegenteil davon ist richtig. Du leitest dein Geld nicht einfach in einen "Kapitalmarkt" sondern du stellst Unternehmen Kapital zur Verfügung womit sie Maschinen kaufen, Wohnungen bauen oder Forschung betreiben können. Das wiederum steigert den allgemeinen Wohlstand.
Kaufst du mit dem Geld dagegen ein Produkt der Firma kaufen, würde dem Unternehmen nur die Umsatzrendite zu gute kommen, die liegt glaube ich so durchschnittlich bei ca 7% oder sogar weniger. Es bringt der Wirtschaft also 14 mal mehr zu investieren als zu konsumieren.

Zitat von Viktor am 6. Dezember 2018, 0:12 Uhr

"Was macht Frugalismus also? Es leitet Kapitalströme in den Kapitalmarkt um und schwächt damit die Binnenwirtschaft"

Genau das Gegenteil davon ist richtig. Du leitest dein Geld nicht einfach in einen "Kapitalmarkt" sondern du stellst Unternehmen Kapital zur Verfügung womit sie Maschinen kaufen, Wohnungen bauen oder Forschung betreiben können. Das wiederum steigert den allgemeinen Wohlstand.
Kaufst du mit dem Geld dagegen ein Produkt der Firma kaufen, würde dem Unternehmen nur die Umsatzrendite zu gute kommen, die liegt glaube ich so durchschnittlich bei ca 7% oder sogar weniger. Es bringt der Wirtschaft also 14 mal mehr zu investieren als zu konsumieren.

Aber nicht wenn du einem anderem die Aktien abkaufst, da hat die Firma dahinter keinen Vorteil.
Erst eine Kapitalerhöhung oder IPO (auch nicht immer, teilweise wechselt eine Aktie auch nur den Besitzer) ist der Transfer von Geld in die Firma.

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

Das stimmt allerdings, man ist ja schließlich nur Investor. Wie der Verkäufer der Aktien anschließend mit dem Geld dann umgeht, hat man nicht in der Hand. Er kann wie Elon Musk neue Unternehmen gründen oder die Kohle einfach versaufen, zu etwas bestimmten kann man Ihn nicht zwingen.

Ich deute Nachhaltigkeit doch etwas abseits des Kapitalismus. Für mich sind das hier in meiner Lebenseinstellung die ca. 3t. Co2 die unsere Erde wohl pro Jahr und Erdenbürger in etwa noch verkraftet, oder besser das Model der 2ooo Watt Gesellschaft das aus der Schweiz kommt. Im Grunde aber beides das selbe. Persönlich mag ich am liebsten " weniger ist mehr", einfach gesagt ich besitze nur Dinge die auch wirklich Sinn machen und die ich nutze (meist funktioniert es). Und wenn dann gilt hier Qualität und nicht Quantität. Ich muss auch nicht hinter jedem Trend herlaufen, meine Oma ist auch ohne Kiwi und Avokado 97 Jahre alt geworden. Und ich orientiere mich an den vorgenannten Zielen, von der Seite aus kommt dann die Nachhaltigkeit von alleine, sonst würden die Ziele auch nicht funktionieren. Positiver Nebeneffekt ist ein sparsameres Leben, den egal wie man es dreht, Konsum bedeutet Co2 bzw. eben keine Nachhaltigkeit. Und ich glaube nicht das bei dieser Lebenseinstellung unser System zusammenbricht, es würde sich nur radikal ändern, regionaler werden z.B.. Wir werden in der nächsten Zeit die Co2 oder Ökosteuer bekommen, schon alleine aus dem Verursacherprinzip heraus, den wer zahlt schon gerne die Zeche für andere. Und die kommt natürlich minimalistisch bzw. frugal lebenden Mitmenschen zu gute.

Gruß Ralf

Zitat von Exception am 19. August 2018, 13:43 Uhr

Man profitiert von einem System, dass man durch seine Lebensweise ablehnt und das ist definitiv nicht nachhaltig und moralisch auch fragwürdig. Ich finde es in jeder soll leben, wie er will, aber ein Model als nachhaltig zu propagieren, dass das Gegenteil bewirkt, finde ich nicht in Ordnung.

VG

Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass in unserer Gesellschaft, in unserem System, Konsum und Wachstum immer höchste Priorität hat und propagiert wird.

Ändern kann ich das jetzt aber auch nicht, und lebe eine andere Lebensweise. Das findest du nicht nachhaltig und moralisch fragwürdig?

Das wiederum finde ich ziemlich intolerant von dir.

Würde sich der Frugalismus durchsetzen bzw. die "Mehrheit" erreichen, ist es auch Unsinn, dass die Wirtschaft "zusammenbricht". Das würden diejenigen formulieren, für die gestern die 3,5% Verlust im Dax schon ein Crash ist, aber ansonsten? Die Wirtschaft würde sich eher mal gesundschrumpfen, und ja, dabei würden in allen Bereichen z.B. Arbeitsplätze verloren gehen, und nicht gerade wenig. Ist das ein Zusammenbruch? Nein. Ist das eine Katastrophe? Nein. Würde Handlungsbedarf bestehen? Definitiv ja. Man müsste das System entsprechend abändern, massiv vereinfachen, am Grundsatz "Arbeitsplatz first = es geht den Menschen gut" rütteln. Der ist meiner Meinung nach nämlich auch falsch. Es geht Menschen nicht automatisch gut, weil sie 40-60h/Woche irgendwas arbeiten. Es geht ihnen gut, wenn sie sich keine Sorgen um das Überleben machen müssen, wenn sie eine gesellschaftliche Teilhabe haben, und wenn sie für etwas, das sie (bestenfalls gerne) tun und selbst als sinnvoll erachten, belohnt werden. All das erreicht man auch mit erheblich kleinerer Wirtschaft - aber natürlich nur mit entsprechenden Änderungen des Konsum-Systems, in Wirtschaft und Politik. Vor allem auch die Politik müsste "frugal" werden, denn mit deutlich kleinerer Wirtschaft ist natürlich auch der Staatshaushalt entsprechend klein zu schrumpfen. Wäre aber auch problemlos machbar. Ist aber ja nicht gewollt, auch da heisst es ja immer nur "mehr mehr mehr".

Das wird daher auch nie passieren bzw. nie kommen. Denn soviele Frugalisten wird es wahrscheinlich nie geben, dass eine Mehrheit erreicht wird. Besser für Umwelt, Menschen, Gesellschaft, Planeten wäre es aber meiner Meinung nach. Und das wäre meiner Meinung nach auch wesentlich nachhaltiger. Und diese Meinung zu haben, halte ich nicht für moralisch fragwürdig, nur weil es nicht die Meinung der Mehrheit ist oder unser aktuelles, selbst erschaffenes, System geändert werden müsste.

.

weniger ist mehr...

Wir leben in einem kompletten Schrottsystem. Es ist das komplette Gegenteil von Nachhaltig.
In diesem Posting habe ich jede Menge der üblichen „Wirtschaftswissenschaftlichen“ Worthülsen gefunden.

Wachstum ohne Ziel ist wie das Lied vom „Wilden mi seiner Maschin“:
„Ich weiß zwar nicht wo ich hinfahre, aber dafür bin ich schneller dort“.

Über all die Rechenfehler der sogenannten „Wirtschaftswissenschaften“ habe ich das Buch „Calculation ERROR“ geschrieben