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Frugalist und Beamter

Hallo liebe Mitforisten,

ich bin in ein paar Wochen 31, die Wogen des Lebens (Ex-Freundin, familiäre Konstellationen, Stellensituation) haben mich vor zweieinhalb Jahren aus der hessischen Provinz in den Raum Stuttgart geführt, wo ich zur Zeit als Studienrat arbeite. Der Beruf erfüllt mich so gar nicht - ich bin allerdings auch an einer Schule, wo viele seit Jahren einfach nur weg wollen. Bei mir geht die Unzufriedenheit aber vermutlich etwas weiter. Schon als kleiner Junge fand ich die Vorstellung, den Großteil des Lebens mit Arbeit zu füllen einfach nur erschreckend und hatte den Traum, frei von Kapitaleinkünften zu leben und die Zeit wie auch immer zu nutzen.

Ich lebe seit Jahren schon recht bescheiden, kenne es im Grunde auch nicht wirklich anders, da in meiner Jugend jeder Cent umgedreht werden musste. Meine Sparquote dürfe irgendwo zwischen 60 und 70% liegen. Aktuell bin ich bei ca. 75.000€, die ich größtenteils in Einzelaktien investiert habe. Da das Beamtensystem sich nicht wirklich mit einem frühen Ruhestand verträgt, plane ich das ein oder andere Sabbatical im Laufe der nächsten 30 Jahre. Den ersten Antrag hab ich auch schon gestellt und hoffe, dass er genehmigt wird. Meine Sparquote wird dann natürlich erstmal drastisch sinken und während meines Sabbaticals dann vermutlich sogar gegen null gehen. Aber sei's drum, man muss sich auch mal was gönnen. Um trotz dieses Weges einen gewissen Lebensstandard - mehr als 30qm und Altbau wären schick - zu erhalten, möchte ich perspektivisch auch wieder zurück in die Provinz ziehen. Die Gegend um Stuttgart ist einfach zu teuer und ich bin dann doch auch eher der Typ für ländlichere Gegenden und Kleinstädte.

Ich bin froh, dass es diese Seite hier und eine rege Community gibt und freue mich entsprechend auf Anregungen und Austausch 🙂

 

 

Zitat von luxander am 25. Februar 2020, 19:10 Uhr

Der Beruf erfüllt mich so gar nicht - ich bin allerdings auch an einer Schule, wo viele seit Jahren einfach nur weg wollen. Bei mir geht die Unzufriedenheit aber vermutlich etwas weiter.

Augen auf bei der Berufswahl und Herzlich Willkommen im Zustand der inneren Kündigung. Ist bei Beamten weit verbreitet, man rechnet so grob mit 30%, in Deinem Alter aber selbst für Beamte ungewöhnlich früh.

Die Frage ist nur, ob sich das in der Provinz wieder ändern würde. Wenn nein, hilft Dir der Ortswechsel auch nicht wirklich weiter - dann brauchst Du einen anderen Job.

Mit 31 ist das auch schon wirklich früh. Die Frage ist, warum du den Beruf dann eigentlich gewählt hattest und ob du das wirklich die nächsten >35 Jahre noch machen willst. Jetzt hast du noch die Möglichkeit etwas anderes zu tun. Oder willst du einfach nur nicht arbeiten?

Zitat von MFZ73 am 26. Februar 2020, 0:30 Uhr

Die Frage ist nur, ob sich das in der Provinz wieder ändern würde. Wenn nein, hilft Dir der Ortswechsel auch nicht wirklich weiter - dann brauchst Du einen anderen Job.

Wie oben bereits geschrieben, bin ich wirklich an einer unangenehmen Schule, wo viele KollegInnen weg wollen. Die Zustände werden hier recht gut beschrieben, ohne jetzt an der Stelle über Bildungspolitik diskutieren zu wollen: https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-baden-wuerttemberg/baden-wuerttemberg-lehrer-kritisieren-gemeinschaftsschulen-14062812.html https://bnn.de/nachrichten/suedwestecho/gymnasiallehrer-ueben-herbe-kritik-an-gemeinschaftsschulen-das-ist-eine-komplette-sackgasse

Der Plan ist daher erstmal, via Versetzung woanders hinzukommen. Und dann kann man ja immer noch sehen, wie es läuft. Da ich aber tatsächlich unabhängig vom jeweiligen Job nicht die nächsten 30 Jahre Vollzeit arbeiten möchte, zieht's mich alleine schon aus finanziellen Erwägungen in eher ländlich geprägte Regionen.

 

 

Ich glaube, dass in unserem Bildungssystem sehr vieles im Argen liegt und dass die Entscheidungsträger keine Ahnung haben, was an der Basis wirklich los ist. Auch scheinen diese nicht in der Lage zu sein, tragfähige Lösungen aufzustellen.

Im Bildungssystem der ehemaligen DDR waren die ALLE Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse zusammen, und das hat funktioniert. Das System war im internationalen Vergleich nicht das schlechteste und die Abgänger waren auch nicht die dümmsten. Komisch, wieso hat es damals funktioniert und heute nicht mehr? Die Menschen sind nicht dümmer geworden. Das Problem muss ja im System liegen und der Unfähigkeit, die Probleme zu erkennen und zu lösen.

Da muss ich dir widersprechen. Ich habe von 1976-1986 das Bildungssystem der DDR durchlaufen. Gerne hätte ich Abitur gemacht. Aber für Querulanten war da kein Platz. So durften 2 Freundinnen und ich nicht zur Oberschule, weil wir und unsere Eltern sich nicht immer „ regelkonform „ verhalten haben. So konnte ich es vor ein paar Jahren in meiner Stasiakte lesen. Im Nachhinein bin ich ganz froh darüber, denn spätestens bei „Marxismus-Leninismus „ wäre ich da raus gewesen. Meine Kinder haben beide Abitur gemacht. Bin froh, dass heute nicht die Parteizugehörigkeit der Eltern, sondern Können und Ehrgeiz entscheiden. Schade ist es aber um die Kinder, die von zu Hause nicht gefördert und bestärkt werden und deswegen ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen, einfach weil sie es nicht vorgelebt bekommen, dass sich Einsatz lohnt. Aber auch die Hauptschule muss gestärkt werden. Was nützt mir der Architekt, wenn er niemanden hat, der das Haus baut.
Aber vielleicht führen da meine Gedanken dazu auch zu weit.

„Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ (Winston Churchill)

Das ganze Bildungssystem-Thema ist ein ärgerliches, aber gravierende Änderungen sind nicht in Sicht. @luxander, wie du bereits schon geschrieben hast, würde ich mich weiter darauf konzentrieren, wie du für dich das beste aus der Situation machst und in Zukunft mehr nach deinen Werten lebst, auch wenn du arbeitest. Vielleicht würde es dir Spaß machen und mehr zurückgeben, wenn du z.B. Flüchtlinge unterrichten würdest? Ich kenne auch viele Pädagogen, die ihr Glück im Bereich Human Resources gefunden haben. Oder vielleicht wäre es auch eine Idee, für eine Zeit lang im Ausland in einem spannenden Land zu unterrichten? Je nachdem, was deine fachlichen Schwerpunkte sind, könntest du vielleicht auch nach einer Stelle bei einem Schulbuchverlag suchen? Eine eigene Onlineplattform für Lehrinhalte aufziehen? Oder oder oder ... Selbst wenn du früh für dich entdeckt hast, dass du idealerweise so wenig wie möglich arbeiten möchtest, würde es den Weg zum Ruhestand mit Sicherheit versüßen, wenn du nicht den frustrierenden Job machen müsstest, von dem du jetzt schon die Nase voll hast. Das wäre der erste Schritt, der möglicherweise ganz neue Perspektiven und Wege mit sich bringen würde.

This is the start of anything you want.
Zitat von Fritz am 27. Februar 2020, 11:52 Uhr

Im Bildungssystem der ehemaligen DDR waren die ALLE Schüler von der 1. bis zur 10. Klasse zusammen, und das hat funktioniert. Das System war im internationalen Vergleich nicht das schlechteste und die Abgänger waren auch nicht die dümmsten. Komisch, wieso hat es damals funktioniert und heute nicht mehr?

Bei meiner Frau, geboren in der "kommunistischen" Sowjetunion, wurden im Gymnasium sogar die besten Schüler in einer eigenen Klasse zusammengelegt. Die hat jetzt auch 2 Top Universitätsabschlüsse: 1 in Russland, 1 in D und einen super Job.

Während hier in Deutschland alles nach unten nivelliert wird.

Zitat von Riese69 am 27. Februar 2020, 13:07 Uhr

Da muss ich dir widersprechen. Ich habe von 1976-1986 das Bildungssystem der DDR durchlaufen. Gerne hätte ich Abitur gemacht. Aber für Querulanten war da kein Platz. So durften 2 Freundinnen und ich nicht zur Oberschule, weil wir und unsere Eltern sich nicht immer „ regelkonform „ verhalten haben. So konnte ich es vor ein paar Jahren in meiner Stasiakte lesen. Im Nachhinein bin ich ganz froh darüber, denn spätestens bei „Marxismus-Leninismus „ wäre ich da raus gewesen. Meine Kinder haben beide Abitur gemacht. Bin froh, dass heute nicht die Parteizugehörigkeit der Eltern, sondern Können und Ehrgeiz entscheiden. Schade ist es aber um die Kinder, die von zu Hause nicht gefördert und bestärkt werden und deswegen ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen, einfach weil sie es nicht vorgelebt bekommen, dass sich Einsatz lohnt. Aber auch die Hauptschule muss gestärkt werden. Was nützt mir der Architekt, wenn er niemanden hat, der das Haus baut.
Aber vielleicht führen da meine Gedanken dazu auch zu weit.

Da hast du ja recht. Aber das politische Thema, war eigentlich nicht worauf ich hinaus wollte. Das Abitur war in der DDR nur 11. und 12. Klasse an der EOS, davor waren die auch zusammen mit den "Normalen". Ich finde das war nicht unbedingt schlecht. Warum sollte man Schüler schon vorher filtern? Das sorgt nur für ein Elitebewusstsein und Abgrenzung und nicht für eine angebliche Förderung. Dadurch sinkt nämlich auch das Niveau an den Mittel- und Hauptschulen, weil die Guten weg sind. Ich selbst hatte auf dem Gymnasium eine sprachliches Profil belegt, habe aber dann später Elektrotechnik studiert, wo ich eher ein Naturwissenschaftliches Profil gebraucht hätte. Das System ist also totaler Quatsch. Wie soll man auch mit 14 schon wissen, was man später mal machen will?

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum jeder "Kellner" Abitur braucht. Im DDR-System haben das nur die gemacht, die danach an einer Uni studiert haben. Abitur heißt ja eigentlich auch, die Befähigung zum Studium zu erwerben. Aber das war einmal...

Und abgesehen von der Ideologie, war die Allgemeinbildung der Absolventen in der DDR ganz gut. Mathe, Physik, Chemie hatten ja wohl kaum einen politischen Anstrich. Aber die Probleme sind ja auch heute durch den internationalen OECD-Vergleich bekannt. In keinem anderen Industriestaat, ist die Bildung der Kinder so eng an den Geldbeutel und das Bildungsniveau der Eltern gekoppelt, wie in Deutschland. Hier geht es nur um althergebrachte Standesabgrenzung. Aber da will anscheinend keiner was dran ändern. Deshalb werden wohl auch scheinbare Lösungen, (wie z.B. die Gesamtschule) immer so gemacht, dass sie nicht funktionieren und die Leute sich anschließen so beschweren, dass es wieder verworfen wird.

Bestes Beispiel war doch G8. In Sachsen gibt es seit der Wende nur G8 und das Abitur ist mit eines der Besten im Bundesdurchschnitt. Warum funktioniert das in anderen Bundesländern nicht? Man hat es einfach so realisiert, dass es schief gehen musste.

 

Vielleicht hast du auch recht. Wer weiß. Im Bekanntenkreis höre ich manchmal, wenn die Eltern mit ihren Kindern reden, so blöde Aussagen. Z.B. „da hat er nun studiert und macht es trotzdem falsch oder Physik ( Mathe oder Chemie...) , dass brauchst du nie wieder oder die Lehrer sind eh doof. Das schafft auch für die Kinder keinen Anreiz sich da mal richtig reinzuknien. Aus dem Kind wird dann wahrscheinlich kein Physiker o.s.. Genau wie die ziemlich dumme Denkweise: Geld verdirbt den Charakter oder wer weiß wie er zu so viel Geld gekommen ist. Damit leben Eltern ihren Kindern negative Meinung vor und wundern sich, wenn das Kind keinen Bock auf Schule oder sonstige Anstrengung hat um im Leben voran zu kommen. Man könnte ja auch sagen: toll das du jetzt zur Schule gehst, dann können wir die Bücher bald zusammen lesen....... Oder der Mann/ Frau hat viel Geld. Er/sie war bestimmt fleißig, sparsam und hat das Geld gut investiert, oder hat in der Schule gut aufgepasst und hat nun einen tolle Job....

Ich glaube auch, dass sich Intelligenz „vererbt“. Weil Eltern, die selbst Abitur haben und studiert haben, dass ihren Kindern anders näher bringen als Familien in denen nie studiert wurde. Desto wichtiger ist es „Arbeiterkinder“ zu ermutigen einen anderen Weg einzuschlagen als die Eltern. Das braucht Zeit und engagierte Mitmenschen, die die Fähigkeiten der Kinder erkennen und sie fördern und fordern, wenn da von zu Hause nichts kommt.

Ja, Bildung ist ein Thema worüber man lange und viel diskutieren kann. Es wird Zeit das sich was ändert.

„Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird.“ (Winston Churchill)
Zitat von Fritz am 27. Februar 2020, 17:26 Uhr
In keinem anderen Industriestaat, ist die Bildung der Kinder so eng an den Geldbeutel und das Bildungsniveau der Eltern gekoppelt, wie in Deutschland. Hier geht es nur um althergebrachte Standesabgrenzung. Aber da will anscheinend keiner was dran 
Die Ursache für das beobachtbare Phänomen würde ich aber nicht in einer systematischen Bevorzugung der Besserverdienenden und Bessergebildeten sehen. Die Ursache ist eher ein System, in dem irgendwelchen pädagogischen Ideen und Ideologien hinterhergerannt wird, Frontalunterricht und Auswendiglernen tabuidiert wird und die Überzeugung, Sachen wie Rechtschreibung lernte man am besten, wenn man sie sich selbst erarbeitet, als nicht anzuzweifelnde Wahrheit verehrt wird. Das Problem ist: Wenn man sich "Regnschüam" erstmal mühselig erarbeitet hat, ist es auch gleich gefestigt. Wenn man der Idee anhängt, es wäre irgendwie besser, statt einfach die verschiedenen Einmaleinse auswendig zu lernen, es sich besser jedes Mal irgendwie kompliziert herzuleiten (damit nur nicht zu viel auswendiggelernt wird, gefährlich, Auswendiglernen ist böse und macht dumm) wird es ein Kind zwar nicht leichter haben, dafür aber auch nicht unbedingt gut rechnen lernen. Da haben Kinder Vorteile, wenn Eltern dahinter sind, und schauen, wenn irgendwas beim eigenen Kind offensichtlich nicht zum Erfolg führt, wie man es denn sonst so machen könnte. Das scheint bei weniger bildungsfernen Eltern eher der Fall zu sein.

Früher waren Lehrer souverän und unantastbar.

3 Tage Woche. Teilzeitarbeit.