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Frugalismus und Realitätsverlust

Hallo Frugalisten,

ich habe seit einiger Zeit bei mir beobachtet, dass das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit in gewisser Weise zu einem Realitätsverlust führt.
Gehen wir davon aus, dass nur der aktuelle Augenblick real ist, frei nach der Auffassung dass Gestern für immer verloren und die Zukunft nicht garantiert ist.

Real ist also nur das Jetzt und das Jetzt ist vor dem Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit, für den Grossteil der hier Mitwirkenden.

Wie schafft ihr es auch dieses "Jetzt"(s.o.) als einen  positiven Zustand zu erfahren abseits vom Gedanken "das Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit ist schwierig und mit harter Arbeit verbunden, da müssen die Zähne zusammengebissen und eisern durchgezogen werden"?
Ich meine damit nicht allgemein gültige Aussagen wie zum Beispiel, dass man sich auch mal etwas gönnen soll, oder mal ein Buch liest, welches nichts mit dem Thema Finanzen/Minimalismus/Persönlichkeitsentwicklung (Selbsthilfe allgemein) zu tun hat. Dies ist für mich ein Quick fix und false friend nach dem Prinzip "wenn ich einmal traurig bin, dann trink ich einen Korn".

Mir geht es darum einen Weg zu erkennen, der die Situation des auf die finanzielle Unabhängigkeit hinarbeiten positiv im Selbstverständnis beschreibt und weg kommt von der Einstellung einen bösen Arbeitgeber zu haben, der täglich 8 Stunden plus der kostbaren Lebenszeit raubt. Vergleichbar ist dies in eingeschränkten Masse mit einem Soldaten im Krieg der seine aktuelle Lebenssituation aller Wahrscheinlichkeit nach relativ negativ bewertet, aber den die Vorstellung der (nach dem Sieg äusserst positiven) Friedenszeit bei der Stange hält. Befinden sich Frugalisten mit dem Ziel finanzielle Unabhängigkeit im Krieg mit der (sozialen) Marktwirtschaft? Leben Frugalisten bewusst ausserhalb der Realität?

Sind somit in der Schlussfolgerung die Hamster im Rad nicht glücklich(er), da sie zwar aller Voraussicht nach länger arbeiten, aber den Weg auch viel mehr geniessen? Sind 20 Jahre Arbeit die man hasst nicht viel schlimmer als 40 Jahre arbeit die ganz in Ordnung waren?

TLDR: In der Frugalistenbewegung sehe ich häufig und auch bei mir, dass Menschen die Einstellung entwickeln Lebensfreude aufzuschieben in eine ungewisse, wenn auch wahrscheinliche Zukunft, in der nicht mehr gearbeitet werden muss. Wie schafft ihr es den Weg zu diesem Ziel als etwas positives wahrzunehmen und zu geniessen?

Ich habe in diversen Firmen immer wieder die ewigen Brodler erlebt, die alles an ihrem Job hassen, alles besser wissen und trotzdem immer an Ort und Stelle bleiben.

Viele Kommentare hier lesen sich  auch so, als ob die Arbeit ein Elend und ein Leid sind, das es möglichst bald abzuschütteln gilt.

Mein letzter Job als Abteilungsleiter war die Hölle und so bin ich eben nach 3 ½ Jahren gegangen. Mein Leben ist mir zu schade dafür, auch wenn ich jetzt weniger auf dem Lohnzettel habe.

Ich finde den Begriff Hamsterrad eigentlich völlig falsch verwendet: Der Hamster genießt es ja in der Regel darin zu rennen. Es hält ihn gesund. Darum bin ich auch gerne darin. Vielleicht ist mein Gemüt auch etwas simpel.

Ich sehe mich nicht direkt als Frugalist, ich finde einige Ansätze hier gut. Gerade die verschiedenen Finanzkonzepte finde ich spannend und mache Sparmaßnahmen übernehme ich auch um mein Leben zu verbessern.

Jeden der aus dem Job aussteigt gönne ich sein Glück. Aber lieber jetzt zufrieden als in 15 Jahren.

Es gibt viele Realitäten. Meine ist der Frugalismus. Meine Teilzeitarbeit und mein Konsumverzicht macht mir Spaß.

Ich kenne viele die das Leben jetzt mit viel Konsum geniessen. Ich respektiere diese Lebensweise.

Wie leben Frugalisten?

Frugalisten fokussieren sich auf das, was nachweislich ein zufriedenes Leben ausmacht:
Gute soziale Beziehungen, eine erfüllende Tätigkeit, Lachen, Gesundheit, Sport, lebenslanges Lernen. Alles Dinge, die nicht viel Geld kosten müssen.

Zudem optimieren Frugalisten ihre Ausgaben. Sie halten ihre Fixkosten gering, wohnen möglichst nah bei der Arbeit, fahren mit dem Rad. Sie kaufen Dinge gebraucht und verkaufen, was sie nicht mehr benötigen.
Frugalisten versuchen, ständig ihren Horizont und ihre Fähigkeiten zu erweitern. Probleme lösen sie lieber mit Kreativität und Geschick selbst, statt eine fertige Lösung zu kaufen.

So ist Geld zu sparen und ein gutes Leben zu führen für Frugalisten kein Widerspruch, sondern geht Hand in Hand.

Das gesparte Geld investieren Frugalisten zum Beispiel in Aktienfonds oder Immobilien. So erhalten sie ein Zusatzeinkommen in Form von Zinsen, Dividenden oder Mieteinnahmen.

Mit der Zeit wächst das Ersparte, bis die Erträge nach ein paar Jahren die monatlichen Ausgaben decken. An diesem Punkt hat man ausgesorgt und ist finanziell unabhängig von einem Job.

3 Tage Woche. Teilzeitarbeit.

Hallo @sparschwein, willkommen im Forum!

Gehen wir davon aus, dass nur der aktuelle Augenblick real ist, frei nach der Auffassung dass Gestern für immer verloren und die Zukunft nicht garantiert ist.

Zunächst mal denke ich, dass es durchaus Vorteile hat, Realität so zu sehen. Häufig ist man ja doch abgestresst, und wenn man sich auf den Moment konzentriert, ist es dann auf einmal doch nicht mehr so schlimm. Aber ich denke auch, dass man durch Entscheidungen im jetzt zumindest begrenzt Einfluss darauf nehmen kann, was in der Zukunft mal real sein könnte. Wenn das so ist, leidet nicht der Frugalismus an Realitätsverlust sondern Du;)
Das ist jetzt nicht persönlich gemeint, Deine Überschrift hat mehr um diese Antwort gebeten... Unabhängig davon gebe ich Dir natürlich völlig mit Deiner Einschätzung recht, dass wenn man sich das Ziel der finanziellen Unabhängigkeit aufgrund von Jobunzufriedenheit setzt und andere Ziele wie Lebensglück, Beziehungen, etc. diesem Ziel unterordnet, das durchaus vergleichbar mit Alkoholismus ist, oder zumindest von charakterlicher Fremdbestimmtheit und Leere zeugt.
Aber meiner Erfahrung nach sehen das die meisten Forist*Innen hier auch anders als Du beschreibst. Bei mir ist es zumindest so, dass meine intrinsische Motivation mich eher zum Minimalismus zieht. Ich finde materiellen Besitz anstrengend und fühle mich durch ihn eher eingeschränkt, wenn nicht sogar fremdbestimmt, wenn ich zu viel davon hätte. Lebensglück besteht für mich darin, gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen (ich bin z. B. vegan und plane gerade, ins Ausland auszuwandern und mir eine multinationale Identität aufzubauen), und gesellschaftliche Erwartungshaltungen zu brechen (Beispiel: „Philosophie zu studieren ist nichts gescheites, scheiß Intellektuelle, alle Geisteswissenschaften sind eh überflüssig, denn aus Geisteswissenschaftlern wird eh nichts“. Ich studiere im Bachelor Philosophie und Sozialwissenschaften, mach dann im Master was mit Computer, mache dann demnächst weiter als Softwareentwickler in der Schweiz und bin dann für deutsche Verhältnisse Einkommensoberschicht). Zusätzlich tausche ich mich gerne mit kritischen Geistern aus, wie z. B. hier im Forum. Das mit dem (hoffentlich bald=) ) hohen Vermögen ist mehr ein Nebeneffekt von anderen Sachen, die mich interessieren (Philosophie, Minimalismus und Computerzeug, fremde Gesellschaften und Kulturen, etc.), mit denen ich mich tagtäglich befasse und an denen ich mein Leben ausrichte.

Die Strategie ist es also nicht, Lebensfreude aufzuschieben, sondern Lebensfreude in Sachen zu finden, die einen interessieren, und sich darauf zu konzentrieren. Wenn man das macht, ist meines Erachtens Minimalismus ein Nebeneffekt, ein hohes Einkommen kann auch ein Nebeneffekt sein, und somit kann dann auch eine hohe Sparrate ein Nebeneffekt sein, also ist man dann Frugalist? Oder negativ formuliert: was Nicht-Frugalisten häufig nicht verstehen ist, dass Minimalismus keine Einschränkung ist, sondern ein Fokus aufs Wesentliche (also Nicht-Materielles wie Beziehungen, Ausgeglichenheit, den eigenen Interessen nachgehen, etc.), was als befreiend empfunden wird.

Danke erst einmal an alle die geantwortet und auch diejenigen, welche still mitgelesen haben.

Zitat von Cricetus am 19. Februar 2020, 16:05 Uhr

Ich habe in diversen Firmen immer wieder die ewigen Brodler erlebt, die alles an ihrem Job hassen, alles besser wissen und trotzdem immer an Ort und Stelle bleiben.

Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich habe zusätzlich schon gleich zu Beginn meiner Karriere gemerkt, dass es sehr wenige wirklich zufriedene Arbeitnehmer ab einem gewissen Alter gibt, die in Vollzeit dabei sind. Das hat mich damals wirklich nachdenklich gestimmt und war wohl der erste Schritt in die Richtung Investment.

Mein letzter Job als Abteilungsleiter war die Hölle und so bin ich eben nach 3 ½ Jahren gegangen. Mein Leben ist mir zu schade dafür, auch wenn ich jetzt weniger auf dem Lohnzettel habe.

Gut dass du den Schritt geschafft hast, wobei ich 3 1/2 Jahre schon extrem lang empfinde. Aber es erfordert auf der anderen Seite sicher auch Mut auf der Hierarchieebene Schritte zurückzugehen.

Ich finde den Begriff Hamsterrad eigentlich völlig falsch verwendet: Der Hamster genießt es ja in der Regel darin zu rennen. Es hält ihn gesund. Darum bin ich auch gerne darin. Vielleicht ist mein Gemüt auch etwas simpel.

Camus schreibt "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen". 

Kommt eine mögliche Unzufriedenheit bei der Hinarbeit auf die finanzielle Unabhängigkeit erst dadurch, dass man sich deren Möglichkeit bewusst wird? Würde man viel lieber arbeiten, wenn man wüsste, dass man bis zum Lebensende arbeiten muss?

 

Ich sehe mich nicht direkt als Frugalist, ich finde einige Ansätze hier gut. Gerade die verschiedenen Finanzkonzepte finde ich spannend und mache Sparmaßnahmen übernehme ich auch um mein Leben zu verbessern.

Geht mir genau so!

Ich kenne viele die das Leben jetzt mit viel Konsum geniessen. Ich respektiere diese Lebensweise.

Da bist du um eine Erfahrung reicher als ich. Ich habe es ehrlich gesagt noch nicht persönlich erlebt, dass jemand seinen möglichen Konsumrahmen dauerhaft voll ausgeschöpft hat und damit nachhaltig zufrieden, oder glücklich war.
Ich muss spontan an einen ehemaligen Arbeitskollegen denken, der sich eine sehr grosse Wohnung mietete, die über 1/3 seines Nettoeinkommens kostete und regelmässig darüber klagte, dass am Ende des Monat kaum noch Geld zum Essenkaufen da sei. "Ja, selbstverständlich" wäre sein Leben viel besser, antwortete er, mal darauf angesprochen was es ausmachen würde, wenn er 20% Netto mehr verdienen würde.

 

Zitat von brickas am 19. Februar 2020, 21:32 Uhr

Hallo @sparschwein, willkommen im Forum!

Gehen wir davon aus, dass nur der aktuelle Augenblick real ist, frei nach der Auffassung dass Gestern für immer verloren und die Zukunft nicht garantiert ist.

Zunächst mal denke ich, dass es durchaus Vorteile hat, Realität so zu sehen. Häufig ist man ja doch abgestresst, und wenn man sich auf den Moment konzentriert, ist es dann auf einmal doch nicht mehr so schlimm. Aber ich denke auch, dass man durch Entscheidungen im jetzt zumindest begrenzt Einfluss darauf nehmen kann, was in der Zukunft mal real sein könnte. Wenn das so ist, leidet nicht der Frugalismus an Realitätsverlust sondern Du;)
Das ist jetzt nicht persönlich gemeint, Deine Überschrift hat mehr um diese Antwort gebeten... Unabhängig davon gebe ich Dir natürlich völlig mit Deiner Einschätzung recht, dass wenn man sich das Ziel der finanziellen Unabhängigkeit aufgrund von Jobunzufriedenheit setzt und andere Ziele wie Lebensglück, Beziehungen, etc. diesem Ziel unterordnet, das durchaus vergleichbar mit Alkoholismus ist, oder zumindest von charakterlicher Fremdbestimmtheit und Leere zeugt.
Aber meiner Erfahrung nach sehen das die meisten Forist*Innen hier auch anders als Du beschreibst. Bei mir ist es zumindest so, dass meine intrinsische Motivation mich eher zum Minimalismus zieht. Ich finde materiellen Besitz anstrengend und fühle mich durch ihn eher eingeschränkt, wenn nicht sogar fremdbestimmt, wenn ich zu viel davon hätte. Lebensglück besteht für mich darin, gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen (ich bin z. B. vegan und plane gerade, ins Ausland auszuwandern und mir eine multinationale Identität aufzubauen), und gesellschaftliche Erwartungshaltungen zu brechen (Beispiel: „Philosophie zu studieren ist nichts gescheites, scheiß Intellektuelle, alle Geisteswissenschaften sind eh überflüssig, denn aus Geisteswissenschaftlern wird eh nichts“. Ich studiere im Bachelor Philosophie und Sozialwissenschaften, mach dann im Master was mit Computer, mache dann demnächst weiter als Softwareentwickler in der Schweiz und bin dann für deutsche Verhältnisse Einkommensoberschicht). Zusätzlich tausche ich mich gerne mit kritischen Geistern aus, wie z. B. hier im Forum. Das mit dem (hoffentlich bald=) ) hohen Vermögen ist mehr ein Nebeneffekt von anderen Sachen, die mich interessieren (Philosophie, Minimalismus und Computerzeug, fremde Gesellschaften und Kulturen, etc.), mit denen ich mich tagtäglich befasse und an denen ich mein Leben ausrichte.

Die Strategie ist es also nicht, Lebensfreude aufzuschieben, sondern Lebensfreude in Sachen zu finden, die einen interessieren, und sich darauf zu konzentrieren. Wenn man das macht, ist meines Erachtens Minimalismus ein Nebeneffekt, ein hohes Einkommen kann auch ein Nebeneffekt sein, und somit kann dann auch eine hohe Sparrate ein Nebeneffekt sein, also ist man dann Frugalist? Oder negativ formuliert: was Nicht-Frugalisten häufig nicht verstehen ist, dass Minimalismus keine Einschränkung ist, sondern ein Fokus aufs Wesentliche (also Nicht-Materielles wie Beziehungen, Ausgeglichenheit, den eigenen Interessen nachgehen, etc.), was als befreiend empfunden wird.

(Hier komme ich noch nicht befriedigend mit der Zitierfunktion zurecht, wenn der zu Zitierende schon zitiert hat, daher Antwort im Ganzen).

Natürlich meine ich "den Frugalisten", eine Lebenseinstellung/Philosophie ist natürlich nur heisse Luft ohne Menschen, die sie Leben. "Der Sozialismus" ist nicht das Problem sondern die ausführenden Kräfte. Das sollte klar sein.
Ich finde du widersprichst dir in einigen Punkten. Auf der einen Seite sagst du, dass du dich als Minimalist beschreiben würdest, aber auf der anderen Seite willst du Auswandern um ein überdurchschnittliches Einkommen zu erzielen und ein Vermögen aufzubauen. Dein Ziel ist dann eben nicht eine hohe Stückzahl unterschiedlicher (Konsum)guter anzuhäufen, sondern Vermögenswerte, aber bist du dadurch Minimalist? Das beisst sich aus meiner Sicht.
Ausserdem beklagst du dich darüber, dass "die Gesellschaft" (wer?) Sozialwissenschaften nicht wertschätzt (der Arbeitsmarkt schätzt sie nicht wert, aber das ist ein anderes Thema) und schreibst einen Satz später, dass du im Master dann "was mit Computern" machst um dann als Softwareentwickler in der Schweiz durchzustarten.
Wieso studierst du denn dann überhaupt etwas ausserhalb des Bereiches, wenn du dann doch nicht dort arbeiten möchtest? Und was macht dich Glauben dass du mit den Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt, welche beispielsweise Informatik studiert haben, mithalten kannst? Hast du Programmiererfahrung?

Ich frage das so scharf, weil auch bei uns in der gymnasialen Oberstufe stark dafür geworben wurde doch das zu studieren, was einen gerade so interessiert, man könnte dann doch immer noch XY per Quereinstieg machen, oder, egal mit welchem Studium, Unternehmensberater werden. Anscheinend wird man aktuell mit egal welchem Studium dann "Softwareentwickler"?
Ich konnte natürlich beobachten was aus meinem Abiturjahrgang geworden ist, besonders aus der Fraktion "ich studiere was mich interessiert". Nur soviel: Unternehmensberater ist nur einer, aber der hat auch in BWL promoviert.

Zum Thema Auswandern (besonders in die Schweiz) gibt es einiges zu beachten und auch zu erzählen. Da können wir uns gerne in einem anderen Thema, oder mal per PN austauschen. Habe die BRD vor zwei Jahren verlassen.

Hier schliesst sich der Kreis dann wieder zum ursprünglichen Thema: Etwas studieren, was einen eigentlich interessiert, zum Beispiel Philosophie, aber auch Geschichte, Sozialwissenschaften, die gerne kritisierten "Gender Studies" usw. um dann später in einem völlig fremden Bereich zu arbeiten?

Im Bereich Unternehmertum gibt es ein geflügeltes Wort, oder ein Motivationsmantra was sinngemäss lautet "live some years like others won't to live the rest of your life like others can't". Ist das für euch Frugalismus?

Ohne mir alle Beiträge genau durchgelesen zu haben, würde ich gerne davon berichten, dass in meinem Fall die Lektüre eines Buchs über Minimalismus (Goodbye Things, Fumio Sasaki) den Weg zum Frugalismus geebnet hat. diese Reihenfolge war bei mir ein glücklicher Zufall, hat aber grundlegend dazu geführt, dass ich meine Kauf- und Lebensgewohnheiten hinterfrage und für mich besser definieren konnte, was mich überhaupt wirklich glücklich macht und ab sofort viel mehr nach diesen Werten lebe. Der Frugalismus war für mich die perfekte Ergänzung,  konnte mich aber nur so "locker" darauf einlassen, weil mir der Minimalismus im Vorfeld geholfen hat zu erkennen, dass ich NICHT die fünfunddreißigste Handtasche brauche, dass ich NICHT das neueste iPhone brauche, dass ich KEINE teuren Restaurantbesuche oder 90qm-Singlewohnung brauche, nur um sie auf Instagram zu posten.

Insofern strengt mich der frugalistische Lebensstil bisher nicht an, sondern ich verspüre eine unglaubliche Erleichterung darüber, wenn ich in der Einkaufsstraße an Geschäften vorbeilaufe und keinerlei Drang verspüre, hinein zu gehen und etwas zu kaufen; kombiniert mit dem freudigen Gefühl, dass es (das "Geld-nicht-für-Unsinn-rausblasen") genau das ist, was mich in Zukunft ruhiger schlafen lassen wird.

Ich habe nicht das Gefühl, das Leben aufzuschieben. Minimalismus und Frugalismus haben mir geholfen, vielmehr im Jetzt zu leben und meine Zeit und meine Energie nicht mit Konsum oder eitlem Wettbewerb zu verplempern. Ich weiß, es klingt schon fast esoterisch, aber ich hatte von Stund an ein besseres Verhältnis zu meinen Freunden und zu meiner Familie, und ich bin auch mir selbst gegenüber sanfter und achtsamer geworden. Ich bin zufriedener und ruhiger als vor wenigen Monaten, als ich mir alles "gegönnt" habe, von dem ich dachte, dass ich es brauchen würde.

Ich habe, seit ich mich mit diesen Themen auseinandersetze, natürlich auch damit beschäftigt, ob ich Lebenszeit auf der Arbeit "verschwende", und in wiefern mein Arbeitgeber mich ausnutzt. Ich arbeite nicht in meinem Traumjob und die Bezahlung ist auch nicht umwerfend, aber mein Job gibt mir die Chance, auch Neues zu lernen und Input von anderen Menschen zu bekommen. Ich muss hier nicht für immer arbeiten und es liegt an mir, aus dem, was ich hier mitnehme, vielleicht einmal mein ganz eigenes Ding zu machen und ein eigenes Business aufzuziehen. Ich denke, im Frugalismus geht es gar nicht darum, gar nicht zu arbeiten, sondern irgendwann frei zu sein zu bestimmen, für wen oder was man arbeiten will.

Die Gleichung wäre für mich

Frugalismus = Ein Weg der Selbsterfahrung/Ausleben der glücklich machenden Werte mit dem Ergebnis der ultimativen Lebens-/Entscheidungsfreiheit.

Der Weg ist für mich eben auch ein Teil vom Ziel, der nichts damit zu tun hat, mich zu martern oder einen Groll gegen meinen Arbeitgeber aufzubauen. Denn ich vermisse nichts und lerne jeden Tag Neues über mich und mein persönliches Lebensglück.

 

 

This is the start of anything you want.
Zitat von Sparschwein am 20. Februar 2020, 0:07 Uhr

[...]
Ich finde du widersprichst dir in einigen Punkten. Auf der einen Seite sagst du, dass du dich als Minimalist beschreiben würdest, aber auf der anderen Seite willst du Auswandern um ein überdurchschnittliches Einkommen zu erzielen und ein Vermögen aufzubauen. Dein Ziel ist dann eben nicht eine hohe Stückzahl unterschiedlicher (Konsum)guter anzuhäufen, sondern Vermögenswerte, aber bist du dadurch Minimalist? Das beisst sich aus meiner Sicht.

Vielleicht habe ich mich da nicht klar genug ausgedrückt. Ich wandere nicht in die Schweiz aus, um ein größeres Einkommen zu erzielen, sondern ich interessiere mich für fremde Länder, bin gleichzeitig umweltbewusst und will fliegen möglichst vermeiden, schaue dann, was für Länder übrig bleiben, berücksichtige dann noch zusätzlich welche Sprachen ich gut kann und welche nicht, ein bisschen für Geld interessiere ich mich zugegebenermaßen auch, und die Schweiz bleibt dann übrig. Wenn ich dann in ein abgefucktes WG-Zimmer ziehe, oder maximal ein möbliertes 1 Zimmer Apartment, weiterhin auf Autos verzichte, und parallel noch die Hälfte meiner Papiere rausschmeiße, und auch noch meinen eh schon kleinen Kleiderschrank noch weiter aussortiere, wie kannst Du dann auf die Idee kommen, dass ich kein Minimalist bin? In meiner Sicht hat Minimalismus tatsächlich erst mal nichts mit Vermögenswerten zu tun. Zumindest nicht, wenn man mal diesen fehlgeleiteten Statusminimalismus a la „platzsparendes Klappbett für nur 10000 Euro“ weglässt.

Ausserdem beklagst du dich darüber, dass "die Gesellschaft" (wer?) Sozialwissenschaften nicht wertschätzt (der Arbeitsmarkt schätzt sie nicht wert, aber das ist ein anderes Thema) und schreibst einen Satz später, dass du im Master dann "was mit Computern" machst um dann als Softwareentwickler in der Schweiz durchzustarten.
Wieso studierst du denn dann überhaupt etwas ausserhalb des Bereiches, wenn du dann doch nicht dort arbeiten möchtest? Und was macht dich Glauben dass du mit den Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt, welche beispielsweise Informatik studiert haben, mithalten kannst? Hast du Programmiererfahrung?

Ich frage das so scharf, weil auch bei uns in der gymnasialen Oberstufe stark dafür geworben wurde doch das zu studieren, was einen gerade so interessiert, man könnte dann doch immer noch XY per Quereinstieg machen, oder, egal mit welchem Studium, Unternehmensberater werden. Anscheinend wird man aktuell mit egal welchem Studium dann "Softwareentwickler"?
Ich konnte natürlich beobachten was aus meinem Abiturjahrgang geworden ist, besonders aus der Fraktion "ich studiere was mich interessiert". Nur soviel: Unternehmensberater ist nur einer, aber der hat auch in BWL promoviert.

Wieso studiere ich etwas in einem Bereich, in dem ich nicht arbeiten will? Ich denke, das sind erst mal zwei unterschiedliche Sachen. Studiert habe ich, weil ich mich jenseits von jeder Verwertungslogik mit Themen auseinandersetzen will, die mich interessieren, mit dem Ziel der Charakterentwicklung. Im Laufe meines Studiums habe ich Kontakte zu Leuten geknüpft, die in diesem Bereich arbeiten (häufig akademischer Mittelbau), und für mich festgestellt, dass ich das nicht will. Denn mit Charakterentwicklung hat das irgendwann nur noch wenig zu tun, und speziell akademische Philosophie stellt nicht die großen Fragen sondern die kleinen (Nicht: „was sollen wir tun?“ oder „was können wir wissen?” oder „Was sind die Voraussetzungen der Möglichkeit einer ersten Begründung?“ sondern „sind Bewertungen ein notwendiges Kriterium einer Definiton des Begriffs Handlung? In der zeitgenössischen Handlungstheorie ab 1990?“). Genausowenig hatte ich Lust, auf dem Arbeitsmarkt mit 500 anderen auf die eine Stelle zu konkurrieren, die interessant ist.

Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist anders als in den Geistes- und Sozialwissenschaften nicht die eine Stelle, auf die 500 Bewerbungen kommen, sondern die 500 Stellen, die man sich aussuchen kann. Nein, ganz so gut ist es natürlich auch nicht, aber in meiner Erfahrung ist gerade die IT auch offen für Quereinsteiger. Ja, ich habe 1 Jahr Erfahrung als Softwareentwickler (ja, ich kann programmieren), und meine Softwareentwickler Kollegen hatten z. T. ihren Hintergrund als Polsterer oder Journalist. So ziemlich alle Softwaretester bei uns haben alles studiert nur nicht IT, z. B. internationale Politik in Brasilien. D. h., ich konkurriere nicht mit Informatikern sondern mit Polsterern, Köchen und Politikwissenschaftlern – aus Pakistan oder Indonesien. Da habe ich relativ gute Karten (obwohl alle Pakistani-Entwicklerinnen, die ich kenne, das besser können als ich 😉 ). Fun fact: auch bei den Bindestrichinformatiken gibt es Qualitätsunterschiede. Ich war mal in einem Vorstellungsgespräch für eine IT Consulting Stelle im Bankenbereich, die Themen waren da Softwareentwicklung und Geschäftsprozessmodellierung sowie ABAP (am Rande).  Meinen Gesprächspartnern konnte ich glaubhaft vermitteln, dass ich technisch und fachlich dazu geeignet bin (obwohl ich das nicht gelernt habe). Sie haben mir auch erzählt, dass sie bereits schlechte Erfahrungen mit Wirtschaftsinformatikern gesammelt haben, weil diese nicht genug technische Expertise mitgebracht haben. Bindestrichinformatiken kann man oftmals auch nichttechnisch studieren, und das ist für manche Berufe in diesem Bereich ein Fehler. Aber selbst dann kann man noch SCRUM-Master werden o. Ä.

Was „die Gesellschaft“ hier genau bedeutet, würde zu weit gehen, aber ich meine hier dediziert bürgerliche und konservative Wertvorstellungen, die in Deutschland in vielen Kreisen (ich würde mal sagen so ca. 80%) üblich sind, in deren klarer Opposition ich mich befinde.

Zum Thema Auswandern (besonders in die Schweiz) gibt es einiges zu beachten und auch zu erzählen. Da können wir uns gerne in einem anderen Thema, oder mal per PN austauschen. Habe die BRD vor zwei Jahren verlassen.

Das finde ich eine gute Idee, ich habe hier ein neues Thema gestartet

Hier schliesst sich der Kreis dann wieder zum ursprünglichen Thema: Etwas studieren, was einen eigentlich interessiert, zum Beispiel Philosophie, aber auch Geschichte, Sozialwissenschaften, die gerne kritisierten "Gender Studies" usw. um dann später in einem völlig fremden Bereich zu arbeiten?

Im Bereich Unternehmertum gibt es ein geflügeltes Wort, oder ein Motivationsmantra was sinngemäss lautet "live some years like others won't to live the rest of your life like others can't". Ist das für euch Frugalismus?

Ich denke, z. T. habe ich die Frage schon beantwortet: meine Motivation für Studieren (zumindest im Bachelor) war nicht, mich für einen Beruf zu qualifizieren, sondern das zu lernen was mich interessiert. Das von Dir genannte Motivationsmantra leuchtet mir nicht wirklich ein. Fakt ist, dass man, wenn man in irgend einem Bereich Dinge erreichen will, die andere Menschen nicht erreichen, man auch Dinge tun muss, die andere nicht tun. Wenn Du z. B. stark heroinabhängig werden wolltest... Lassen wir das :). Aber das ist ja auch trivial. Und mit Motivation hat das meiner Meinung nach genau gar nichts zu tun. Motivation ist etwas, das intrinsisch ist, und nichts mit Überwindung zu tun haben kann. Denn ansonsten ist man einfach nicht motiviert. Wenn die Antwort, was einen motiviert, nicht „just for fun“ ist, oder sowas in der Art, macht man es meines Erachtens nicht richtig. Was das Mantra mit Frugalismus zu tun haben soll, verstehe ich erst recht nicht. Ich persönlich denke, dass Frugalismus in klarer Opposition zu Unternehmertum ist, zumindest wenn das Ziel des Unternehmens maximale Kapitalakkumulation als Selbstzweck ist, denn wieso sollte man maximal Kapital akkumulieren, wenn man nur eine bestimmte Summe braucht, um in Rente gehen zu können? Im übrigen will man doch eh nur sein Leben und seine Zeit genießen und ist minimalistisch? Frugalismus ist in meiner Auffassung gerade auch etwas, das Menschen mit normaler Ausbildung und normalem Auskommen auch mit mittelmäßigen Ambitionen als Lebensentwurf offen steht.
Ich habe jetzt aber auch nicht die Definitonshoheit über den Begriff „Frugalismus“ und kann auch nicht für andere hier sprechen.

In extreme Denkweisen abzugleiten, ist nie gut. Ich habe meine Erwersarbeit gemocht, aber vermisse sie seit 2009 nicht, weil ich mich gut selbst beschäftigen kann.

Wenn man wirklich unzufrieden ist, sollte man lieber über seine Arbeitszeit/-dichte oder eine andere Stelle nachdenken. Ich sehe keinen Sinn darin, mehrere Jahrzehnte unglücklich auszuharren.

Mit dem Minimalismus ist es das Gleiche: Wenn man nicht innerlich von dieser Lebensweise überzeugt ist, dann auch besser weg damit.

Ich finde es völlig in Ordnung, wenn andere Menschen auf mehr Konsum setzen, weil ich kein Dogmatiker bin. Leben und leben lassen. 🙂

Ich kann nur für mich sprechen. Ich bin kein hundertprozentiger Frugalist, aber ich lebe deutlich bescheidener als ich müsste.

Ich habe einen Vollzeitjob, ein Haus, ein Auto, alles was ich im Leben brauche.

Dadurch dass ich monatlich spare, habe ich einen Erfolg. Ich freue mich darüber nicht nur für das täglich Brot zu schuften, sondern am Ende etwas übrig zu haben. Ich freue mich wenn meine Anlagestrategie aufgeht, die Zahlen auf dem Konto wachsen und ich habe Null Problem damit wenn der Nachbar einen dicken Mercedes fährt.

Ich lebe im JETZT. Selbst wenn ich heute mehr Geld ausgeben würde, wäre ich mit meiner Arbeit nicht glücklicher. Oder anders gesagt: Macht dich deine Arbeit unglücklich, wechsle sie. Das hat mit Frugalismus nichts zu tun.

Evtl. könnte ich heute schon Teilzeit arbeiten, statt zu sparen, ja. Aber will ich das überhaupt? Derzeit nehme ich noch lieber das Geld als die Zeit. Mit steigendem Alter und vielleicht gesundheitlichen Einschränkungen werde ich aber nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen. Außerdem lebe ich recht alleine. Täglich Kollegen sehen, hat für mich auch eine soziale Komponente. Müsste ich mir täglich die Knochen kaputt schuften, sähe das natürlich anders aus.

Verzicht auf Konsum klingt so negativ. Wie wäre es mit "Befreiung von Konsum"? Je älter ich werde, desto mehr genieße ich die Einfachheit. Eine Freundin von mir hat ein vollgestopftes Wohnzimmer, zig Möbel, Blumentapete, Deko ohne Ende, Fensterbilder.... Sie verlässt keine Einkaufszone ohne ein neues Stück Deko und ein neues Kleidungsstück! Will ich das?

Auch heute noch kaufe ich selber Dinge, die ich am Ende nicht oder nur einmal benutze. Ich lebe sicher nicht so extrem frugal wie andere, aber da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Meine Zufriedenheit sinkt aber nicht damit, dass ich nicht alles ausgebe was ich habe

Zitat von Sparschwein am 20. Februar 2020, 0:07 Uhr

Ich muss spontan an einen ehemaligen Arbeitskollegen denken, der sich eine sehr grosse Wohnung mietete, die über 1/3 seines Nettoeinkommens kostete und regelmässig darüber klagte, dass am Ende des Monat kaum noch Geld zum Essenkaufen da sei. "Ja, selbstverständlich" wäre sein Leben viel besser, antwortete er, mal darauf angesprochen was es ausmachen würde, wenn er 20% Netto mehr verdienen würde.

Dummköpfe gibt's immer, wobei 1/3 für Wohnen noch im Rahmen liegt, damit kommen die meisten gut zurecht. Hängt idR davon ab, was sonst noch für Ausgaben getätigt werden (müssen).

Ich selbst bin ja auch kein Frugalist, zahle für meine Immobilie aber nur rund 20% von meinem Netto ab und bin damit deutlich unterdurchschnittlich unterwegs. Obendrein habe ich kein Hamsterrad, Familie/Freizeit kommt definitiv nicht zu kurz, Job kann ich ausüben, bis ich vom Bürostuhl falle. So what?

Zurück zum eigentlichen Topic:

Bei uns im Nachbarort war Karneval. Der schöne Umzug ist im vollen Gange.

Ein Bekannter kommt vorbei und beschwert sich, dass das Bier 2,50 € kostet.

  • Er zahlt keinen Eintritt
  • Es gibt eine Live-Band auf großer Bühne
  • Er sammelt gratis Bon-Bons ein, die geworfen werden
  • Das Bier wurde heran gekarrt und gekühlt

Ich habe ihm die genannten Punkte nicht aufgezählt, sondern gelacht. Wie kann man denn so geizig sein? Dann bleib doch zu Hause!

Zitat von Matsinho am 26. Februar 2020, 14:41 Uhr

Ich habe ihm die genannten Punkte nicht aufgezählt, sondern gelacht. Wie kann man denn so geizig sein?

Das hängt davon ab, wie man die Welt betrachtet. Wenn man noch nie 12h auf einem Bierwagen gearbeitet hat und sich nur das selbst mitgebrachte lauwarme Dosenbier von der Discounter-Palette gönnt, dann ist das natürlich teuer. Wenn man die volle Wertschöpfungskette kennt, sieht das schon wieder anders aus.

Zitat von Sparschwein am 19. Februar 2020, 12:41 Uhr

Sind somit in der Schlussfolgerung die Hamster im Rad nicht glücklich(er), da sie zwar aller Voraussicht nach länger arbeiten, aber den Weg auch viel mehr geniessen? Sind 20 Jahre Arbeit die man hasst nicht viel schlimmer als 40 Jahre arbeit die ganz in Ordnung waren?

TLDR: In der Frugalistenbewegung sehe ich häufig und auch bei mir, dass Menschen die Einstellung entwickeln Lebensfreude aufzuschieben in eine ungewisse, wenn auch wahrscheinliche Zukunft, in der nicht mehr gearbeitet werden muss. Wie schafft ihr es den Weg zu diesem Ziel als etwas positives wahrzunehmen und zu geniessen?

Ich kann Deine Frage gut nachvollziehen. Es ist ein bisschen ähnlich wie bei einem Gespräch. Wenn das Gegenüber ständig auf die Uhr schaut, entsteht der Eindruck, dass der/die Betreffende eigentlich das Gespräch beenden möchte. Er/sie ist nicht mehr voll dabei, sondern fokussiert schon auf etwas, was danach folgt. Es besteht die Gefahr, dass sich jemand dadurch zu sehr vom JETZT distanziert und nicht mehr voll präsent bleibt.

Deshalb ist die Frage schon berechtigt, ob es wirklich gut ist, sich selbst ein mögliches Ausstiegsziel zu setzen. Auf der anderen Seite kann man sich den aktuellen Job ja auch eher wie einen lehrreichen Teil einer Laufbahn vorstellen, wo der Job auf  Ausbildung/Studium aufbaut und wiederum abgelöst wird von einer Zeit, die auf den Erfahrungen aus diesem Jobbereich aufbaut, z. B. Selbständigkeit, die von den vorherigen Job-Erfahrungswerten profitiert und darauf aufbaut. So könnte der gegenwärtige Job als sehr wertvoll betrachtet werden, nicht nur als Geldgenerator, sondern als beruflich sinnvoller Erfahrungsgenerator. Der Weg ist das Ziel und dieser Weg folgt in zielorientierten Etappen und Lebensabschnitten.

Liebe Grüße, Laura Maelle