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Frugalismus (k)ein Modell für Deutschland?

Hallo zusammen,

ich habe mir vor einer Weile überlegt wie ich leben will und was ich eigentlich brauche. Gefolgt sind viele weitere Fragen und immer mehr Klarheiten darüber, wie ich mein Leben gestalten will und wie viel Geld ich zum Leben brauche und infolgedessen wie viel ich arbeiten muss. Ich würde mich daher als nachhaltigen und sparsamen Menschen betrachten der nur so viel arbeitet wie er muss. Und das ist halt die große Frage: Wie viel muss ich eigentlich arbeiten, so dass ich nicht auf Kosten von anderen lebe?  Ich habe diese Seite vor einer Weile gefunden und finde das Modell interessant, da ich quasi im Frugalisten Modus lebe, aber meine Arbeitszeit an meine Bedürfnisse anpasse und nicht maximal arbeite und spare um dann in Rente zu gehen.

Meine Frage nach dem wie viel arbeiten stellt sich hier genauso auch wenn ein bisschen anders.

1.) Wie viel muss ich eigentlich für die Gesellschaft arbeiten?

2.) Wie viel muss ich eigentlich für die Gesellschaft zahlen?

Das erste bedeutet:

Wir leben zusammen in einem System, das auf Arbeitsteilung basiert. Es gibt Gewisse Bereiche, die aufrecht erhalten werden müssen. Daraus resultiert für euch speziell: Wenn alle mit 40 aufhören würden zu arbeiten wer bringt dann noch den Müll weg und wer macht die Straßen neu? Reicht es wenn jeder von 18-40 arbeitet um unsere Gesellschaft am laufen zu halten? (Bei mir heißt es: wenn alle nur noch minimal arbeiten reicht das noch um das System aufrecht zu erhalten)

Das zweite:

Wir Leben in einem Staat in dem viele Bereiche durch Steuern finanziert werden. Wenn ihr mit 40 dann vom ersparten lebt werdet ihr vermutlich keine Steuern mehr zahlen und auch bei der Krankenversicherung "auf Pump" leben. Wie geht ihr damit um? Ich hatte letztens versucht den ökonomischen Fußabdruck zu ermitteln, also dass was jeder Bürger im Schnitt für den Staatsapparat zahlen muss. Ich kam auf 700€ (Staatshaushalt Bund, Land, Kommune) meine ich kann aber auch mehr oder weniger sein. Bei der Krankenkasse kam ich auf ca 350€ wer also weniger als 800€ Steuern im Monat oder weniger als 350€ GKV (inklusive Arbeitgeberanteil) zahlt lebt auf kosten anderer..

Beides sind ernst gemeinte Fragen die ich versuche für mich selbst zu beantworten. Wie viel müssen wir eigentlich arbeiten und wie sieht eine ideale Gesellschaft aus in Bezug auf Arbeits-/ Geld-/Ressourcenaufteilung ?

Was sagt ihr dazu, wenn jemand sagt ihr lebt auf Kosten der Gesellschaft da ihr irgendwann wenig oder gar keine Steuern/GKV zahlt und nicht mehr arbeitet?

Und jetzt wird es noch philosophischer: wie sieht eure Vision einer idealen Gesellschaft aus? Wie könnte es funktionieren wenn alle genügsam und frugalistisch leben würden?

Ein Gedanke ist: Es müsste weniger gearbeitet werden, da weniger hergestellt werden muss da die Leute genügsamer und besser haushalten. Wenn auch der Staat genügsamer leben würde und nicht große und unsinnige Investitions-/Konjunkturprogramme fahren würde müssten wir alle weniger arbeiten. Wenn Politiker genügsamer wären müssten wir weniger zahlen etc.... 😀 -> Im Endeffekt weniger Arbeit für alle.. aber sollte man sich mit 40 einfach ausklinken dürfen? Oder ist eure Gerechtigkeit dann: arbeite entweder hart für ne Weile oder weniger hart für immer?

Was man immer bedenken sollte ist, dass unsere Gesellschaft entgegen allem pseudo grünen Anstrich nach außen innerlich völlig ineffizient und auf Verschwendung ausgerichtet ist. Wir vergeuden sooo viele Ressourcen ohne Nutzen. Ich arbeite bei einem DAX Konzern und gehe jeden Tag mit 18.000 Kollegen durchs Werkstor. Wenn 15.000 davon daheim bleiben läuft der Laden exakt so weiter wie vorher. „Arbeit“ entsteht ja häufig durch die reine Anwesenheit. Ich spreche nicht vom Bandarbeiter der Verkäuferin oder der Krankenschwester. Aber zB im Controlling haut man sich 24/7 die Taschen voll und ob die geschätzt Zahl von vor 3Jahren heute richtig Oder falsch ist interessiert keine Sau mehr. Ich habe Maschinenbau studiert und arbeite in der Entwicklung. 90% meiner Tätigkeit sind reporting und PowerPoint das nützt der Gesellschaft nichts. Sprich man müsste für die Berechung die du anstellen wolltest auch in Betracht ziehen wieviel Leute weniger Berufserkrankungen hätten wieviel weniger Stress in der ganzen Gesellschaft wäre. Wenn hier nicht jeden Morgen tausende zur Arbeit pendeln würden sondern nur noch die Leute die notwendig wäre müsste auch kein Bahnhof für 10.000.000.000€ gebaut werden. Man spart sich die Polizei welche die Unfälle reguliert und eingebrochen wird auch weniger weil man ist ja daheim 😂 sorry für die etwas wirren Gedanken ....

Ne genau das hatte ich auch schon überlegt. Ich denke mir halt auch z.B. die Werbebranche ist komplett unnütz. Wer etwas braucht der informiert sich oder geht in den Laden und schaut was es gibt. Wofür brauchen wir Werbetafeln? Wie groß ist wohl der Schaden, der dadurch entsteht, das Leute nur wegen Werbung etwas kaufen, was sie sonst gar nicht benötigen oder ihnen sogar schadet?

Aber klar gewisse Bereiche sind nun mal unabdingbar: Ernährung, Pflege, Medizinische Versorgung. Und auch das Internet macht das alles hier möglich. Aber ich denke mir halt, wenn wir wirklich die Wirtschaft mal runter fahren würden auf das was wirklich "nötig" oder "gesund" ist hätten wir ganz viele Leute die sich dann auch in den Bereichen Soziales, Ernährung, Medizin, Pflege engagieren könnten oder ihren "wahren" Interessen oder Ideen hingeben könnten...

In dem Kontext finde ich auch die Postwachstumsökonomie ganz interessant. Da geht es ja auch viel darum.

Weniger in das System einzahlen, als es jeder pro Kopf machen müsste, wenn die Steuerlast ohne Berücksichtigung des Einkommens per Kopf erhoben würde, ist nicht assozial. In einem System, das Bevölkerungsteile mit höherem Einkommen höher belastet, als Bevölkerungsteile mit geringerem Einkommen, ist es nicht zu vermeiden, dass es Menschen gibt, die weniger einzahlen, als der Durchschnitt.

 

Trotzdem macht es das ja erst möglich, dass "ihr" so früh in Rente gehen könnt um es mal etwas provokativ auszudrücken. Also wenn ihr anstatt 800€ inklusive 0€ Steuern 18o€ GKV 800€ +700€ Steuern und +350€ GKV (vermutlich noch mehr) zahlen müsstet würde der Plan ja nicht auf gehen..

Wie gesagt, das trifft halt für meinen Lebensplan, ich komme auch mit 750€ im Moment aus und will in Zukunft meine Arbeitszeit dementsprechend anpassen, genau so zu und bringt mich in eine moralische Zwickmühle. Ich könnte jetzt also einfach nur 10 Stunden pro Woche arbeiten gehen und hätte genug. Ich müsste aber mindestens 2000€ verdienen um dann genug Steuern und GKV zu zahlen um meinen persönlichen öffentlichen ökonomischen Fußabdruck zu tilgen. Da wäre dann auch eine geringe Altersvorsorge drin um auch diese Last der Gesellschaft zu decken.

Diese 2000€ träfen ja für "euch" ab z.B. 40 genauso zu. so viel müsstet ihr dann quasi haben um 800€ netto zur Verfügung zu haben. Alles jetzt mal geschätzt. Es geht ums Prinzip..

Davon solltest du dich einfach lösen. Die Regierung verschwendet an allen Ecken und enden Kohle. Wenn weniger da ist würde man ja erst wirklich zum effizienten Wirtschaften gezwungen. Wobei die These leider auch nicht stimmt wie man in jeder Kriese wieder sieht.

Kennst du das Buch warum ist eigentlich genug Geld für alle da?

Ja, das stimmt. Es sollte mal Prämien für das nicht neu kaufen und das nicht neu bauen geben anstatt anders herum 😀Wo bleibt die Frugalistenpartei 😀

Das Buch hört sich klasse an ich werde es mal in der Bibliothek vormerken lassen..

Ich kann Postwachstumsökonomie, degroth empfehlen. Niko Paech mal rein schauen bei Youtube geht auch in die gleiche Richtung.

Hallo!

Wie Du auf Deine Zahlen kommst, ist mir unklar. Bei zwei Billionen Euro Staats-, Landes- und Kommunalschulden komme ich auf einen Anteil von 25.000€ pro Bundesbürger. Bei je einem Prozent Zins und Tilgung könnte man diese Schuld  mit 200€ pro Monat in 70 Jahren abtragen.

Unser höchst ineffizientes Gesundheitssystem verschlingt 250Mrd€ im Jahr. Macht ca. 260€ pro Einwohner und Monat. Bei einem frugaleren Lebensstil gäbe es wohl deutlich weniger Übergewicht und damit verbundene Krankheiten.

Wenn-alle-das-machen-würden-Überlegungen führen selten zu sinnvollen Ergebnissen. Und ohnehin ist der Einzelne kaum für die genannten Summen verantwortlich zu machen. Daher scheint es mir auch nicht besonders asozial, sie bei der eigenen Lebensplanung unberücksichtigt zu lassen.

 

Gruß, Tino

Okay, die 800€ waren jetzt etwas vereinfacht. Ich habe die Bundes-, Landes- und Kommunalausgaben zusammen gerechnet. Das sind dann die Kosten, die aber nicht nur durch die Einkommenssteuer gedeckt werden. Umsatzsteuer hat auch einen großen Teil. Das könnt ihr gerne mal selbst zusammen rechnen wie groß die Kosten sind die auf jeden Bürger kommen sind. Aber das macht in der Sache keinen Unterschied. Selbst wenn es "nur" 300€ oder 400€ sind die durch die Einkommenssteuer gedeckt werden müssen, jeder Bürger muss ja nun mal Steuern zahlen. Und da kommst du auch leider nicht mit "ich nutze vieles nicht" raus. Das kann jeder sagen. Auch du wirst von der Regierung vertreten, benutzt die Straßen (auch wenn als Radfahrer) etc... ich bin absolut z.B. alles was mit Auto zu tun hat 100% durch die Nutzer zu finanzieren. Aber das würde ja einen kleinen Teil aus machen. Wir Leben in einem System in dem wir zusammen halten und zusammen zahlen, für das was alle Nutzen.

Die Krankenkasse ist auch ein solidarisches System und klar zahlst du auch für Leute die einen "ungesunden" Lebensstil haben. Aber das tun viele andere auch. Und das ist ja auch gut und richtig so!

Daher bleibt die Frage: wie geht ihr damit um, wenn ihr keine oder zu wenig Steuern und zu geringe Kranken- und Pflegebeiträge zahlt? Müsste man die Einkommenssteuersätze und Krankenkassensätze für Menschen, die bewusst den Schritt des geringen Einkommens wählen (so wie ich es auch gerne tun würde) ändern?

Du hast Recht. Ich vergaß außerdem die laufenden Kosten. Bei einem Bundeshaushalt von ca. 600Mrd€ kommen noch einmal 625€ pro Nase und Monat obendrauf.

Dafür hast Du noch den Generationenvertrag vergessen. Da die Rentner von den aktiven Arbeitnehmern bezahlt werden, kämen noch einige Euro obendrauf. Aber dennoch: es ist ein Modell für einige wenige. Selbst hier im Forum finden sich kaum echte Frugalisten, die bereits in jungen Jahren ausschließlich von ihren Kapitaleinkünften leben (können). Ich selbst könnte diesen Zustand frühestens in 10-15 Jahren, kurz vor der Rente erreichen.

Sollte der Frugalismus sich zur Massenbewegung entwickeln, verändert sich ohnehin die ganze Gesellschaft und alles muss neu gerechnet werden. Aber daran glaube ich eh nicht...

Gruß, Tino

Das habe ich mir halt auch überlegt. Das coole ist natürlich, dass man sich dann mit 40 tatsächlich auch überlegen kann wie man den größten NUTZEN für die Gesellschaft bringen kann. Das Problem mit unserem jetzigen System ist, dass doch meist nur den größtmögliche Profit gefördert wird.

Z.B. der ökonomische Nutzen durch Ressourceneinsparungen und nicht benötigten Arbeitszeit durch nicht produzierten Güter ist durch einen Frugal/Minimalismus Lebensstil enorm. Dadurch, dass man seine wahren Bedürfnisse kennen lernt und den wahren Wert der Dinge und Aktivitäten für die man Geld aus gibt erkennt kann einfach ein sehr großer Gewinn entstehen der aber genau in die andere Richtung von Wachstum und Konjunkturerhöhung geht.