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Frugales Leben - volkswirtschaftlich betrachtet

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Hallo zusammen,

ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Grundfragen gesellschaftlichen Zusammenlebens, bleibt als Philosoph nicht aus. Dabei ist für die Praxis nichts so hilfreich wie eine gute Theorie. Hat sich von euch schon einmal jemand mit einer volkswirtschaftlichen Analyse der frugalen Lebensweise beschäftigt? Ich habe leider nichts gefunden und wäre über Hinweise dankbar. Ich habe mit Interesse die sozial- und moralphilosophischen Einträge gelesen, hätte jetzt aber gerne ein bisschen „knallharte Ökonomie“.... .

Sinkt nicht die Rendite, die ich mit meinem Kapital erwirtschaften möchte, wenn alle anfangen, ihr Geld auf die Seite zu legen? Kapital funktioniert doch nur über Knappheit, oder nicht? Ist das nicht eine ziemlich verschärfte Variante des Sparer-Paradoxons?

Wer kauft die Produkte, die Unternehmen herstellen, deren Anteile ich gekauft habe, wenn alle 75% ihres Einkommens sparen? Ist das nicht eine ziemlich verschärfte Variante des Schwarzfahrer-Paradoxons, die nur funktioniert, wenn ich mich anders verhalte als die Mehrheit?

Ist die Maßgabe, das Fünfundzwanzigfache meines Konsumbedarfs als Sparziel vorzugeben, nicht völlig willkürlich? Woher weiß ich denn, dass ich nicht einer Chimäre hinterherlaufe? Wenn ich es richtig verstanden habe, läuft es doch immer auf eine Ansparphase und eine Phase der Entnahme heraus. Im schlimmsten Fall bin ich doch dann mit sechzig genau wieder da, wo ich mit zwanzig angefangen habe, oder nicht? Ist das nicht nur eine Einkommensverlagerung, eine Streckung über einen langen Zeitraum?

Kann es eine volkswirtschaftliche Erklärung für Zinsen geben, die nicht durch ein Ausfallrisiko erklärt werden? Global gesehen vermehrt sich mein Geld ja nicht, ich wette nur darauf, dass jemand anderes etwas Produktives damit anfangen kann. Ein Wertpapier ist für mich auch nichts anderes als ein Kredit, den ich einem Unternehmen gewähre. Welche Zinsrate ist denn in den letzten einhundert Jahren abzüglich Inflation durchschnittlich zu erzielen gewesen?

Wäre toll, wenn sich die Ökonomen melden würden, ich bin ja eher fundamentaltheoretisch ausgebildet... . Ich habe von Mises Kritik des Sparerparadoxons gelesen, empfinde sie aber eher als Taschenspielertrick. Piketty schreibt, dass auf lange Sicht eine durchschnittliche Vermögensrendite nach Inflation von 1% (!!!) realistisch sei. Schumpeter sagt, alles ist egal, oft geht halt alles kaputt, manchmal habe man aber auch Glück.

Was sagt denn der aktuelle Stand der Wissenschaft?

 

Zitat von herrbecker am 26. September 2018, 15:41 Uhr

Sinkt nicht die Rendite, die ich mit meinem Kapital erwirtschaften möchte, wenn alle anfangen, ihr Geld auf die Seite zu legen? Kapital funktioniert doch nur über Knappheit, oder nicht? Ist das nicht eine ziemlich verschärfte Variante des Sparer-Paradoxons?

Es werden nie alle machen, so wie sich auch nicht alle ein Haus bauen.

Zitat von herrbecker am 26. September 2018, 15:41 Uhr

Wer kauft die Produkte, die Unternehmen herstellen, deren Anteile ich gekauft habe, wenn alle 75% ihres Einkommens sparen? Ist das nicht eine ziemlich verschärfte Variante des Schwarzfahrer-Paradoxons, die nur funktioniert, wenn ich mich anders verhalte als die Mehrheit?

Momentan ist es so das viele mehr konsumieren als der Welt gut tut und nur zu arbeiten damit ich mehr konsumieren kann, kann ja auch nicht das Ziel sein.

Zitat von herrbecker am 26. September 2018, 15:41 Uhr

Ist die Maßgabe, das Fünfundzwanzigfache meines Konsumbedarfs als Sparziel vorzugeben, nicht völlig willkürlich?

https://frugalisten.de/die-4-prozent-regel-wie-viel-geld-brauchst-du-um-nicht-mehr-arbeiten-gehen-zu-muessen/

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

Hallo dev,

vielen Dank für die Antwort.

zu 1. Sparer-Paradoxon /„Das machen doch sowieso nie alle!“

Ich suche einen volkswirtschaftlichen Ansatz. Das eine frugale Lebensweise schlau ist, stelle ich ja gar nicht in Abrede. Ich persönlich bin auch ziemlich konsumkritisch unterwegs. Nur stellt sich doch die Frage, ob es auch funktionieren könnte, wenn ein signifikanter Anteil der Bevölkerung nun doch deutlich mehr sparen würde. Volkswirtschaftlich gesehen funktioniert das Sparen (mit Zinsen und Zinseszinsen) ja nur, wenn ich jemanden finde, der mein Geld sinnvoll einsetzten möchte, oder nicht? Irgendjemand muss mein Sparvermögen doch einsetzen!

Mal abgesehen davon, dass früher nur wenige gedacht haben, dass alle Auto fahren oder in Urlaub fliegen werden. Gesellschaftlicher Wandel geht nicht notwendiger Weise den Weg, den man sich ausgedacht hat.

zu 2.: Schwarzfahrer-Paradoxon /„Es wird sowieso zuviel konsumiert!“

Setzt eine Deckelung meiner Ausgaben bei gleichzeitiger Ansparphase nicht voraus, dass trotzdem jemand Kapitalbedarf hat? Dass dieser Kapitalbedarf für Investitionen genutzt wird? Dass diese Investitionen sich rentieren? Wenn nun aber ein Grad der Bedürfnissättigung erreicht ist, der Investitionen unrentabel macht, fällt mir dann nicht meine Strategie auf die Füße? Funktioniert die Bedürfnisreduktion überhaupt oder setzt eine Angleichung ein, die mir eine 66%ige Sparquote unmöglich macht, weil ich für 33% meines Einkommens meine Bedürfnisse eben nicht mehr befriedigt bekomme? Darf ein Frugalist also niemals zum durchschnittlichen Wirtschaftssubjekt werden (volkswirtschaftlich gesehen)?

zu 3.: Die magischen 4% / 2500%

Meine Zahlen sind leider nicht besonders aktuell, eine Tendenz zeigen sie aber trotzdem. In Deutschland liegen (2012) ungefähr 12 Bio. € an Vermögenswerten herum, davon knapp 5 in Barvermögen und Sichteinlagen und 5 in Anlagevermögen. Dieses Vermögen (oder Kapital) erwirtschaftete etwa 2,8 Bio. € (BNE 2012). Davon entfielen knapp 1,3 Bio. auf Arbeitnehmerentgelte und 650 Mrd. auf Unternehmensgewinne. Das ist eine Rendite von 5%. Wenn ich jetzt volkswirtschaftlich davon ausgehen möchte, dass jeder innerhalb einer fünfzehnjährigen Ansparphase mit einem Einsatz von 66% seines Einkommens mit zum Schluss 990% seines Einkommens 33% seines Einkommens dauerhaft über Unternehmensgewinne (Dividenden, Zinsen usw.) erwirtschaftet, bekomme ich doch ein gewaltiges Problem:

Es müsste doch dann zu einer massiven Umverteilung weg von den Arbeitnehmerentgelten hin zu den Unternehmensgewinnen kommen! Die Summe erhöht sich ja nicht, da ich den Kuchen nicht mehrfach aufteilen kann. Bedeutet das nicht zwangsläufig eine deutliche Kürzung der gezahlten Gehälter? Wenn gleichzeitig nicht die Produktivität unvorstellbar stark zulegt, sodass die Menge an benötigter und bezahlter Arbeit zurückgeht? Woher kommen dann die Gehälter, die für eine Ansparphase nötig sind? Ich habe das dumme Gefühl, dass man derzeit in Norwegen und der Schweiz eine ähnliche Entwicklung beobachten kann.

Ich persönlich sehe einfach die Gefahr, dass eine frugale Lebensweise zu einer ziemlich bösartigen Schieflage in der Vermögensverteilung führen könnte, die es denjenigen, die arbeiten möchten und müssen, nicht mehr erlaubt, an einer entsprechende Lohnquote zu partizipieren. Die Verteilung ist ja ohnehin schon in Schieflage, aber das ist meine persönliche Meinung. Damit bleibt Vermögen bei denen, die es haben.

@herrbecker

Zur volkswirtschaftlichen Analyse der frugalen Lebensweise und "knallharte Ökonomie":

Ich denke die Menschheit läuft mit Ihrer derzeitigen Ökonomie geradewegs in die Selbstzerstörung hinein. Unsere Wirtschaftssystem ist darauf ausgelegt immer mehr und mehr zu produzieren um den Motor am laufen zu halten. Dabei ist das ganze schon lange nicht mehr am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet, sondern  Werbung, Marketing und die Tricks der Industrie (z.B. Sollbruchstellen in technischen Geräten) müssen die Menschen immer wieder aufs neue zum Kaufen und Wegwerfen bewegen. Alle zwei Jahre ein neues Smartphone, alle fünf Jahre ein neues Auto, die Eigenheime immer größer und größer. Das Ergebnis ist die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten als essentielle Lebensgrundlage. Wir verbrennen in einem Jahr soviel Erdöl, wie in der Erdgeschichte in einer Million Jahre aufgebaut wurde. Wir haben da einen grundsätzlichen Fehler im System, der nicht durch Schönheitsreparaturen, wie ein bisschen Umweltschutz gelöst werden kann. Schuld ist aus meiner Sicht unsere Zinssystem. Die Staaten bezahlen Schulden mit Schulden und sind deshalb auf ein stetiges Wirtschaftswachstum angewiesen, sonst bricht das Kartenhaus zusammen. Da müssen wir dringend ran, denn den meisten Wissenschaftlern ist heute schon klar, das die nächste Finanzkrise nur eine Frage der Zeit ist.
Selbstverständlich kann das System nicht mehr funktionieren, wenn alle Menschen frugal leben würden. Es ist aber auch gar nicht Ziel der Frugalisten, sich um Makroökonomie Gedanken zu machen. Hier geht es erst einmal um das Leben jedes Einzelnen und der eigenen Lebensplanung. Aber auf der anderen Seite, wenn alle so weiter machen wie bisher und sich nichts ändert, wird die Menschheit gegen die Wand fahren. Das Schicksal der Osterinseln ist ein mahnendes Beispiel menschlichen Irrsinns und wird sich für die gesamte Erde wiederholen.
Ich denke aber, dass der Frugalismus hier in einem ersten Ansatz schon mal in die richtige Richtung geht, da man sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientiert und erst einmal anfängt die richtigen Fragen zu stellen: Wieviel Wohnraum brauche ich? Wie oft muss ich neue Sachen kaufen? Wie teuer muss mein Auto sein? Brauche ich überhaupt eins? usw. Der zweite Schritt wäre jetzt eine neues Wirtschaftssystem zu denken, dass sich an dieser Lebensweise orientiert. Denn unser Wirtschaftssystem ist kein Naturphänomen mit dem wir leben müssen. Menschen haben es entwickelt und erdacht und somit kann man auch etwas völlig neues erdenken. Vielleicht müssen wir uns wieder mehr in Richtung Subsitenzwirtschaft bewegen, vielleicht gibt es auch etwas anderes, neue Ideen, die erst entwickelt werden müssen oder die schon da sind und nur verfeinert werden müssen. So wie sich die Menschheit vor 200 Jahren vom Feudalismus ins Industriezeitalter umstrukturiert hat, so müssen wir heute ebenfalls unser System komplett umkrempeln. Aber ich bin mir sicher, dass dabei etwas viel besseres herauskommt, als was wir aktuell haben. Die Menschen dürfen nur nicht immer so ängstlich sein und apokalyptisch denken (wie dass leider gerade der Fall ist). Diese Aufgabe ist aber eher eine Baustelle der Politik und der Wirtschaftswissenschaftler.

"Ist die Maßgabe, das Fünfundzwanzigfache meines Konsumbedarfs als Sparziel vorzugeben, nicht völlig willkürlich?"

Diese Maßgabe kommt von der 4%-Regel wie es @dev bereits erwähnt hat. Aber natürlich ist diese Maßgabe keine absolute Konstante, sondern nur ein Anhaltspunkt. Wieviel jemand aus seinem Kapitalstock entnehmen kann, hängt im wesentlichen von seiner Rendite ab. Das kann mehr oder auch weniger sein. Wer z.B. sein Geld mit der Vermietung von Wohnraum erwirtschaftet und dabei vielleicht 4,5% Mietrendite erzielt, sollte keine 4% entnehmen, sondern vielleicht nur 2,7. Wer dagegen mit einer guten Investitionsstrategie 10% am Aktienmarkt erwirtschaftet, kann durchaus auch 5% entnehmen. Damit ergibt sich, dass  entweder mehr oder weniger Kapital benötigt wird und somit das notwendige Kapital unter oder über dem 25-fachen liegen kann.

"Wenn ich es richtig verstanden habe, läuft es doch immer auf eine Ansparphase und eine Phase der Entnahme heraus. Im schlimmsten Fall bin ich doch dann mit sechzig genau wieder da, wo ich mit zwanzig angefangen habe, oder nicht? Ist das nicht nur eine Einkommensverlagerung, eine Streckung über einen langen Zeitraum?"

Ansparphase: ja; Entnahmephase: eigentlich nicht. Es sollte so sein, dass nach der Ansparphase soviel Kapital da ist, dass die Rendite höher ist, als meine Lebenshaltungskosten. Diese Rendite versuchen die meisten mit Aktien (ETFs) zu erwirtschaften. Es kann aber auch etwas anderes sein, vielleicht Mieteinnahmen. Das Kapital sollte aber nicht mehr wesentlich schrumpfen. Für Aktien ergibt sich nur die Notwendigkeit einen größeren Puffer zu schaffen, da es mitunter sehr lange Phasen geben kann in denen die Kurse schrumpfen und demzufolge Aktien nichts abwerfen.

"Kann es eine volkswirtschaftliche Erklärung für Zinsen geben, die nicht durch ein Ausfallrisiko erklärt werden?"

In Bezug auf ein Investitionsgut: Nein! Die Höhe der Zinsen - eigentlich jede Rendite - korreliert IMMER direkt mit der Ausfallwahrscheinlichkeit. Allerdings unter Berücksichtigung der Inflation, die ja sozusagen als "Sockel" noch dazu kommt. Der Leitzins dagegen ist eine politische Größe, die erst einmal weniger mit Ausfallwahrscheinlichkeiten zu tun hat.

"Global gesehen vermehrt sich mein Geld ja nicht, ich wette nur darauf, dass jemand anderes etwas Produktives damit anfangen kann."

Das Geld vermehrt sich durch die Vergabe von Krediten, denn die Zinsen, die ein Kreditnehmer bezahlen muss bzw. die Ihnen zufließen, werden ja erst in der Zukunft erwirtschaftet. Diese wiederum werden mit Geld bezahlt das aus Krediten anderer Marktteilnehmer ins System eingespeist werden. Es ist also kein reiner Tauschhandel, sondern eine stetige Geldvermehrung. Das ist ja die Krux an unserem Wirtschaftssystem, denn dadurch wird ein exponentielles Geld- bzw. Schuldenwachstum geschaffen. Die Wirtschaft muss also ebenfalls exponentiell wachsen um dies auszugleichen, was bei begrenzten Ressourcen unmöglich ist. Die Industriestaaten haben heute bereits eine Sättigung erreicht, denn irgendwann kann ein Mensch nicht mehr konsumieren und somit ist auch das Wirtschaftswachstum nicht endlos steigerbar. Die andauernden Schuldenprobleme der Staaten und die Nullzinsphase hängt eng damit zusammen.

"Ein Wertpapier ist für mich auch nichts anderes als ein Kredit, den ich einem Unternehmen gewähre."

Wenn Sie mit Wertpapier Aktien meinen, dann nein. Ein Kredit ist Geld, dass Sie zu einem vorher festgesetzten Preis - in Form von Zinsen - an einen Kreditnehmer vergeben. Dabei ist ersteinmal egal, was dieser damit macht. Ob er gut oder schlecht wirtschaftet ist nur für die Ausfallwahrscheinlichkeit interessant und beeinflusst dahingehend die Höhe des Preises, also des Zinses. Bei Aktien beteiligen Sie sich direkt an den Gewinnen des Unternehmens. Sie spekulieren auf die zukünftigen Gewinne und nicht auf eine festgelegte Rückzahlung. Der Aktionär hat also damit ein höheres Risiko, da er ja nicht weiß wie hoch der Gewinn sein wird und im schlimmsten Fall auch leer ausgehen kann, wenn das Unternehmen gar nichts verdient. Der Kreditgeber weiß was er in einem Jahr bekommt und kann demnach ganz anders kalkulieren, bekommt aber auch nicht mehr, wenn das Unternehmen plötzlich mehr verdient.
Und noch ein weiterer Punkt unterscheidet Aktien von anderen Wertpapieren. Aktien sind das Eigenkapital eines Unternehmens. Damit ist der Aktionär Miteigentümer und kann über das Unternehmen (bei der Hauptversammlung) auch mit entscheiden bzw. hat auch noch andere Rechte. Ein Kreditgeber, der beispielsweise Anleihen kauft, geht nur ein reines Vertragsverhältnis ein und kann gar nichts entscheiden.

Zitat von herrbecker am 27. September 2018, 15:55 Uhr

zu 1. Sparer-Paradoxon /„Das machen doch sowieso nie alle!“

Ich suche einen volkswirtschaftlichen Ansatz. Das eine frugale Lebensweise schlau ist, stelle ich ja gar nicht in Abrede. Ich persönlich bin auch ziemlich konsumkritisch unterwegs. Nur stellt sich doch die Frage, ob es auch funktionieren könnte, wenn ein signifikanter Anteil der Bevölkerung nun doch deutlich mehr sparen würde. Volkswirtschaftlich gesehen funktioniert das Sparen (mit Zinsen und Zinseszinsen) ja nur, wenn ich jemanden finde, der mein Geld sinnvoll einsetzten möchte, oder nicht? Irgendjemand muss mein Sparvermögen doch einsetzen!

Warum sollte das nicht funktionieren?

Das Geld wird dem Wirtschaftskreislauf nicht entzogen, im Gegenteil, das Geld hat jetzt jemand anderes und ich seine ehemalige Wertanlage. Grob gesehen ist der Aktienhandel ein Nullsummenspiel minus Gebühren & Steuern.

Ein Wertpapier ist für mich auch nichts anderes als ein Kredit, den ich einem Unternehmen gewähre.

Das kann man bei einer Kapitalerhöhung bzw. Börsengang so sehen, allerdings bekommt man keine garantierten Zinsen und eine Rückzahlung gibt es auch nicht.

Man kann die Aktie aber an einen anderen Anleger verkaufen.

Ich persönlich sehe einfach die Gefahr, dass eine frugale Lebensweise zu einer ziemlich bösartigen Schieflage in der Vermögensverteilung führen könnte,

Das glaube ich weniger, es gibt immer genug Menschen die über ihren Verhältnissen leben und die zahlen oft Zinsen von den andere Leben.

 

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

@fritz

Wirtschaften und Wirtschaft:

Ich bin wie Sie ebenfalls skeptisch in Bezug auf die Nachhaltigkeit unserer Wirtschaftsweise. Nur: Frugalisten nutzen es, im schlimmsten Fall sogar exzessiv. Nehmen wir einen typischen Frugalisten, der mit breit gestreuten Aktienportfolios versucht, eine Balance zwischen riskanten und weniger riskanten Investments zu finden, dabei aber trotzdem eine Performance ähnlich des allgemeinen Markttrends zu finden. Er spekuliert also auf eine durchschnittliche Rendite von etwa 7%. Mehr wäre ihm aber lieber. Was bedeutet aber eine jährliche Rendite von 7%? Exponentielles Wachstum! Also mag der Frugalist in seinen persönlichen Konsumentscheidungen bescheiden, nachhaltig und aufgeklärt sein, seine Investments in Höhe von einigen zehn- bis hunderttausend Euronen sind es nicht. Wie auch? Bei den Renditevorgaben?

Entnahmestrategie

Oliver hat in seinem Rechenbeispiel keine Inflation in seinen Konsumbedarf eingerechnet. Ich gehe also davon aus, dass er diese in seiner Entnahmestrategie unterbringt. Das bedeutet aber, dass er mindestens von einer Rendite von 6% ausgehen muss. Nur: Wo kommen die in der Ruhestandsphase her? Doch nur über den Verkauf von Kapitalanlagen, oder nicht? Also muss genau austariert werden, dass ich immer weniger als Renditerate minus Inflation entnehme, oder nicht?

Bin jetzt leider kein Ökonom, aber wir sind hier ja im Internet, und da dürfen auch Leute wie ich was sagen, auch wenn sie eigentlich nicht gefragtwerden;-):

Das mit dem Sparen und Knappheit wäre wohl schon so, aber, wie hier und andernorts schon geschrieben wurde: Macht ja nicht jeder.

Ich glaube auch nicht, dass diese Sache (wenn wir von diesem FIRE-Konzept reden, das hier eigentlich kaum einer so richtig verfolgt...) den Anspruch erhebt, eine neue Gesellschaftsordnung zu sein. Das ist eine höchstindividuelle Sache, und hat die Gesellschaft nicht im engeren Fokus.

Zu bedenken wäre noch: Auch die Leuten, die das FIRE-Konzept verfolgen, sparen nur über einen begrenzten Zeitraum einen Großteil ihres Einkommens. Wenn der Punkt der finanziellen Unabhängigeit erreicht wird, wird ja entspart.

Zinsen: Weiß gar nicht, wie das die Lehre sieht, spontan würde ich sagen: Zinsen bekommt man auf keinen Fall nur für das Ausfallsrisiko. Wie hieß denn dieser Österreicher (war er denn überhaupt Österreicher?) - wie auch immer: Zinsen zahlt bzw. bekommt man auch dafür, dass man Geld (oder was auch immer) für eine gewisse Zeit (nicht) zur Verfügung hat.

Zitat von herrbecker am 27. September 2018, 20:01 Uhr

Exponentielles Wachstum!

Ja, das Stimmt auch wieder. Wobei ein gewisses Wachstum schon allein durch die Inflation erreicht wird.

Zitat von herrbecker am 27. September 2018, 20:01 Uhr

Oliver hat in seinem Rechenbeispiel keine Inflation in seinen Konsumbedarf eingerechnet.

Das stimmt so nicht:

Quelle

Wenn du also 100.000 € je zur Hälfte in Aktien und Anleihen anlegst und die Renditen ungefähr so hoch und so verteilt sind wie in den von der Studie untersuchten Jahren, dann kannst du 30 Jahre lang jedes Jahr 4.000 € davon ausgeben (und diesen Betrag sogar jährlich an die Inflation anpassen), ohne dass dein Vermögen ganz aufgebraucht wird.

 

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

@ namir

Danke für die Antwort. Der Österreicher ist wohl F. A. von Hayek. Neoklassischer Liberalismus, sog. Österreichische Schule. Hayek geht ziemlich abfällig mit Keynes um, prinzipiell verstehe ich aber, was er meint. Zinsen sind seiner Meinung nach nicht nur ein Ausfallrisikoausgleich, sondern gewissermaßen der „Preis“ von Kapital. Das Verrückte daran ist nur, dass er damit schön Verwirrung stiftet. Es gibt ja schon länger die Unterscheidung zwischen Produktionsfaktoren wie Arbeitseinsatz, Betriebskapital usw. Hayek macht aus dem Kapital halt eine handelbare Ware, wie Orangen. Ich glaube, damit begibt er sich in eine Sackgasse und fällt hinter den klassischen Liberalismus und auch Marx zurück. Ich verkaufe dann Orangen, damit ich später mehr Orangen habe.... .

@ dev

Exponentielles Wachstum, Zins und Zinseszins

Ich bin ein durch und durch säkularer Mensch und habe mit Religion wirklich nichts am Hut, aber es ist ja schon interessant, dass du in vielen Glaubensvorschriften ein Zinsverbot findest. Man scheint also früher schlechte Erfahrungen damit gemacht zu haben.

Inflation:

Heute geistern wieder Konjunkturberichte durch die Presse. Finde es erstaunlich, wie beiläufig da explosive Informationen eingestreut werden.

Ich verstehe immer noch nicht, wie Oliver das anstellen will. Er geht von einem statischen Konsumbedarf aus, den er nicht der Inflation anpasst. Dafür passt er seine Entnahmestrategie der Inflation an. Er entnimmt also während der Phase, in der kein Vermögensaufwachs mehr entsteht, seine Bedarfsrate x + Inflationsausgleich. Aber er muss doch auch einen Inflationsausgleich in seinem Kapitalstock durchführen! Sonst hat er im nächsten Jahr bei 2% Inflation nur noch 98% Kapital. Damit braucht er in der Entsparphase doch mindestens 2+2+4% Jahresrendite. Acht Prozent!

Zitat von herrbecker am 28. September 2018, 9:17 Uhr

Ich verstehe immer noch nicht, wie Oliver das anstellen will. Er geht von einem statischen Konsumbedarf aus, den er nicht der Inflation anpasst. Dafür passt er seine Entnahmestrategie der Inflation an. Er entnimmt also während der Phase, in der kein Vermögensaufwachs mehr entsteht, seine Bedarfsrate x + Inflationsausgleich. Aber er muss doch auch einen Inflationsausgleich in seinem Kapitalstock durchführen! Sonst hat er im nächsten Jahr bei 2% Inflation nur noch 98% Kapital. Damit braucht er in der Entsparphase doch mindestens 2+2+4% Jahresrendite. Acht Prozent!

Er geht davon aus das die Aktienkurse im langjährigen Schnitt 7-8% Kurszuwachs hatten und deshalb werden 4% entnommen, in der Hoffnung das es klappen wird, siehe Entnahmerisiken.

https://frugalisten.de/die-4-prozent-regel-wie-viel-geld-brauchst-du-um-nicht-mehr-arbeiten-gehen-zu-muessen/

Es muss also eine etwas kompliziertere Rechnung her. Etwa so eine, wie sie Forscher der Trinity-Universität in Texas im Jahr 1998 durchgeführt haben. In dieser so genannten Trinity Study sind die Wissenschaftler zunächst virtuell ins Jahr 1925 zurück gereist. Dort haben sie ein fiktives Geldvermögen zur Hälfte in US-Aktien und zur Hälfte in Anleihen angelegt und dann berechnet, wie viel von diesem Vermögen man in den folgenden Jahren pro Jahr hätte ausgeben können, ohne innerhalb von 30 Jahren Bankrott zu gehen. Diese Rechnung haben sie dann für alle einundvierzig 30-Jahres-Zeiträume zwischen 1925 und 1995 wiederholt (also für 1926 bis 1955, 1927 bis 1956 und so weiter).2

Das Ergebnis: Selbst im ungünstigsten Fall (nämlich wenn du direkt vor dem großen Börsencrash von 1929 gestartet wärst), wärst du nicht pleite gegangen, wenn du deinem Ersparten jedes Jahr höchstens vier Prozent deines anfänglichen Vermögens entnommen hättest.

Wenn du also 100.000 € je zur Hälfte in Aktien und Anleihen anlegst und die Renditen ungefähr so hoch und so verteilt sind wie in den von der Studie untersuchten Jahren, dann kannst du 30 Jahre lang jedes Jahr 4.000 € davon ausgeben (und diesen Betrag sogar jährlich an die Inflation anpassen), ohne dass dein Vermögen ganz aufgebraucht wird.

https://frugalisten.de/von-den-zinsen-leben-entnahmestrategien/ Teil 1-4

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett
Zitat von herrbecker am 28. September 2018, 9:17 Uhr

Exponentielles Wachstum, Zins und Zinseszins

Ich bin ein durch und durch säkularer Mensch und habe mit Religion wirklich nichts am Hut, aber es ist ja schon interessant, dass du in vielen Glaubensvorschriften ein Zinsverbot findest. Man scheint also früher schlechte Erfahrungen damit gemacht zu haben.

Ja, aber was nützt es mir das ich den Zinseszins doof finde, aber die Welt damit arbeitet?

Und es ist ja nicht so das sich jede Investition rechnet, sondern es gehen auch ganz viele Pleite, dann ist das investierte Kapital weg. Desweiteren kann ich neben meinen rentablen Anlagen auch in Unternehmen investieren die aus meiner Sicht gutes tun.

 

»In meinem Alter begreife ich, dass Zeit mein kostbarster Besitz ist.« »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« »Eine Aktie zu verkaufen die fällt, ist in etwa so, als ob man ein Haus für 100.000 Dollar kauft und es verkauft, sobald jemand 80.000 Dollar dafür bietet.« Buffett

Zunächst Kompliment an Herrbecker, der ein schönes Thema aufgemacht hat!

Viele der hier schon genannten Positionen kann ich teilen, insbesondere die Hinweise, dass der Ressourcenverbrauch der Welt früher oder später unserer Art zu wirtschaften Limits setzen wird, wie genau, das scheint aus heutiger Sicht in ihrer Wirkung eher unüberschaubar .

Worauf ich aber gezielt hinweisen möchte:

Renditen an der Börse haben mit Zinsen nichts zu tun. Jeder der Aktien kauft beteiligt sich am Stammkapital einer Firma. Das heißt, dass er einen direkten  Anteil an der Firma besitzt.

Schritt 1:Firmengründung:  Das Geld wird also tatsächlich von den Anlegern/Gründern der Firma eingezahlt. Diese Kapital wird am Registergericht als Stammkapital,  also fester Wert eingetragen; meist zunächst als GmbH. z.B. Stammkapital 1.000.000 €, und in beliebige Sückelungen/Stimmrechte unterteilt, je nachdem, wie viele Leute (Gesellschafter) da mitmachen wollen. Die Firma beginnt also zu arbeiten und die das Geschäftsmodell läuft. Es wurden Maschinen gekauft. Leute eingestellt. Die Maschinen wurden z.T. fremdfinanziert (d.h. von Banken, dazu später mnehr) und die Firma schreibt Gewinne.

Schritt 2: Die Firmengründer wollen entweder wachsen und benötigen viel Geld (oder wollen ihre Firma verkaufen), z.B. um auch in Asien Produktionsstätten auszubauen. Die Bank sagt; nein, das ist eine Nummer zu groß, kein Geld mehr von uns. Man enstchließt sich an die Börse zu gehen. Folge und das ist nur eine von mehreren Möglichkeiten; jedoch mit dem gleichen Resultat: Man nimmt von den Altgesellschaftern, die ja aus Schritt 1 alle bekannt sind neues Geld und erhöht sein Stammkapital: z.B. Jeder bringt noch mal doppelt so viel Geld aus seinen Ersparnissen. Folge: Man hat ein (tatsächlich eingezahltes) Stammkapital von 3.000.000 €. Die Anteile werden dann in 5,--Stückelungen beim Registergericht angemeldet und hat somit 600.000 Firmenanteile zu je 5,- € Nennwert angemeldet. Gleichzeitig sagt man, ich will keine GmbH mehr sein sonder will die Rechtsform AG haben.

Schritt 3: Die Firma geht an die Börse. Wichtig: Je nach bisherigem Erfolg der Firma sagen die bisherigen Firmeneigentümer: Ich will nicht nur den Nennwert haben, sondern ich bewerte die Firma (da ja schon Erfolg vorzuweisen ist) mit dem vierfachen Wert. Jetzt ändert sich alles: Ab sofort wird also nicht mehr der Wert der Firma intern zwischen den Altgesellschaftern via Stammkapital diskutiert, sondern von der Öffentlichkeit. Kann sein, die Börse, also alle, die Aktien kaufen wollen (hier die Foristen zum Beispiel) bezahlt den vierfachen Wert des Nennwerts, kann sein nur den zweifachen, kann aber auch sein, dass niemand sich an der Firnma beteiligen will weil das Konzept nicht überzeugt, und die Firma wird ihre Aktien nicht los, oder eben nur bei niedrigeren Kursen.

Schitt 4: Alles hat geklappt und genug Leute hatten Interesse bei der Firmsa einzusteigen. Die Aktionäre verfolgen ständig die Geschäftentwicklung via Quartalszahlen und die Firma wird täglich (je nach News) anders bewertet. Das Stammkapital ändert sich nicht!

Schritt 5: Der Vorstand der AG will tatsächlilch expandieren, geht zu Bank unds sagt: 3.000.000 € haben wir Stammkapital, an der Börse sind wir aber mit 12.000.000 Mio bewertet derzeit. Wir brauchen 2.000.000 € Kredit für eine neue Maschien/Halle.... Die Bank sagt: "Ok wir glauben dran und geben auch Geld, aber: Wieviel Eigenkapital habt ihr denn?" Da die Firma durch den Börsengan ja 12.000.000 € eingenommen hat, nimmt sie 1.000.000 € also 50 % der geplanten Investition auf die eigene Kappe und will nur noch 1.000.000 € von der Bank. Ab sofort ist eine Verzinsung ein Thema und zwar doppelt:

1.) Wenn ich als Firma 1.000.000 € von meinem eigenen Geld nehme, muss das gegenüber den Aktionären schmackhaft gemacht werden. Man sagt dann: Ich will mein Eigenkapital für das Projekt mit 8 % verzinst haben. Es gibt einen internen Kreditvertrag, der aber auch nur eine Zielgröße sein kann. Meistens nachrangig, das heißt der Zins muss nicht unbedingt bedient werden, sondern die Zahlungen an Mitarbeiter, Sozialkassen, ... haben stets Vorrang.

2.) Die Bank gibt die anderen 1.000.000 € und will verpflichtend 5 % haben. Gleichrangig mit sonstigen Verpflichtungen der Firma.

Bewertung: Die Verzinsung des Eigenkapitals ist unsicher, da alle anderenrechtlich  gesehen vorher ihre Zinsen bekommen. Also ist der Zinsssatz stets höher! Die Bank muss einen niedrigeren Zins akzeptieren, da sie immer ihren Zins bekommt; also das Ausfallrisiko niedriger ist. Hier könnte man noch das Thema Firmenanleihe einziehen... mache ich jetzt aber nicht.

Schritt 5: Die Firma arbeitet mit der neuen Maschine und hat Erfolg. Folge:

1.) Sie meldet die guten Geschäftszahlen an die Öffentlichkeit. Die Anteilseigner (Aktionäre) sind begeistert und jeder will einen Firmenanteil haben. Folge: Der Kurs steigt. Das ist die Renditemöglichkeit 1 für den Aktionär. Kurssteigerung. Er kann zu höherer Kursen verkaufen als er selbst gekauft hat.

2.) Die Firma hat so viel Überschuss erwirtschaftet und sagt nun: Jeder soll was abbekommen und schüttet Geld an seinen Anteilseigner. Die sog. Dividende. Das ist die zweite Möglichkeit für einen Anleger eine Rendite zu erzielen.

1.) plus 2.) = Gesamtrendite aus Sicht des Aktionärs. Das hat jedoch mit Zinsen nix zu tun, da ein Zins eine feste Zusage gegen einen Geldbetrag wäre; hier handelt es sich aber um eine Firmenbeteiligung; also um eine Beteiligung am StammKAPITAL einer Firma. Ein Zins ist das also nie, da sich beides nicht garantieren lässt. Aber: Wenn das regelmäßig passt was die Firma so veröffentlicht hat man eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Management auch erfüllt was es verspricht.

Zurück zum Thema von HerrBecker:  Man beteiligt sich an einer Firma, ganz individuell. Und somit hat man auch die Wahl die Art des Wirtschaftens  von uns allen etwas zu beeinflussen. Ich kann mich gezielt von der Ölindustrie fernhalten und gezielt "grüne" Investitionen fördern, da mit meinem Geld gezielt Firmen kapitalisiert und somit Projekte realisiert werden können oder auch nicht. Langfristig gut wirtschaftende Firmen/Projekte sorgen als auch für eine nachhaltige Rendite. Die Börse ist keineswegs eine Einbahnstraße mit festen Playern sondern "brutalst gerecht", langfristig. Firmen mit schlechten Produkten, endlichem Ressourcenverbrauch ... verschwinden früher oder später, Firmen mit nachhaltigen Modellen werden neu gegründet oder sind langfristig erfolgreich. Ich glaube mich zu erinnern gelesen zu haben: Die durchschnittliche Präsenz (in USA) einer Firma an der Börse ist nur um die 10 Jahre, dann verschwinden die wegen Misserfolg wieder; oder werden gekauft da erfolgreich und attraktiv für andere, größere Firmen.

Was heißt das für den Investor: Er muss die Firmen finden die langfristig Erfolg haben und das Mangement erfolgreich Überschüsse erwirtschaftet. Sozusagen: Egal mit was. Selbst in schrumpfenden Wirtschaften gibt es Firmen denen es besser geht als zuvor.. und wenn es Insolvenzverwalter sind. Eine Endlichkeit des ERfolgs von (ausgewählten) börsennotierten Unternehmen kann ich also nicht erkennen. Im Gegenteil : Je mehr Leute Investoren werden, desto höher können die Kurse steigen, gleichwohl ein Absturz dann wahrscheinlicher wird, da ja der Gewinn die Bewertung nicht mehr rechtfertigt. .. Ein Detail am Rande.

@ dev
Mir geht es ja gar nicht darum, ob ich persönlich jetzt Zinsen toll finde oder ob sie das „Werk des Teufels“ sind. Die Frage, die sich mir stellt, ist nur die, ob es eine volkswirtschaftliche Erklärung gibt, die eine dauerhafte Sparquote von 66% für möglich hält, nicht unbedingt als individuelle Anlagestrategie, sondern eben als gesellschaftliches Phänomen. Ich persönlich habe aus unterschiedlichen Gründen Bedenken, finde die frugalistische Gesamtidee aber eigentlich ganz passend für mich und meine persönliche Lebensführung. Es finden sich ja auch eine Menge geschichtlicher Vorbilder für eine solche Lebensgestaltung.
Ich glaube aber, dass die Idee, die Oliver hat, volkswirtschaftlich nicht funktioniert. Ich versuche das grade, mit meinen beschränkten Mitteln mal auszuformulieren, das hat aber eher gesellschaftstheoretischen Charakter. 
Für praktisch denkende Frugalisten ist das wahrscheinlich egal, zumindest, bis der große Knall kommt ... . 😜
Link folgt, zufrieden bin ich noch nicht... .
@ Absprung2020
Danke für die Klarstellung!
Prinzipiell habt ihr natürlich recht. Generell finde ich Unternehmensbeteiligungen sowie ziemlich sinnvoll.
Mir ging es allerdings eher um die Unterscheidung zwischen Vermögenswerten einerseits und ihren Erträgen andererseits. Oliver will oder muss ja auf Erträge aus seinem Vermögen im Umfang von 6-9% kommen. Und das halte ich - volkswirtschaftlich gesehen bzw. gesellschaftstheoretisch betrachtet - für problematisch.

@herrbecker
Zu Ihrer Antwort vom 27.09.18 20:01

Wirtschaften und Wirtschaft:
Das exponentielle Wachstum ist, wie bereits erwähnt, ein langfrisitges Problem und ist auch bei den Frugalisten nicht wirklich gelöst. Aber das ist zum einen nicht das Ziel, denn es geht ja erst einmal nur um die persönliche Lebensgestaltung und dem Ziel mehr Freiheit zu erlangen. Zum anderen ist es auch nicht das Ziel der Frugalisten die Rendite zu maximieren. Es geht hier nicht darum die Rendite immer weiter zu steigern und am Ende exorbitante Gewinne zu erwirtschaften. Vielmehr liegt der Fokus auf einer kontinuierliche, stetige Rendite mit akzeptablen Risiko. Das beste Rendite-Risiko Verhältnis haben dabei Aktien. Es wird hier also kaum einer mit Hebelprodukten oder sonstigen schwindeligen und hochspekulativen Anlageformen agieren.

Wenn wir mit 7% Rendite rechnen, so müssen wir aber gleichzeitig die 4% Entnahme davon abziehen, denn das sind ja die Lebenshaltungskosten, die wieder ausgegeben werden. Es entsteht also nur ein exponentielles Wachstum mit 3% p.a. Das ist schon mal wesentlich weniger. Nun könnte aber auch einer entscheiden, dass er seinen Kapitalstock nicht mehr als z.B. auf 800.000 EUR anwachsen lässt. Dass heißt, alles darüber hinaus gibt er wieder aus, verschenkt es an seine Kinder oder spendet es und gibt es so wieder in den Wirttschaftskreislauf frei. Das ist dann aber eine individuelle Entscheidung. Zum Problem wird das ganze ja nur, wenn jemand das Geld nur hortet.

Das Problem haben wir aber auch bei jedem Arbeitnehmer, der für ein privates Unternehmen arbeitet, es entsteht dort nur an einer anderen Stelle. Der Arbeitnehmer erwirtschaftet beispielsweise das 6-fache von seinem Gehalt. Was macht das Unternehmen nun mit dem Gewinn, den der Arbeitnehmer ihm gebracht hat? In der Regel wird es expandieren und seinen Gewinn weiter maximieren. Es entsteht also bei dem Unternehmen eine sogenannte exponentielle Kapitalsenke. Wie bereits gesagt, es ist ein Fehler im System.

Entnahmestrategie:
Das Problem mit der Inflation kann man vernachlässigen, wenn man es auf beiden Seiten der Gleichung eliminiert. Die durchschnittliche Rendite bei Aktien beinhaltet nämlich die Inflation bereits. Sie ergibt sich aus Inflation, Produktivitätszuwachs und fallenden Zinsen. Wenn also die Lebenshaltungskosten inflationsbedingt steigen und entsprechend mehr entnommen werden müsste, steigt auf der anderen Seite auch die durchschnittliche Rendite der Aktien.
Die Rendite kann in der "Entnahmephase" entweder durch Verkäufe oder durch Dividenden erzielt werden. Die Dividendenrendite steigt, je weiter der Einkauf zurück liegt bzw. der Kurs in dieser Zeit gestiegen ist. (Eine Siemensaktien, die ich vor 15 Jahren gekauft habe, hat heute vielleicht auch 6% Dividendenrendite.) Die Entnahme muss immer unter der jährlichen (Netto-)Rendite liegen. Ich persönlich würde nicht mehr als 2/3 entnehmen. Bei 6% wären dass also die bereits erwähnten 4%. Die Inflation kann man dabei aus den oben erwähnten Gründen vernachlässigen, da diese ja auf beiden Seiten der Gleichung wirken.

Ich habe nochmal ein wenig recherchiert. Im deutschen Mittelstand liegt die Umsatzrendite zwischen 5% im produzierenden Gewerbe und bei gut 17% in wissensbasierten Dienstleistungen, der Durchschnitt etwa bei 7%. Die großen Aktiengesellschaften sind ziemlich heterogen, VW und die Lufthansa schaffen gerade mal 3%, Mercedes und Nestlé gerne auch mal 15%, den Vogel schießen Software-Unternehmen ab, die manchmal an den 30-40% kratzen.

Nachhaltigkeit und die Schwierigkeiten exponentiellen Wachstums mal außen vor, würden die Margen eine 7%ige Rendite also schon hergeben.

Frage an die BWLer und Finanzwirte:

Ziehen die Unternehmen Investitionen ab, bevor sie die Umsatzrendite berechnen? Oder werden Rücklagen aus dem operativen Gewinn gebildet? Oder gilt so etwas als Erhöhung des Eigenkapitals?

Umsatzrentabilität = Gewinn / Umsatz ; Die Frage was mit dem Gewinn im Anschluss passiert, steht auf einem ganz anderen Blatt und wird in der Regel bei der HV ertschieden. Meistens bleibt ein Teil im Unternehmen für Investitionen und ein Teil wird als Dividende ausgeschüttet. Auch die Frage nach der Bildung von Rücklagen hat primär nichts mit den Rechengrößen "operativer Gewinn" oder "Umsatzrentabilität" zu tun. Der Gewinn sorgt zunächst einmal immer für eine Erhöhung des Eigenkapitals und damit auch der Bilanzsumme.

@Herrbecker, 13:46 Uhr.

Um Investitionen zu stemmen geht es zuallerst um Liquidität. Woher die kommt ist zunächst sekundär: EK, FK oder Kapitalerhöhung ist alles möglich. Die Investitionssumme wird dann abgeschrieben (legt der Gesetzgeber/Steuerberater fest und schmälert den zukünftigen Gewinn, per Buchung auf dem Konto Abschreibungen). Zinszahlungen an Banken sind Betiebsausgaben und schmälern ebenfalls den Jahresgewinn und können auch steuerlich geltend gemacht werden. UmIhre Frage zu beantworten: Ja, die ziehen das vorher ab, jedoch nicht auf einmal sondern per Abschreibung. Rücklagen werden und dürfen nur aus Gewinnen gebildet werden. Nicht zu verwechseln mit Rückstellungen, das sind später erwartete Kosten die aus dem laufenden Jahr herrühren.

Zu Ihrem volkswirtschaftlich-philosophischen Ansatz möchte ich noch einen Gedanken einbringen:

Vielleicht wird Ihnen wirtschaftlilcher Erfolg eines Sparers klarer und auch versöhnlicher , wenn Sie den von Ihnen bereits akzeptierte Gewinnansatz bei Firmen zugrunde legen. Ich glaube Hayek wars der eine Einzelperson oder Familie als kleinste wirtschaftlich tätige Einheit betrachtet hat; die wie eine Firma arbeiten muss und Gewinne erwirtschaften muss um zu investieren in Bildung für die Kinder, Konsum usw. Gewinn? Wie das? In der Einheit Familie ist der Gewinn nix anderes als die Sparsumme. Die Eltern bieten Ihr Produkte/ihr Können Arbeitskraft, Kreativität... einem Arbeitgeber oder Auftraggeber an. Dafür gibts ein Gehalt, jeden Monat.

Jeder Mensch kann ein Tätgkeit ausführe , manche besser manche schlechter. So gibt es unterscheidliche Geschäftsmodelle... vom Landwirt bis zum Software Designer. Klar, wie es in der Wirtschaft so ist, nicht alle können das gleiche produzieren; es braucht Diversifizierung in einer modernen Industriewelt. Die beste Idee seine Geschäftsidee anzubieten setzt sich durch und wird mit wirtschaftlichem Erfolg belohnt, kein Gewinn..geht die Firma pleite wenn das nicht gut war.

Bei der Einheit Familie ist das nicht anders. So gesehen haben Sie recht: Wenn alle Frugalisten wären und jeder nur sein Kapital (per Aktie) anderen bereitstellen will, dann machen ALLE PLeite, weil das Geld keine Rendite abwerfen kann wenn keiner mehr Wertschöpfungsmöglichkeiten umsetzt. Ein Frugalist ist eines der möglichen Geschäftsideen im privaten Kleintswirtschaftsumfeld Familie. Andere arbeiten doppelt so viel, .... auch eine Idee.

Jetzt aber zu bewerten was richtig ist für jede Familie? Kann man nicht machen, genau auch wie in der Wirtschaft:

Sie sagen ja auch nicht ein Landwirt ist wichtiger als ein Bäcker wichtiger als ein Arzt.

Es ist ein Wettbewerb der wirtschaftlichen Lebensentwürfe. Klar auch: Jeder der Aktien kauft stellt Stammkapital bereist, letztrangig in der Risikoabwägung wenn was schef geht. Also, trägt das höchste Risiko, vor den Arbeitnehmern, Sozialkassen, Banken... Wirtschaft. Das schafft Arbeitsplätze und Wohlstand für alle. Der Frugalist lebt in einer Nische wie alle anderen individuell betrachtet ja auch.

May the best Idea win!

 

Zurück zum Zins - wenn es hier auch nur ein Nebenschauplatz ist: Von Hayek wird es wohl gewesen sein, vielen Dank - muss ich bei Gelegenheit mal nachlesen. Was bei mir hängen blieb, war v.a. die Lösung des moralischen Problems des Geldverleihs gegen Zinsen. Zinsen waren ja wohl deswegen lange Zeit etwas schwierig, weil es als Leistung des Schuldners ohne wirkliche Gegenleistung des Gläubigers gesehen wurde - das Geld ist ja nur geliehen, und wird auch wieder voll zurückgegeben - womit der Gläubiger nachher genauso gut dasteht, wie vorher. Wenn man jetzt den Faktor Zeit mit reinbringt, gibt es aber doch eine Gegenleistung des Gläubigers: Der Verzicht auf sein Geld für eine bestimmte Zeit.

Volkswirtschaftlich sehe da auch nur ein Problem, wenn die im Blog propagierte (wohl aus Amerika herübergeschwappte) Idee ("FIRE") eine Art neues Gesellschaftsmodell würde - oder zumindest von einem kritischen Anteil der Bevölkerung praktiziert würde.

Das ganze läuft auf einen Seitenwechsel einzelner von der Arbeit zum Kapital hinaus -  es ist nicht revolutionär in dem Sinn, dass eine vorhandene Ordnung durch ein andere Ordnung ersetzt werden soll. Dass das Wirtschaftssystem als ganzes bleibt, wie es ist - (also Arbeit und Konsum deutlich oberhalb dessen, was bescheidene Menschen für sinnvoll halten) - ist Voraussetzung dafür, dass es funktionieren kann Es hätte einen - von den Verursachern ungewollten - revolutionären Effekt, wenn alle auf einmal bescheiden würden, sehr viel sparten, und entsprechend weniger arbeiten würden (sei es, dass früher aufgehört wird, oder auch, dass schnell einfach weniger gearbeitet wird).

Dass das auf einmal weite Teile der Bevölkerung betrifft - halte ich für unwahrscheinlich. Vielleicht mal das Szenario durchspielen, was passierte, wenn das als schleichende Entwicklung eintreten würde- also die Hinterfragung gegeben gesehener - irgendwo vom Kapital vorgegebener - Konsum- und Arbeitsmuster mehr und mehr überhand nehmen würde, und die Unternehmen Zeit hätten, sich darauf einzustellen. Wer weiß, vielleicht würden weniger Produkte entwickelt, bei denen die Entwickler den Kunden eher von oben herab sehen, und mehr gute Produkte hergestellt. Vielleicht würden sich auch die Arbeitsbedingungen so entwickeln, dass der Gedanke, mit 40 oder 50 aufzuören, weniger naheliegend erscheinen würde, als das aktuell für einige zu sein scheint. (man kann aus der Erkenntnis, dass man eigentlich nicht so viel arbeiten müsste, wie man arbeitet, auch andere Schlüsse für sich ziehen, als noch 15 Jahre damit voll weiterzumachen, um dann total damit aufhören zu können).

Wenn wir es mal nüchtern und logisch betrachten, ist unser derzeitiges Wirtschafts- und Arbeitsleben noch aus einem anderen Grund nicht zukunftsfähig. Und zwar nicht ur wegen der Zinswirtschaft, sondern auch wegen der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung. Es werden immer weniger Menschen gebraucht um die Bedürfnisse unseres Daseins zu decken. Man betrachte hier nur mal wieviele Berufe und Arbeitsplätze in den letzten 30 Jahren weggefallen sind oder vom "Aussterben" bedroht sind. In den 70er und 80er Jahren standen in der Autoindustrie noch massenhaft Bandarbeiter in den Werkhallen und haben Autos zusammengeschraubt, heute stehen da nur noch massenhaft Roboter. Dienstleistungen wie Anlage- und Versicherungsberater werden auch immer weniger gebraucht, weil die Leute heutzutage Vergleichsportale im Internet nutzen. Der nächste Beruf, der in den nächsten 20 Jahren obsolet wird, ist der Lkw-Fahrer, da die Fahrzeuge künftig autonom fahren werden. Vermutlich werden dann sogar die Züge autonom fahren und die Felder mit autonomen Maschinen bestellt und geerntet. Stellt sich also die Frage: Wie soll das Geld denn künftig verdient werden, schließlich können nicht alle Programmierer und Ingenieur werden. Wenn also immer wenger menschliche Arbeitsleistung gebraucht wird und die Versorgung trotzdem (im Überfluss) sicher gestellt ist, brauchen wir wohl oder übel ein anderes Verteilungssystem.

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