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Effektiver Altruismus - was für FI-Frugis?

Hallo zusammen,

eine Freundin von mir lebt nach dem Prinzip des effektiven Altruismus (ich möcht keine Werbung dafür machen, aber Info ist wohl nötig, also hier die Seite der deutschen organisierten EAs: https://www.effektiveraltruismus.de/ ). Das bedeutet für sie, sie hat eine gut bezahlte Stelle, gibt aber einen Grossteil des Geldes, das sie verdient, nicht aus - ähnlich wie ein Frugi. Nur, im Unterschied zum Frugi hat sie keine Spar-, sondern eine Spendenquote, weil sie dieses Geld an Organisationen spendet, die zur (grob gesagt) "Verringerung des Leids auf dem Planeten" am effektivsten beitragen. Mit der Weise, wie diese Organisationen in EA-Kreisen ausgewählt werden, bin ich nicht unbedingt einverstanden, aber darum geht's mir hier nicht.

Sondern mir ist die Gemeinsamkeit im Lebensstil aufgefallen: EAs und Frugis leben beide sparsamer als sie es vom Verdienst her müssten, aber mit unterschiedlichen Zielen. Und ich frage mich, da ich Frugis für etwas weniger altruistisch als EAs halte, aber nicht für herzlos - wäre das vielleicht ein Lebensstil für diejenigen von uns, die die Finanzielle Freiheit erreicht haben, aber aus Spass an der Sache weiter arbeiten und Geld verdienen? Soweit ich das hier mitbekomme, sind das ja nicht grad wenige, es scheint eher der Normalfall als die Ausnahme zu sein. Da hat man dann festgestellt, dass man auch mit deutlich weniger Geld, als man verdient, ein glückliches Leben führen kann - was spricht dagegen, den Überschuss zu spenden?

Könntet Ihr Euch so etwas vorstellen, lebt Ihr es vielleicht bereits - oder erfreut Ihr Euch lieber an einem stetig weiter wachsenden Kontostand?

Ich habe bei mir auch Spendenspsrpläne eingerichtet. Aktuell ist es in etwa das was ich bei meinem Sohialversicherungspflichtigen Job einnehme, also grob 500€ im Monat, 5 Prozent meines aktuellen Nettoeinkommens. Das ist deutlich mehr als ich für mich selbst an "Freudenkonsum" ausgebe. Ich habe immer noch eine sehr hohe Sparrate. Ich schätze sehr, wie gut es mir finanziell geht und weiß durch meine vielen Reisen, wie es in anderen Teilen der Welt abgeht, das macht mich oft sehr traurig. So bin ich z.b. auch Pate bei Unicef. Es ist toll, zu sehen was man mit "wenig" in Bezug auf das eigene Einkommen alles erreichen und bewirken kann, während mir selbst dadurch nichts an Lebensqualität abhanden kommt.

https://www.unicef.de/spenden/unicef-pate

Wer sich mal informieren möchte...

Steuerlich geltend machen kann ich das ganze dann auch noch, es wird einem ja staatlich einfach gemacht, ein Herz zu haben 🙂

Dennoch möchte ich weiterhin auch für mich selbst Firegeld parken und darauf auch nicht verzichten. Meine komplette Sparrate abdrücken würde ich nicht.

 

@pulloverhai

Also ich handhabe es ähnlich wie Frugi85.
Ich gehe hier nach dem klassischen "Zehnt". Per Dauerauftrag geht dieser Betrag monatlich auf mein Zweitkonto. Von diesem werden dann in unterschiedlichen Intervallen verschiedene Objekte von mir finanziert - sprich gespendet.
Also bspw. monatliche Patenschaften bzw. Einmalleistungen, die ich dann separat überweise.

Und als Grundlage sehe ich nicht nur mein monatliches Einkommen, sondern es werden alle Einkünfte (Dividenden, sonstige Einnahmen) betrachtet.

"Was spricht dagegen den Überschuss zu spenden?"

Ja, @pulloverhai , das ist leider das zentrale Problem. Was im Fire ist denn mein Überschuss, bzw. auch bei denen die täglich noch zur Arbeit gehen? Ich weiß zu wenig von morgen. Anstatt über den aktuellen Überschuss zu reden kann man doch viel effektiver über das reden was beim Ableben noch übrig ist. Hier mehr als den Pflichtteil zu vererben scheint unnötig.

Das Sicherheitsbedürfnis ist individuell, bei mir relativ hoch. Mein Gesundheitsbedürfnis ebenfalls. Noch länger zu arbeiten in einem Job der mich Tag und Nacht beschäftigt hat werde ich nicht schaffen ohne gravierende Nachteile für meine Gesundheit. Schlafentzug, Dauerschmerzen wegen einseitiger körperlicher Beanspruchung um mehr Spenden zu können? Will ich mir nicht leisten.

Vielleicht ist es effizienter sein Geld jetzt noch halbwegs zusammenzuhalten, lieber mehr als weniger Sicherheit finanziell zuzulassen und sich dann gegen Lebensende mit dann hoffentlich einer größeren Summe spendenseitig zu beschäftigen. Wäre jetzt so meine aktuelle Denke.

Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, dass das jemand dauerhaft durchzieht und würde das auch bei Ihrer Freundin als temporäre Erscheinung abtun. Die Selbsterhaltung ist langfristig dann ausgeprägter als das Bedürfnis anderen zu helfen. Dennoch Respekt dafür!

 

Ich bin zugegebenermaßen nicht der große Spender. Zum einen glaube ich, dass viele der entsprechenden Organisationen ineffizient arbeiten und das Geld irgendwie im Nirvana sich in Luft auflöst. Zum anderen habe ich durch meine unglaublichen Steuerzahlungen und Zahlungen in diverse Sozialkassen schon genug für die Allgemeinheit getan. Deutschland verteilt ja viel von dem Geld in der Welt, dann muß ich das nicht auch noch tun.

Wenn ich Geld "spende", dann nur direkt beim Empfänger, so zB beim Sportverein meines Sohnes, der in Corona Zeiten finanzielle Probleme hatte oder bei der Schule, um mit externer Unterstützung den Schwimmunterricht für alle sicherzustellen.

Respekt an All Diejenigen die soviel spenden, ich zahle genug Steuern und das ist dann All Inclusive  🙂  und wenn ich dann sowas lese, schlimm...

https://www.focus.de/perspektiven/flutreporter/kommentar-aufwachen-ampel-gebt-diesen-menschen-endlich-das-geld-das-ihnen-zusteht_id_186610680.html

am Ehesten würde ich aber für das Ahrtal spenden oder den Weissen Ring oder so,

hier noch was Lustiges:

die Kirche in der Gemeinde eines Kollegen hat jahrelang ein Projekt in Afrika unterstützt, nach einigen Jahren wollten sie sich an Ort und Stelle mal überzeugen ob das Geld auch gut ankommt, ein paar Leute fuhren da also hin, mein Kollege auch, er sammelte vorher noch und ich hab da auch was gegeben, halt weil ich den Kollegen gerne mochte. Nach Wochen kommt er zurück und zeigt Fotos der neu eingeweihten kleinen Schule, adrett sassen die Buben da in kurzen Hosen und T'shirts und strahlten, Mädchen hab ich nicht gesehen, mein Kollege war nicht sonderlich begeistert ob meiner Frage ob es für die Mädchen nix gegeben hätte... hi hi....die Schule war halt nur für die Buben.

Ich respektiere und bewundere jeden, der altruistisch handelt.

Der Bewegung Effektiver Altruismus stehe ich mittlerweile aber höchst kritisch gegenüber nach diesem Artikel:

https://time.com/6252617/effective-altruism-sexual-harassment/

Der Artikel ist auf englisch und das Thema wurde in Europa noch nicht groß aufgefriffen, weil die Bewegung hier eher unbekannter ist.

 

Zitat von Adastra am 28. Februar 2023, 9:49 Uhr

 

Der Bewegung Effektiver Altruismus stehe ich mittlerweile aber höchst kritisch gegenüber nach diesem Artikel:

 

Na das ist mal interessant! Wobei das Thema offensichtlich jetzt in EA-Kreisen diskutiert wird. Ich selbst halte den (im Artikel auch erwähnten) ausgeprägten Rationalismus für einen Versuch, Dinge zu kontrollieren, die man nicht kontrollieren kann. Wer sich sicher sein muss, keine Fehler zu machen, der wählt wohl so einen Ansatz, und kann sich damit anderen überlegen fühlen.

Aber zurück zum hiesigen Thema:

Zitat von Absprung_2020 am 27. Februar 2023, 9:36 Uhr

Das Sicherheitsbedürfnis ist individuell, bei mir relativ hoch. Mein Gesundheitsbedürfnis ebenfalls. Noch länger zu arbeiten in einem Job der mich Tag und Nacht beschäftigt hat werde ich nicht schaffen ohne gravierende Nachteile für meine Gesundheit. Schlafentzug, Dauerschmerzen wegen einseitiger körperlicher Beanspruchung um mehr Spenden zu können? Will ich mir nicht leisten.

Vielleicht ist es effizienter sein Geld jetzt noch halbwegs zusammenzuhalten, lieber mehr als weniger Sicherheit finanziell zuzulassen und sich dann gegen Lebensende mit dann hoffentlich einer größeren Summe spendenseitig zu beschäftigen. Wäre jetzt so meine aktuelle Denke.

Kann ich verstehen. Aber es gibt ja so einige Frugis hier, die feststellen, dass sie nach Erreichen ihres persönlichen FI-Ziels interessante Aufgaben angeboten bekommen, die sich auch monetär auszahlen. Eine Situation, die ich recht gut nachvollziehen kann: Ich müsste nicht mehr, oder nur noch wenig, arbeiten, stelle aber fest, dass mir das reine Ehrenamt nicht so zusagt, und die zündende Idee für ein Social Entrepeneurship ist mir noch nicht gekommen. Also überlege ich, mich in meinem Beruf wieder zu engagieren, aber den Verdienst zu einem grossen Teil eben für sinnvolle Projekte (da hat EA ganz gute Ansätze und Vorschläge, halt mit einem "grain of salt" zu geniessen) zu spenden. Mal sehen, was draus wird.

Wir engagieren uns in verschiedener Weise in mehreren Sport- und Musikvereinen, zwei Hilfsorganisationen, zwei Schulen aktiv/passiv in den jeweiligen Fördervereinen, wobei ich selbst das bis auf meine jährliche WIKIpedia-Spende eher lokal beschränke.

Das reicht mir persönlich erst mal aus.

Kompletter Altruismus wie im ET beschrieben, wäre nichts für mich, da ist mein Sicherheitsbedürfnis anders strukturiert. Ich sehe das in etwa so wie bei einem Erste-Hilfe-Einsatz: erstmal eigene Sicherung checken, dann kann man anderen helfen. Wenn man dabei die eigene AV ausklammert, ist das mE schon grenzwertig.

Die effektiven Altruisten müssen sich ja auch wieder einen Titel geben und am besten organisieren in einer fast sektenähnlichen Struktur. Was spräche denn dagegen, sich einfach still und leise zu engagieren, wie das Millionen Menschen machen - im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ohne es an die große Glocke zu hängen.

Ich bin zwar von FIRE weit entfernt (und werde es vermutlich vor meiner Rente auch nicht erreichen) - werde aber dank relativ frugaler - oder eben sparsamer Lebensweise - auch nicht in der Altersarmut landen.

Ich engagiere mich neben meiner frugalen Lebensweise. Ich spende an Organisationen, deren Arbeit ich für sinnvoll und zielführend halte. Und mache auch selbst etwas. Und so halten es auch meine Freunde. Muß man sich mit Haut und Haaren einer Bewegung verschreiben?

Diese Bewegungen implizieren meiner Meinung auch gerne gegenüber anderen, daß deren Engagement quasi wertlos ist. Ich würde sagen, jeder sollte den Weg finden, der für einen selbst gangbar ist - und das langfristig. Das kann Spenden sein, das kann persönliches zeitliches Engagment für Organisationen sein - das kann aber durchaus auch das Vermieten von Wohnraum sein zu akzeptablen Preisen statt alles rauszuholen.

Effektiver Altruismus ist letzlich wieder ein sehr elitärer Ansatz Gutverdienender bis Superreicher, die sich im gleichgesinnten Club willkommen fühlen. Und glauben, es besser zu wissen.

Mir ist jetzt auch eingefallen, an was mich Effektiver Altruismus erinnert - das ist im Endeffekt der gleiche Ansatz wie Kommunismus. Von der Idee her wunderbar - funktioniert nur in der Ausführung nicht so.

(ich selbst finde durchaus die Idee von Kommunismus toll, habe aber bisher noch nirgends gesehen, daß es in der vorgesehenen Form funktioniert. Selbst bei freiwilligen Zusammenschlüssen von Menschen mit der Idee - wie z.B. Kibbuz - wurden die Ideale im Laufe der Zeit aufgeweicht, weil der Mensch offenbar nicht zur reinen Form geeignet ist - von erzwungenen Konstrukten ganz abgesehen).

Versteht mich nicht falsch - ich halte z.B.  "The Giving Pledge" für eine gute Sache, und angesichts der Summen, die da reinfließen kann damit unglaublich viel bewirkt werden.

Aber selbst die verpflichten sich nur selbst, die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. Sprich - bei den Vermögen bleibt mehr als genug für sie übrig. Und es zeigt sich ein weiteres "Dilemma", wie MacKenzie Scott (die Exfrau von Jeff Bezos) mal berichtet hat. Obwohl sie Milliarden gespendet hat, hat sich ihr Vermögen im gleichen Zeitraum erhöht "Sie verdient mehr Geld, als sie abgeben kann. Obwohl sie im vergangenen Jahr mehr als acht Milliarden US-Dollar gespendet hat, ist sie laut "Forbes" mit einem Wert von rund 60 Milliarden US-Dollar heute reicher denn je. "

@adastra

Ich würde mich jetzt nicht so in das organisatorische reinsteigern oder die Motivation von Mitgliedern oder einzelnen Gruppen rausarbeiten wollen. Ich fokussieren lieber auf die Grundsatzidee: Spende ich irgendwo irgendwas, oder schaue ich, wo ich mit meiner beschränkten Spende das maximale an Positivem heraushole. Letztlich so wie Gates sein Spendenprojekt ebenfalls unter Effizienzaspekten kreiert hat. Wie kann ich meinen Euro am besten platzieren, dass der möglichst viel bewirkt, z.B. an weiterer Wertschöpfung? Und das ist ja zunächst nicht zu beanstanden. Im Gegenteil: Dass Spenden eine möglichst breite Wirkung entfaltet ist positiv.

Hatte mich da vor Jahren auch mal mit beschäftigt, anfangs fand ich das interessant und einleuchtend, am Ende aber erschreckend.