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Digitalisierung in Fabriken – Eure Erfahrungen?

Hallo Leute! Mich würde es mal interessieren, was ihr als Frugalisten oder auch Minimalisten von Digitalisierung haltet? Ich bekomme im Verwandten- und Bekanntenkreis immer mehr mit, dass das in vielen Unternehmen Thema ist und einige haben auch erzählt, dass dabei ganz viel Verunsicherung herrscht, vor allem unter den Arbeitern in der Produktion, was da genau auf sie zukommt und wie sich das auf ihre Arbeit auswirken wird. Mein Cousin zum Beispiel hat gemeint, dass er den Eindruck hat, die Chefetage hat selbst noch keinen konkreten Plan, aber es wird mal angeteasert, weil das jetzt alle machen und man „am Puls der Zeit“ bleiben muss – wobei ich ja finde, dass alle die erst jetzt damit anfangen, ohnehin schon spät dran sind. Aber hat jemand von euch schon konkrete Erfahrungen damit gemacht, wie so ein Prozess aussehen kann und welche Vorteile er bringt? Wurden eure Arbeitsplätze schon digitalisiert?

1998 hat angerufen und will seinen Thread zurück.

Welches Unternehmen fängt denn bitte 2023 damit an, sich über Digitalisierung Gedanken zu machen? Und welche Arbeitnehmer lassen sich davon verunsichern?

Grüsse vom Sparschwein

Denke auch, das musst du etwas präzisieren. Ich habe vor 20 Jahren als Student in einem Ingenieurbüro für Mess- und Fertigungstechnik gearbeitet, die u.a. für Automobilkonzerne und Zulieferer entwickeln. Dort wurde zur der Zeit nicht nur die gesamte Produktion digitalisiert, es wurden auch gleich herstellerübergreifende, internationale Standards geschaffen, um Kosten zu senken und Hersteller-Abhängigkeit zu reduzieren. Die damals modernen Techniken wie CORBA sind aus heutiger Sicht angestaubt, aber mit ihrer IT-Architektur waren Teile der Industrie damals schon weiter als viele Branchen heute (hallo Behörden, Banken und Versicherungen...).

Meinst du vielleicht aktuelle und nicht mehr ganz aktuelle Hype-Themen wie Cloud-Computing, KI, 3D-Druck etc.?

"Digitalisierung", ich hab den Eindruck das ging eher so vor 3-4 Jahren durch die Medien (parallel zum Bedingungslosen Grundeinkommen), das dadurch z.b. 40% der Arbeitsplätze wegfallen würden usw.. Im Moment haben wir nahezu Vollbeschäftigung. Aber na klar fallen Arbeitsplätze weg, war das nicht immer so, auch schon vor 100 und 200 Jahren, dafür entstehen wieder neue. Ich habe den Eindruck die Arbeit geht nicht aus, die Beschäftigungsquote steigt zumindest seit Jahren.

Ich arbeite in der Pflege, da kann man nicht viel Personal durch Digitalisierung sparen, aber die Führungsebenen wurde wegrationiert, wir habe nur noch eine Abteilungsleiterin und keinen Bereichsleiter mehr, auch der Mitarbeiter im Einkauf wurde gestrichen, nachdem er in Rente ging. Andererseits gibt es in der Personalabteilung jetzt 3 Mitarbeiter, wo das früher Jahrzehnte lang nur einer gemacht hat. da hat man noch mit Bleistift und Radiergummi den Dienstplan geschrieben, heute nutzt man teure Software und braucht trotzdem mehr Mitarbeiter. Zusätzlich gibt es noch xBeauftragte für irgendwas, was früher keinen interessiert hat, und wo der Mehrwert auch eher zweifelhaft ist, ich würde es eher bulshitjobs nennen.

Digitalisierung ist ein breites Thema, also ich muss ehrlich sagen, ich dachte, gerade in Fabriken ist das schon Gang und Gebe. Allerdings habe ich dahingehend nicht wirklich Berührungspunkte. Und ja, kann schon sein, dass manche Arbeitsplätze durch Digitalisierung wegfallen, aber es wird trotzdem noch mehr als genug Stellen geben, die menschlich besetzt werden müssen. Bei uns im Betrieb wurden dann ein paar Firmenintern in andere Abteilungen versetzt, also niemand musste aufgrund von Digitalisierung den Job gänzlich aufgeben. Ganz ohne Menschen läuft es dann ja doch nicht und in vielen Branchen ist menschlicher Kontakt ohnehin unerlässlich, also ich finde die Sorge unbegründe, dass irgendwann mal zu wenig Arbeit für die Menschen da ist. Gerade in der Pflege, in der Bildung, im medizinischen Bereich geht es ja nicht ohne menschliche Interaktion. Aber auch im Bankenwesen und anderen wirtschaftlichen Bereichen vertrauen die (potentiellen) Kund:innen auf den Austausch mit einer menschlichen Fachperson. Zudem kommt ja aktuell der enorme Fachkräftemangel hinzu, also in nahezu jeder Branche fehlt es an Arbeitskräften und einige Unternehmen können sich gar nichtmehr über Wasser halten. Momentan schließen ja auch viele Gastronomiebetriebe, weil sie einfach zu wenig Personal haben. Ein Wirtshaus lebt ja auch von Servicekräften, die mit den Gäst:innen interagieren.

Also wie in 1998 schaut es dort zum Glück nicht mehr aus – ansonsten wären diese Firmen vermutlich ohnehin schon in der Insolvenz… Mein Cousin ist nun auch schon seit 8 Jahren in seiner Firma - im Bereich Kühlanlagen. Er meinte, als er dort zu arbeiten begonnen hat, gab es sie letzte größere Digitalisierungswelle, aber auf dem Stand hat man sich nun ausgerastet, weil man ja „eh erst vor kurzem“ umgestellt hat. Und jetzt habe ich schon den Eindruck, dass das Thema neu angefacht wurde, weil die KI eine Zeit lang durch alle Medien geisterte – ohne dass die meisten Menschen irgendeine Ahnung davon haben, aber jeder hat ein Gefühl dazu… Ist das bei euch auch alle paar Jahre in größeren Schritten gemacht worden oder gibt es wen der Erfahrungen damit hat, dass man da stetig betreut wird. Mein Cousin hat erst gestern erfahren, dass jetzt eine Consultingfirma zum Thema Digitalisierung in sein Unternehmen kommen soll und das jetzt für längere Zeit (oder dauerhaft – das hat er noch nicht genau gewusst) begleiten soll, damit nicht wieder so eine Hau-Ruck-Aktion rauskommt und dann lange nichts passiert… Ich finde das grundsätzlich spannend und denke, so kann man auch die Mitarbeiter besser einbinden. Vor so großen Änderungen haben viele sicher mehr Angst, als wie, wenn immer wieder ein bisschen aktualisiert wird.

Jetzt muss ich mich noch einmal melden und nachfragen, bezüglich solcher Consultingfirmen, die sich auf die Digitalisierung von Unternehmen spezialisiert haben bzw. euch mit meinen neuesten Erkenntnissen updaten ;-). Ich war heute Abend bei meinem Klassentreffen und ein ehemaliger Schulkollege hat erzählt, dass er in der Halbleiterindustrie tätig ist, und die sind im Bereich der Digitalisierung anscheinend ganz weit vorne – da hatte ich gleich einen guten Gesprächspartner für mein Thema. War sehr spannend, was er von seinem Bereich erzählt hat, aber auch sehr speziell. Er hat mich auf die Homepage von susietec verwiesen, denn da kann man sich Use Cases anschauen, wie die Digitalisierung in verschiedenen Firmen umgesetzt wurde. Das habe ich jetzt vorher noch gemacht, aber ich muss zugeben, dass ich viel davon als Laie nicht verstehe. Es wirkt zwar sehr professionell und so als ob da wirklich für die verschiedenen Unternehmen sehr individuelle Lösungen gefunden werden. Aber vielleicht hat ja von euch jemand direkte Erfahrungen, die er in verständlicher Sprache für Otto Normalverbraucher schildern kann :-p

Bei mir im mittelständischen Maschinenbau kaum ein Thema.

Eher die Verlagerung nach Indien etc ist ein echtes Problem für deutsche Arbeitnehmer.

Ansonsten seh ich in Digitalisierung nur Vorteile für die Allgemeinheit, da es vorallem Produkte zum kaufen günstiger macht. Die Industrie setzt ja alles daran Produkte möglichst teuer zu verkaufen, ein gutes Auto könnte man heutzutage locker für 5000€ bauen und verkaufen.

Zitat von minimalila am 14. Juni 2023, 23:53 Uhr

Er hat mich auf die Homepage von susietec verwiesen, denn da kann man sich Use Cases anschauen, wie die Digitalisierung in verschiedenen Firmen umgesetzt wurde. Das habe ich jetzt vorher noch gemacht, aber ich muss zugeben, dass ich viel davon als Laie nicht verstehe. Es wirkt zwar sehr professionell und so als ob da wirklich für die verschiedenen Unternehmen sehr individuelle Lösungen gefunden werden. Aber vielleicht hat ja von euch jemand direkte Erfahrungen, die er in verständlicher Sprache für Otto Normalverbraucher schildern kann :-p

Scheint mir jetzt nichts spezielles zu sein. Ich sehe da Shopfloor-Management, das ist quasi eine Betriebsdatenerfassung der Produktionsmaschinen. Wie lange Stillstandszeiten haben die, warum usw.. Dann Codesys-SPS, also Steuerungssoftware für Anlagen. Visualisierung und dann Personal- und Service Management Software, klingt jetzt wie abgespecktes ERP/CRM.

Ich behaupte jede Industrie-Firma nutzt all diese Tools schon sehr lange, vermutlich Jahrzehnte. Ich bin Automatisierungstechniker, schreibe also auch den Code mit denen die Maschinen diese Daten an die Shopfloor-Software melden.

Digitalisierung ist für mich etwas ganz anderes. Z.B. habe ich vor kurzem Platinen bestellt bei einem chinesischen Anbieter. Man lädt die Dateien und die Stückliste hoch und das System generiert automatisch alle notwendigen Informationen und checkt diese auf Validität. Dann klickt man nur noch auf bestellen und in der Fabrik beginnt die mehrtägige Produktion dieser Platinen mit mehr wie 50 Produktionsschritten plus vollautomatische Bestückung aus einem Portfolio von 100.000 verschiedenen Bauteilen. Danach Versand und Zollabwicklung ins Ausland. Der ganze Prozess läuft fast vollautomatisch, schnell, rund um die Uhr.

Digitalisierung mit neuen Techniken ist z.B. eine KI-gestützte Auftragsprognose die umfänglich automatisch die Prozesse an die erwartete Auftragslage anpasst, Material bestellt, Personal plant usw..

„Wenn man kein Geld hat, denkt man immer an Geld. Wenn man Geld hat, denkt man nur noch an Geld.“ Jean Paul Getty

Consulting kann schon sinnvoll sein. Vorallem in Sachen Digitalisierung ist das Feld ja sehr breit, da weiß man ja oft nicht einmal, wo man anfangen soll zu schauen. Dann ist die Umrüstung selbst ja auch oft ein Problem, kann ich mir vorstellen. Mit einer Externen Firma wird das vermutlich deutlich schneller über die Bühne gehen. Es wird dann sicherlich auch eine Zeit lang dauern, bis sich das Personal an die neue Technik gewöhnt hat, aber das wird nach kurzer Zeit angekommen sein und zudem sollte es ja auf langfristige Sicht effizienter sein.

Die Produktivität macht in Deutschland seit 2007 so gut wie keine Fortschritte mehr und das trotz (oder wegen?) vermehrter Digitalisierrung usw..

Das deckt sich auch mit meine Persönlichen Erfahrungen.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/974210/umfrage/produktivitaet-je-erwerbstaetigen-in-deutschland/

früher war vieles einfacher und Effizienter, heute sind allein schon während der Arbeit viele durch ihr Handy abgelenkt und beschäftigen sich mit anderen Dingen, das sehe ich oft auf Baustellen, beim Busfahren, im Restaurant, bei mir auf der Arbeit....

Zitat von Tim am 16. Juni 2023, 6:58 Uhr

Scheint mir jetzt nichts spezielles zu sein. Ich sehe da Shopfloor-Management, das ist quasi eine Betriebsdatenerfassung der Produktionsmaschinen. Wie lange Stillstandszeiten haben die, warum usw.. Dann Codesys-SPS, also Steuerungssoftware für Anlagen. Visualisierung und dann Personal- und Service Management Software, klingt jetzt wie abgespecktes ERP/CRM.

Ich behaupte jede Industrie-Firma nutzt all diese Tools schon sehr lange, vermutlich Jahrzehnte. Ich bin Automatisierungstechniker, schreibe also auch den Code mit denen die Maschinen diese Daten an die Shopfloor-Software melden.

Digitalisierung ist für mich etwas ganz anderes. Z.B. habe ich vor kurzem Platinen bestellt bei einem chinesischen Anbieter. Man lädt die Dateien und die Stückliste hoch und das System generiert automatisch alle notwendigen Informationen und checkt diese auf Validität. Dann klickt man nur noch auf bestellen und in der Fabrik beginnt die mehrtägige Produktion dieser Platinen mit mehr wie 50 Produktionsschritten plus vollautomatische Bestückung aus einem Portfolio von 100.000 verschiedenen Bauteilen. Danach Versand und Zollabwicklung ins Ausland. Der ganze Prozess läuft fast vollautomatisch, schnell, rund um die Uhr.

Digitalisierung mit neuen Techniken ist z.B. eine KI-gestützte Auftragsprognose die umfänglich automatisch die Prozesse an die erwartete Auftragslage anpasst, Material bestellt, Personal plant usw..

Wow, vielen Dank für deine Erfahrungen, das hört sich sehr spannend an und für mich auch echt cool, was da alles bereits möglich ist. Ich glaube aber, dass da viele Firmen noch meilenweit davon entfernt sind so agieren zu können. Also, zumindest ein meinem Umfeld tut sich da bei den meisten weit noch nicht so viel. Danke für den Einblick 🙂

Zitat von Silberstreif am 27. Juni 2023, 1:56 Uhr

Die Produktivität macht in Deutschland seit 2007 so gut wie keine Fortschritte mehr und das trotz (oder wegen?) vermehrter Digitalisierrung usw..

Das deckt sich auch mit meine Persönlichen Erfahrungen.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/974210/umfrage/produktivitaet-je-erwerbstaetigen-in-deutschland/

früher war vieles einfacher und Effizienter, heute sind allein schon während der Arbeit viele durch ihr Handy abgelenkt und beschäftigen sich mit anderen Dingen, das sehe ich oft auf Baustellen, beim Busfahren, im Restaurant, bei mir auf der Arbeit....

Ja, noch einmal ein ganz anderer Punkt ist vielleicht die Digitalisierung des Alltags. Es wird zwar oft davon ausgegangen, dass die Gen Z als Digital Natives Ahnung von der Digitalisierung hat und mit den digitalen Medien umgehen kann, aber nur weil man tiktok und snapchat benutzt ist man noch lange kein Digitalisierungexperte, auch wenn man vielleicht schneller einen Zugang zu vielen Themen findet.

Ich danke euch allen auf jeden Fall für die spannenden Einblicke in das Thema 🙂